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Einer der letzten war Dabaro, jener Kundschafter und angebliche Händler. Wie durch ein Wunder entging er den Geschossen und niedersausenden Schlägen, durchbrach blitzschnell die Kette unserer Krieger und flog davon wie ein Pfeil. Unsere Krieger schossen hinter ihm her, doch trafen sie ihn nicht. Er rannte genau auf uns zu.

Als er mich gewahrte, flackerten seine Augen bösartig wie die eines Wolfes. Sofort nahm er Richtung auf mich, und seine erhobene Hand umspannte das todbringende Messer. Ich hatte die Muskete zur Seite gestellt, nun blieb keine Zeit mehr, auf ihn anzulegen. So riß ich die Pistole aus dem Gürtel, zielte auf die Brust des Angreifers und drückte ab. Der Hahn knackte, doch ging der Schuß nicht los. Dabaro stieß einen triumphierenden Schrei aus. Seine Augen funkelten.

Schnell griff ich nach dem Messer, doch da sprang Lasana vor. Sie hielt eine kleine Keule in der Hand und schleuderte sie dem Rasenden entgegen. Am Kopf getroffen, strauchelte Dabaro und verlor einen Augenblick die Herrschaft über sich. Ich lief auf ihn zu und stieß ihm mit voller Kraft die Faust zwischen die Augen. Er ließ das Messer fallen und sackte zusammen.

Schon waren die Verfolger heran und wollten ihm den Schädel einschlagen, aber ich rief ihnen zu: „Wir brauchen ihn lebend! Bindet ihn!”

Sie nahmen meinen Befehl mit mißfälligem Gemurmel entgegen, führten ihn jedoch aus.

Gerührt blickte ich auf Lasana. Noch war die Erregung nicht von ihr gewichen, sie bebte am ganzen Körper.

„Wie oft noch werde ich dir mein Leben zu verdanken haben?” knurrte ich scheinbar gereizt.

„Sooft es notwendig sein wird”, antwortete sie mit weicher Stimme.

Unterdessen waren die letzten Akawois überwältigt worden, und es trat eine unheimliche Stille ein. Alle schwiegen, als hätte sie eine schwere Arbeit zu Tode erschöpft. Wir waren wie betäubt und empfanden im Kopf eine fast schmerzliche Leere. Augen und Ohren bestätigten, daß die schrecklichen Ereignisse zu Ende seien und keine Gefahr mehr drohe. Unser Verstand aber konnte diese Wahrheit noch nicht fassen, er glaubte sie nicht, er schenkte den Augen kein Vertrauen.

Erst jetzt machte sich die Spannung bemerkbar, in der wir Tage und Nächte hindurch gelebt hatten, und wir fühlten, daß wir uns vor Müdigkeit kaum mehr auf den Beinen halten konnten. Ich forderte Oronapi auf, er möge uns eine Stärkung zubereiten lassen. Nach dem Essen hielt ich mit den warraulischen Häuptlingen und den ältesten der Arawaken eine Beratung ab, in die ich auch die jungen Freunde Arnak und Wagura einbezog, und traf schnell die dringendsten Anordnungen. Ich vergaß nicht, eine mit Warraulen bemannte Itauba zu entsenden, die Manauri die Kunde von unserem Sieg und gleichzeitig die Versicherung überbringen sollte, daß am Itamaka und am Orinoko wieder Ruhe und Frieden eingekehrt seien. Außer der von uns vernichteten Expedition befanden sich keine weiteren Akawois hier im Norden. Eine Zählung ergab, daß etwa einhundert Krieger daran beteiligt gewesen waren, von denen wir vierzehn lebend gefangengenommen hatten. Alle übrigen waren umgekommen.

„Was tun wir mit den Gefangenen?” fragte mich Oronapi. „Ich weiß es nicht’, antwortete ich aufrichtig.

„Sie müssen bestraft werden, denn sie wollten uns vernichten. Du aber siehst es nicht gern, daß Gefangene getötet werden.” „Nein!”

„So werden wir sie in die Sklaverei verkaufen.”

„An die Spanier?”

„Nein, auf das große englische Schiff, das vor einigen Tagen zu dir gekommen ist. Es soll die Akawois weit nach Norden mitnehmen.”

Dies war eine Lösung, wenn sie auch, das gebe ich zu, nicht gerade nach meinem Geschmack war. Da die übergroße Müdigkeit uns kaum noch klare Gedanken fassen ließ, beschlossen wir, über alle diese Fragen später zu entscheiden. Wir vertrauten die Gefangenen und uns der Obhut der Warraulen an und suchten unser Lager auf, um zu schlafen.

