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„Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als nach Kumaka zurückzukehren”, sagte Manauri, der über die Wendung der Dinge sichtlich erfreut war.

„Ja, wir kehren zurück’, stimmte ich ihm bei. „Nur müssen wir genau wissen, wohin sie fahren — flußabwärts oder den Orinoko hinauf, was mir weniger wahrscheinlich dünkt.”

„Richtig! Wir schicken ihnen das Boot sofort wieder nach.”

Die Besatzung schien nicht sehr erfreut über diesen Befehl des Oberhäuptlings und murmelte unwillig.

„Glaubt nicht, daß wir der Gefahr bereits endgültig entronnen sind”, sagte ich warnend. „Die Absichten der Akawois kennen wir nicht, und daß sie etwas im Schilde führen, ist gewiß! Nicht nur eine Jabota schicken wir hinter ihnen her, sondern zwei, damit ihnen ständig vier Boote auf den Fersen sind. Außerdem müssen alle Arawaken, die unterhalb Serimas am Itamaka und am Orinoko leben, möglichst bald von dem Geschehenen in Kenntnis gesetzt werden.”

„Sie erfahren es noch in dieser Nacht!” versicherte Manauri.

In gehobener Stimmung fuhren die Krieger ins Dorf zurück. Die Spannung war gewichen, sie fühlten sich freier.

Nach der ersten enthusiastischen Freude, die auch mich erfaßt hatte, kehrte rechtzeitig die kühle Erwägung zurück. Die Akawois waren abgefahren, aber wohin und mit welchem Ziel? Selbst

Kapitän Powell hatte bestätigt, daß sie Sklavenjäger seien, und da sie uns als zu stachligen und unsicheren Bissen hatten fahrenlassen und Serima aus Furcht vor der Seuche mieden, so erhob sich die Frage, auf wen sie sich nun werfen würden. Wer war der nächste? Entschieden die Warraulen, ein wenig kriegerischer Stamm von Fischern, der die Ufer des Orinoko bevölkerte. Wenn sich die Akawois also nach dem Verlassen des Itamaka flußabwärts wandten, dann mochten die Götter den Warraulen beistehen!

Gleich nach dem Eintreffen in Kumaka ließ ich Manduka und seine neun Warraulen herbeiholen und teilte ihnen in Anwesenheit Manauris und Fujudis, der als Dolmetscher diente, meine Befürchtungen mit. Manduka war sofort im Bilde.

„Wir kommen ihnen zuvor! Wir werden unsere Gefährten vor ihnen warnen!” rief er entschlossen aus. „Sicher wollen die Aka-wois über die Unsern herfallen, sie haben es schon öfter getan. Wir brechen sofort auf. Gebt uns aber die gleiche Itauba, mit der wir den Spaniern nachgesetzt sind.”

„Nehmt sie euch”, brummte Manauri.

Die Warraulen stürzten davon, um ihre Waffen und sonstigen Habseligkeiten zu holen. Ich eröffnete den Ältesten, daß auch wir nicht abseits stehen könnten, wenn es um das Schicksal unserer Freunde und Verbündeten ging.

Die Häuptlinge vernahmen meine Worte ohne Begeisterung und zögerten. Daher verlangte ich, daß ganz Kumaka sofort zu einer Beratung zusammengerufen werde. Als sich die Einwohner im Schein mehrerer Feuer auf dem Platz vor meiner Hütte versammelt hatten, erläuterte ich ihnen die Lage. Ungeachtet der so günstig erscheinenden Umstände, durften wir uns nicht sorglos der Ruhe hingeben, denn solange sich der Feind hier in der Nähe umhertrieb, hing unser aller Leben an einem Haar.

„Wir müssen den Warraulen helfen, und zwar unverzüglich!” rief ich laut. „Das ist unsere heilige Pflicht! Wenn wir die nächsten Jahre in Ruhe verbringen wollen, müssen wir uns auf unsere

Verbündeten verlassen können und deshalb heute den Akawois einen solchen Schlag versetzen, daß ihnen ein für allemal die Lust vergeht, uns wieder zu behelligen.”

In der Versammlung entstand ein unwilliges Murren, und irgend jemand zischelte: „Wir wissen noch nicht einmal, wohin sich die Akawois gewandt haben.”

„Richtig. Doch wenn sie den Orinoko hinunterfahren, dann ist es fast sicher, daß sie die Warraulen überfallen wollen. Geschieht es nicht, um so besser! Jedenfalls breche ich sofort zum Orinoko auf, und wer mein Freund ist und ein mutiges Herz besitzt, der möge mit mir kommen.”

„Sollen alle Krieger mit zum Orinoko?” fragte Manauri.

