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Die erste Nachdeakerei handelt:

Van der Pflicht

Im ersten Kapitel sind eigentlich schon ziemlich viel Menschen aufmarschiert, nicht? Mal sehen, ob wir sie im Kopf behalten haben: Da ist also Herr Direktor Pogge, seine werte Frau Gemahlin, Pünktchen, das dürre Fräulein Andacht, die dicke Berta, Gottfried Klepperbein und Piefke, der kleine Dackel. Das heißt, Piefke müssen wir weglassen, Dackel sind keine richtigen Menschen, schade.

Und nun will ich folgendes fragen: Wer von den Personen hat euch gefallen und wer nicht? Wenn ich mal meine Meinung äußern darf: Pünktchen gefällt mir ganz gut und die dicke Berta auch. Über Herrn Pogge kann ich mir noch kein Urteil bilden. Aber Pünktchens Mutter, die kann ich auf den Tod nicht leiden. An der Frau stört mich was. Sie kümmert sich nicht um ihren Mann, warum hat sie ihn dann geheiratet? Sie kümmert sich nicht um ihr Kind, warum hat sie es dann zur Welt gebracht? Die Frau vernachlässigt ihre Pflicht, habe ich recht? Niemand wird etwas dabei finden, daß sie gern ins Theater geht oder ins Kino oder meinetwegen auch zum Sechstagerennen. Aber zunächst einmal ist sie Pünktchens Mutter und Herrn Pogges Frau. Und wenn sie das vergißt, kann sie uns gern haben.

Stimmt’s?

Zweites Kapitel

Anton kann sogar kochen

Nach dem Mittagessen kriegte Frau Direktor Pogge Migräne. Migräne sind Kopfschmerzen, auch wenn man gar keine hat. Die dicke Berta mußte im Schlafzimmer die Jalousien herunterlassen, damit es ganz dunkel wurde, wie richtige Nacht. Frau Pogge legte sich ins Bett und sagte zu Fräulein Andacht: "Gehen Sie mit dem Kind spazieren, und nehmen Sie den Hund mit! Ich brauche Ruhe. Und daß nichts passiert?"

Fräulein Andacht ging ins Kinderzimmer, um Pünktchen und den Hund zu holen. Sie platzte mitten in eine Theatervorstellung hinein. Piefke lag in dem Kinderbett und schaute nur mit der Schnauze heraus. Er spielte gerade den Wolf, der Rotkäppchens Großmutter gefressen hat. Er kannse das Märchen zwar nicht, aber er spielte seine Rolle nicht übel. Pünktchen stand vor dem Bett, hatte ihre rote Baskenmütze aufgesetzt und trug Bertas Marktkorb am Arm.

"Aber Großmutter", sagte sie erstaunt, "warum hast du so ein großes, großes Maul?"

Dann verstellte sie ihre Stimme und brummte furchtbar tief: "Damit ich dich besser fressen kann. "Sie stellte ihren Korb ab, trat dicht ans Bett und flüsterte, wie eine Souffleuse, dem klefnen Piefke zu: "So, nun mußt du mich fressen."

Piefke kannte, wie gesagt, das Märchen vom Rotkäppchen noch nicht, wälzte sich auf die Seite und tat nichts dergleichen.

"Friß mich!" befahl Pünktchen. "Willst du mich gleich fressen?" Dann stampfte sie mit dem Fuß auf und rief: "Donnerwetter noch mal! Hörst du denn schwer? Fressen sollst du mich!" Piefke wurde ärgerlich, kroch unter der Bettdecke vor, setzte sich aufs Kopfkissen und bellte, so laut er konnte.

"Keinen Schimmer hat der Kerl", erklärte Pünktchen, "ein hundsmiserabler Schauspieler!"

Fräulein Andacht band Piefke, dem ahnungslosen Wolf, Halsband und Leine um, stopfte das Mädchen in den blauen Mantel mit den Goldknöpfen und sagte: "Hol deinen Leinenhut. Wir gehen spazieren. "Eigentlich wollte Pünktchen die Baskenmütze aufbehalten, aber die Andacht meinte: "Dann darfst du nicht zu Anton." Das wirkte.

Sie gingen fort. Piefke setzte sich aufs Pflaster und ließ sich von Fräulein Andacht ziehen. "Er rodelt schon wieder", sagte das Kinderfräulein und nahm ihn auf den Arm, und dort hing er nun wie eine verunglückte Handtasche und zwinkerte unfreundlich. "Auf welcher Straße wohnt der Anton? Hast du dir's gemerkt?"

"Artilleriestraße, vierte Etage, rechts", sagte Pünktchen.

"Und welche Hausnummer?"

"Einhundertachtzig durch fünf", sagte Pünktchen.

"Warum merkst du dir nicht gleich sechsunddreißig?" fragte Fräulein Andacht.