Die Bande der Freundschaft und der Waffenbrüderschaft, die in diesen Tagen ihre große Probe bestanden und uns alle noch näher gebracht hatten, die Bande des Vertrauens zueinander währten auch im Schlaf: in den uns abgetretenen Hütten lagen wir einer neben dem andern, Indianer, Neger und ein Weißer, verbunden durch die gemeinsamen schweren Stunden des Kampfes und durch den gemeinsamen Sieg. Und jeder von uns schlief nach alter Gewohnheit mit der Hand auf der Waffe.

Morgenröte über dem Urwald

Ein Kanonenschuß riß uns aus dem Schlaf. Es war heller Tag. Wir hatten zwanzig Stunden ohne Unterbrechung geschlafen. Nun erwachten wir gestärkt, heiter und hungrig wie Wölfe.

Gleich darauf erschien Oronapi mit besorgter Miene.

„Das große englische Schiff ist den Orinoko heruntergekommen, eben wirft es vor unserer Insel Anker”, verkündete er. „Was sollen wir tun?”

„Sie freundlich willkommen heißen”, gab ich ihm zur Antwort. „Es sind Freunde! Vorher aber laß uns etwas zu essen bringen.”

Noch während ich aß, wurde mir mitgeteilt, daß Kapitän Powell an Land gekommen sei und Oronapi ihn nach dem am Orinoko üblichen Zeremoniell feierlich begrüßt habe. Ich schickte Arnak, Wagura und Fujudi als Dolmetscher zum Oberhäuptling. Powell, den die etwas lange dauernde Begrüßungszeremonie ungeduldig machte, entschuldigte sich höflich, aber entschieden bei Oronapi und forderte Arnak und Wagura auf, ihn bei einem Rund-gang auf der Insel zu begleiten und ihm den Ablauf der Ereignisse zu schildern. Als wir uns eine Viertelstunde später zwischen den Hütten begegneten, eilte er entzückt auf mich zu und rief schon von weitem: „Well, Bober, das nenne ich ganze Arbeit leisten! Marlborough oder Francis Drake hätten es auch nicht besser machen können. Sie haben den Akawois eine Tracht Prügel verabreicht, an die sie nach Generationen noch denken werden. Mit dem Weißen Jaguar werden die Mütter ihre unfolgsamen Kinder schrecken! Und es ist tatsächlich niemand der Falle entronnen?”

„Soviel uns bekannt ist, niemand.”

„Goddam you, das ist wirklich saubere Arbeit! Wissen Sie, was das bedeutet? Junger Mann, sind Sie sich eigentlich der Tragweite dessen, was Sie getan, bewußt?”

„Nein”, stieß ich belustigt hervor. „Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken.”

„Lachen Sie nur, lachen Sie über sich selbst! Ich will es Ihnen noch einmal erklären: Es bedeutet, daß die Spanier am unteren Orinoko schwach sind, daß sie froh sind, wenn sie in Ruhe atmen dürfen, und daß Sie ihnen entsprechenden Respekt eingeflößt haben. Es bedeutet, daß Sie die Akawois kreuzlahm geprügelt haben und daß diese es nicht mehr wagen, hier zu erscheinen, und es bedeutet, daß Ihre Indianer jetzt für Sie durchs Feuer gehen, daß Sie sie ganz in der Hand haben. Mit einem Wort, John Bober, Sie sind der unumschränkte Herrscher am unteren Orinoko! Es liegt jetzt nur bei Ihnen, diese Herrschaft zu festigen, indem Sie die englische Macht um Hilfe ersuchen.”

„Ach, schon wieder das alte Lied! Geht es immer noch um?” gab ich spöttisch zur Antwort.

„Ja, es geht immer noch um, und es wird so lange umgehen, bis es an der Mündung dieses Flusses reale Gestalt annimmt, bis Sie klüger geworden sind und Ihre Stelle als the big governor, als Gouverneur des englischen Königs, eingenommen haben.”

„Mr. Powell, ich bin bereit, Gouverneur zu sein, aber in den Herzen dieser Indianer und nicht in der Verwaltung Seiner Königlichen Majestät!”

„Schließt denn das eine das andere aus? Als englischer Gouverneur werden Sie die Eingeborenen doch in Ihre persönliche Obhut nehmen.”