„Auf keinen Fall, höchstens hundert. Die übrigen müssen hierbleiben, denn wir wissen noch nicht, ob alle Akawois abgezogen sind, vielleicht hält sich in der Nähe eine zweite Abteilung verborgen. Auch du, Manauri, mußt zurückbleiben! Also, wer schließt sich mir an?”

Ich überflog die Gesichter der Zunächststehenden. Arnak und Wagura nickten mir zu und wollten sich eben melden, als aus unserer Sippe der Krieger Kokuj — es war der gleiche, der mit mir in der Itamakamündung die von den Spaniern gefangenen War-raulen befreit hatte — auf mich zutrat und mit fester Stimme verkündete: „Ich gehe mit dir! Du bist ein guter Häuptling und gewinnst jeden Kampf. Und mit mir kommen alle Krieger aus der Sippe des Weißen Jaguars, oder wollt ihr zu Hause bleiben?” Er drehte sich um und maß, plötzlich in Zorn geraten, die Anwesenden mit herausforderndem Blick.

„Nein, wir gehen mit”, ertönten die Stimmen unserer Leute.

Auch die fünf Neger mit Miguel an der Spitze meldeten sich sofort, dazu Pedro und Arasybo; dann trat ein kurzes Schweigen ein.

„Ich gehe auch mit, Weißer Jaguar, wenn die Krieger es vorziehen, zu Hause zu sitzen”, sprach Lasana und trat einige Schritte vor. „Auch einige Freundinnen von mir, die den Bogen zu ge-

brauchen verstehen! Wir werden die auf der faulen Haut liegenden Krieger nicht schlecht vertreten.”

Daraufhin entstand eine große Bewegung, empörte Rufe wurden laut, und ein großer Teil der Anwesenden versicherte, daß sie ebenfalls bereit seien.

Im gleichen Augenblick erreichte eine Jabota das Ufer und brachte die Nachricht, daß die Akawois den Orinoko hinuntergefahren seien.

„Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!” rief ich aus. „Jetzt heißt es schnell zu handeln!”

Ungefähr neunzig Männer und einige Frauen nahmen an der Expedition teil. Zehn Büchsen ließ ich Manauri zurück, die übrigen Feuerwaffen nahmen wir mit, außerdem Nahrungsmittel für vier Tage. Wir bestiegen fünf mit Zweigen getarnte Itauben und drei kleinere Boote. Die jungen Häuptlinge Jaki und Konauro hatten sich uns angeschlossen. In jeder Itauba befand sich eine Gruppe mit ihrem Führer, in meinem Boot saßen einige Späher und mehrere Krieger aus unserer Sippe sowie Fujudi, Pedro, Ara-sybo und Lasana mit zwei Frauen. Pedro hatte nicht vergessen, die Karte vom Unterlauf des Orinoko mitzunehmen, und Arasybo trug den Schädel des Jaguars bei sich.

Es war unsere Absicht, die Warraulen zu warnen und möglichst vor den Akawois bei ihnen einzutreffen, was ohne Zweifel die kriegerischen Gelüste der Räuber abgekühlt hätte. Wir schonten daher weder uns noch die Ruder und flogen dahin wie von Dämonen gehetzt. An der Mündung des Itamaka gerieten wir in dichten Nebel, der über dem Orinoko lag. Die Sicht betrug kaum zehn Schritt im Umkreis, doch kannten sich die Ruderer in dieser Gegend gut aus, und wir fuhren mit unverminderter Schnelligkeit weiter. Am oberen Orinoko mußten starke Regenfälle niedergegangen sein, denn das Wasser stieg, und viele entwurzelte Bäume trieben im Fluß.

„Der Nebel erschwert den Akawois das Vorwärtskommen”, bemerkte Fujudi.

„Vielleicht hat er sie gezwungen, die Fahrt zu unterbrechen.” Diesen frommen Wunsch sprach Pedro aus.

„Das bezweifle ich”, gab ich ihm zu verstehen, „die Strömung weist ihnen den Weg.”

„Du hast recht, und die Akawois sind geübte Ruderer.” Allmählich verfärbte sich die schwarze Nebelwand, fahle Streifen schimmerten hindurch. Die Nacht ging zu Ende, der Morgen graute. Gleichzeitig erhob sich eine leichte Brise, die wir zwar nicht fühlten, da wir ständig in Bewegung waren, aber daran erkannten, daß sich der Nebel zu Wolken ballte, hin und wieder aufriß und merklich dünner wurde. Die Helligkeit nahm zu, schon konnten wir am rechten Ufer die bizarren Konturen des Urwalds wahrnehmen. Rosarote und goldene Strahlenschleier huschten über den Himmel und spiegelten sich im Wasser, und als schließlich die Sonne über die Wildnis emporstieg, zerflossen die letzten Nebelschwaden über dem Fluß.