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Die Vorübergehenden sparten nicht mit Schmähungen und Beschimpfungen, viele spien dem Greis ins Gesicht und stießen ihn mit Stöcken. Der Gouverneur verurteilte ihn zum Hungertod, und tatsächlich starb Opentschakanuk nach einiger Zeit an Entkräftung. Seine einzige Schuld, das mußten auch unsere Geschichtsschreiber zugeben, bestand darin, daß der greise Häuptling bis zum letzten Augenblick für sein Land und für sein Volk gekämpft hat. Nein, Sir, wir Engländer haben uns nie Grausamkeiten gegenüber den Indianern zuschulden kommen lassen, niemals, nicht wahr?”

Der Kapitän nahm die Erzählung gelassen auf, sogar mit einem Anflug von Humor. Er betrachtete mich eine Zeitlang durch die aus seiner Zigarre aufsteigenden Rauchkringel, streckte sich dann, gähnte vernehmlich und erklärte mit einem feinen Lächeln: „Well, Mr. Bober, Sie haben einen eigensinnigen Schädel, außerdem sind Sie wahrscheinlich heute etwas nervös durch die ungeklärte Situation mit den Akawois. Wir werden uns morgen weiter unter-halten. Gute Nacht, junger Mann.”

„Gute Nacht, Mr. Powell. Vergessen Sie nicht, auf der Brigg Wachen auszustellen. Und lassen Sie die Büchsen und Pistolen mit frischem Pulver versehen!”

Es war bereits tiefe Nacht, als eines der beiden Boote zurückkehrte, die die acht Akawois beobachten sollten. Dabaro und seine Leute hatten sich nach dem Verlassen des Sees flußabwärts gewandt, waren aber nicht bis Serima gefahren, sondern waren gelandet und hatten sich im Ufergebüsch verborgen, um die Dunkelheit abzuwarten.

Unsere Späher gingen auch an Land, um sich zu überzeugen, ob nicht noch mehr Akawois in der Nähe waren, jedoch fanden sie nichts. Nach Einbruch der Dunkelheit bestiegen die acht wieder ihr Boot, sie setzten aber ihren Weg nicht fort, sondern machten kehrt und fuhren den Fluß hinauf. Die Unsern waren ihnen gefolgt, hatten sie aber oberhalb der Einfahrt zum See aus den Augen verloren. Daher kehrte ein Boot zurück, während das andere in der Durchfahrt verblieb.

Diese Nachricht bestätigte unsere Vermutung, daß sich der Lagerplatz der Akawois weiter flußaufwärts befinden müsse.

Ich suchte meine Hütte auf. Als Lasana die Schritte vernahm, erhob sie sich sofort und fachte das erlöschende Feuer an. In der einen Ecke schlummerte Arnak, in der anderen lagen Wagura und Pedro, die beiden unzertrennlichen Gefährten. Sie schliefen den gesunden Schlaf junger Menschen, die schwere Arbeit geleistet haben, ihre Hände ruhten auf ihren Büchsen und Messern. Sie waren bereit zum Kampf wie die meisten Einwohner Kumakas in dieser Nacht. Nicht nur von den Waffen ging eine mildernde Ruhe aus, auch auf ihren Gesichtern lag ein Ausdruck völliger Entspannung. Die jungen Indianer schenkten mir blindes Vertrauen, und ich empfand plötzlich das unbezähmbare Verlangen, im Geiste den Schwur abzulegen, daß ich ihren Glauben niemals enttäuschen werde. Ich warf mich auf das Lager und schlief ein.

Als ich geweckt wurde, dauerte es geraume Zeit, bis ich zu mir kam. Noch im Halbschlaf fühlte ich, daß die Menschen ungewöhnlich erregt waren. Es waren mehrere, sie umstanden mein Lager. Neben Lasana bemerkte ich Manauri, Mabukuli, Fujudi und eine ganze Anzahl Krieger. Die Hütte war fast voll, immer mehr Indianer eilten herbei.

„Jan!” vernahm ich die eindringliche Stimme Manauris. „Steh auf, die Akawois sind aufgebrochen!”

Im Augenblick war ich bei Sinnen, der Schlaf war verflogen. Während ich auf die Beine sprang, rief ich aus: „Wo sind sie?” „Auf dem Fluß.”

„Auf dem Fluß?”

„Ja. Sie fuhren an unserem Dorf vorbei, in Richtung Serima.” „Wurde festgestellt, wie viele es sind?”

„Über achtzig, soviel unsere Späher im Dunkel erkennen konnten. Sie fuhren in neun Booten.”

„Wann haben sie das Dorf passiert?”

„Eben jetzt. Sie können noch nicht weit sein. Ich habe die ganze Siedlung wecken lassen.”

„Gut. Verfolgt sie jemand?”

„Zwei von den drei Jabotas, die am Fluß Wache hielten, fahren hinter ihnen her.”

Wagura und Pedro waren bereits erwacht, Arnak schlief noch wie erschlagen; der arme Kerl hatte die letzte Nacht überhaupt kein Auge zugetan, und der außergewöhnlich heiße Tag hatte ihm den Rest gegeben. Ich schüttelte ihn leicht am Arm und sprach freundschaftlich, aber laut in sein Ohr, „Arnak, lieber Bruder, steh auf, es geht los!”

Er riß die Augen auf und starrte uns an.

Der Kampf auf dem Fluß

In Kumaka summte es wie in einem Bienenstock. Serima ist in Gefahr! Alle beherrschte der gleiche Gedanke: Die Akawois hatten erkannt, daß wir in Kumaka auf der Hut waren und entschlossen, Widerstand zu leisten, weshalb sie den Beschluß faßten, nicht uns, sondern Serima zu überfallen. Sicher hatten sie erfahren, daß die Seuche bereits erloschen war. Wir mußten den Brüdern in Serima schnellstens zu Hilfe eilen. Trotz der Eile und der Dunkelheit entstand keine Unordnung, denn jeder Krieger wußte genau, in welches Boot er gehörte.

Meine Itauba mit Männern aus unserer Sippe stieß als erste vom Ufer ab. Wie von Teufeln besessen, durchpflügten wir das Wasser. Im Nu lag der See hinter uns, und kurz darauf erreichten wir den Fluß. Hier war Vorsicht geboten, um nicht in eine Falle zu geraten. Aber so sehr wir die Augen auch anstrengten, wir konnten nichts entdecken. Das Wasser vor uns war ruhig und der Himmel tiefschwarz, da der Mond noch nicht aufgegangen war.

Plötzlich tauchte ein Schatten auf. Ein Boot? Auf meinen geflüsterten Befehl zogen die Männer die Ruder aus dem Wasser. Es gab keinen Zweifel mehr, vor uns bewegte sich etwas, nun konnten wir bereits gedämpftes Rudergeräusch unterscheiden. Das Boot hielt genau auf uns zu.

„Ho!” rief ich leise.

Die Insassen des Bootes hatten den Ruf vernommen und antworteten. Es war eine der Jabotas, die den Akawois gefolgt waren. Nun kehrte sie mit einer wichtigen Meldung zurück. Die Akawois hatten Serima nicht überfallen, sie fuhren weiter dem Orinoko zu.

Erleichtert atmeten wir auf. Die Gefahr war an Serima vorübergegangen, ein Entsatz war nicht mehr nötig.

„Wo stecken die beiden anderen Jabotas, die mit euch auf dem Fluß waren?” fragte ich.

„Sie folgen den Akawois.”

„Das ist gut so!”

Unterdessen waren die übrigen Itauben aus Kumaka herangekommen. Wir ließen sie dicht neben uns halten und gaben die Nachricht weiter.