"Es behält sich leichter", behauptete das Kind. "Übrigens scheint Berta Lunte zu riechen, sie sagt, die Streichhölzer müßte geradezu jemand fressen. Dauernd kaufte sie welche, und dauernd wären sie weg. Hoffentlich kommt die Sache nicht raus. Der Klepperbein hat auch schon wieder gedroht. Zehn Mark will er haben, sonst verrät er uns. Wenn er's dem Direktor erzählt, au Backe!"

Fräulein Andacht antwortete nichts. Erstens war sie von Natur mundfau, und zweitens paßte ihr diese Unterhaltung nicht. Sie gingen die Spree entlang, über eine kleine eiserne Brücke, den Schiffbauerdamm hinauf, die Friedrichstraße links herum, bogen rechts um die Ecke, und da waren sie in der Artilleriestraße.

"Ein sehr altes, häßliches Haus", bemerkte das Kinderfräulein. "Sieh dich vor, vielleicht sind Falltüren drin."

Pünktchen lachte, nahm Piefke auf den Arm und fragte: "Wo treffen wir uns nachher?"

"Du holst mich Punkt sechs Uhr bei Sommerlatte ab."

"Tanzen Sie da wieder mit Ihrem Bräutigam? Grußen Sie ihn. Und vergnügtes Tanzbein! "Dann trennten sie sich. Fräulein Andacht ging tanzen, und Pünktchen trat in das fremde Haus. Piefke jaulte, anscheinend gefiel ihm das Haus nicht.

Anton wohnte im vierten Stock. "Das ist fein, daß du mich mal besuchst", sagte er. Sie begrüßten einander und standen eine ganze Weile in der Tür. Der Junge hatte eine große blaue Schürze um.

"Das ist Piefke", erklärte Pünktchen.

"Sehr erfreut", sagte Anton und streichelte den kleinen Dackel. Und wieder standen sie nebeneinander und hielten den Mund.

"Nun aber mal rin in die gute Stube", meinte Pünktchen schließlich. Da lachten sie, und Anton ging voran. Er führte sie in die Küche, "Ich koche gerade", sagte er.

"Du kochst?" fragte sie und brachte den Mund gar nicht wieder zu.

"Na ja", sagte er. "Was soll man machen? Meine Mutter ist doch schon so lange krank, und da koche ich eben, wenn ich aus der Schule komme. Wir können doch nicht verhungern?"

"Bitte, laß dich nicht stören", erklärte Pünktchen, setzte Piefke zur Erde, zog den Mantel aus und legte den Hut ab.

"Koche nur ruhig weiter. Ich schau dir zu. Was gibt's denn heute?"

"Salzkartoffeln", sagte er, nahm einen Topflappen und trat zum Herd. Auf diesem stand ein Topf, Anton hob den Deckel hoch, spießte mit einer Gabel in die Kartoffeln, nickte befriedigt und meinte: "Es geht ihr aber schon viel besser."

"Wem?" fragte Pünktchen.

"Meiner Mutter. Morgen, hat sie gesagt, will sie ein paar Stunden aufstehen. Und nächste Woche wird sie vielleicht wieder arbeiten. Sie ist Aufwartefrau, weißt du.

"Aha", meinte Pünktchen. "Meine Mutter macht gar nichts. Augenblicklich hat sie Migräne."

Anton nahm zwei Eier, zerschlug sie an einem Topf, kippte die Schalen um, warf sie in den Kohlenkasten, goß etwas Wasser in den Topf, nahm eine Tüte, schüttete etwas Weißes hinter den Eiern und dem Wasser her, und dann quirlte er mit einem kleinen Quirl darin herum. "Du mein Schreck!" rief er. "Es werden Klümpchen."

Piefke spazierte zum Kohlenkasten und besuchte die Eierschalen.

"Warum hast du Zucker hineingeschüttet?" fragte das Mädchen.

"Das war doch Mehl", antwortete Anton. "Ich mache Rührei, und wenn man Mehl und Wasser daranschüttet, werden die Portionen größer als sonst."

Pünktchen nickte. "Und wieviel Salz schüttet man an die Salzkartoffeln?" erkundigte sie sich. "Ein ganzes Pfund oder bloß ein halbes?"

Anton lachte laut. "Viel, viel weniger!" sagte er. "Das könnte ja gut schmecken. Nur ein paar Messerspitzen voll natürlich."

"Natürlich", sagte Pünktchen und sah ihm zu. Er nahm einen Tieget, tat Margarine hinein und stellte den Tiegel über die zweite Gasflamme, dann schüttete er die gequirlten Eier in den Tiegel, daß es aufzischte. "Vergiß das Salz nicht, Anton!" befahl er sich selber, holte eine Prise Salz und streute sie über die gelbe Suppe, die im Tiegel schwamm. Als sie zu backen anfing, rührte er mit einem Löffel um. Es knisterte zutraulich.