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"Na, es war allerhand", sagte er. "Das nächste Mal nehme ich dich nicht wieder mit."

"Dann läßt du 's eben bleiben", entgegnete sie und lieβ seine Hand los.

Sie waren schon an der Weidendammer Brücke. Pünktchen unterhielt sich mit dem Hund, aber lange ertrug sie Antons Schweigen nicht. "Was fehlt eigentlich deiner Mutter?" fragte sie.

"Sie hatte ein Gewächs im Leib. Dann wurde sie ins Krankenhaus gebracht, und dort wurde ihr das Gewächs herausgeschnitten. Ich habe sie täglich besucht. Mein Gott, sah sie damals schlecht aus, ganz mager und quittegelb. Und nun liegt sie seit vierzehn Tagen zu Haus. Es geht ihr schon viel besser. Die Krankenschwestern waren immer sehr nett zu mir. Ich glaube, sie dachten, meine Mutter müβte sterben."

"Was für ein Gewächs hatte sie denn?" fragte Pünktchen. "Eines mit Blüten und Blättern und einem Blumentopf und so? Hatte sie das denn aus Versehen verschluckt?"

"Sicher nicht", sagte er. "Davon müßte ich doch was wissen. Nein, es war ihr innerlich gewachsen."

"Eine Geranie oder eine Stechpalme?" fragte Pünktchen neugierig.

"Nein, nein, das muß Haut und Fleisch sein, was im Innern wächst. Und wenn man es nicht rausmachen läßt, stirbt man."

Nach einer Weile blieb Pünktchen stehen, verschränkte die Hände vor ihrem Bauch und jammerte: "Anton, lieber Anton, es drückt so hier drin. Paß auf, ich habe auch ein Gewächs. Es ist sicher eine kleine Tanne. Ich habe Tannen so gern."

"Nein", sagte er, "Du hast keinen Baum, du hast einen Vogel.

Die dritte Nachdenkerei handelt:

Von der Phantasie

Es ist euch sicher aufgefallen, daß Pünktchen ein ziemlich abwechslungsreiches Mädchen ist. Sie macht vor der Wand Knickse und verkauft ihr Streichhölzer, sie verkleidet sich und zieht den Dackel in einer Bratpfanne hinter sich her, sie legt ihn ins Bett und bildet sich ein, er wäre der Wolf und müßte sie fressen. Sie bittet Herrn Fleischermeister Bullrich, mit ihr vierstimmig zu singen. Schlieβlich bildet sie sich sogar ein, sie habe ein Gewächs. Sie bildet sich Dinge ein, die es gar nicht gibt oder die in Wirklichkeit ganz anders sind, als sie es sich einbildet.

Ich habe einmal von einem Mann gelesen, der sehr viel Phantasie besaß und deshalb sehr lebhaft träumte. Einmal träumte er zum Beispiel, er spränge aus dem Fenster. Und da wachte er auf und lag doch tatsächlich auf der Straße! Nun wohnte er glücklicherweise im Parterre. Aber stellt euch vor, der arme Mann hätte vier Treppen hoch gewohnt! Da hätte ja seine Phantasie lebensgefährlich werden können. Phantasie ist eine wunderbare Eigenschaft, aber man muß sie im Zaum halten.

Viertes Kapitel

Einige Meinungsverschiedenheiten

Fräulein Andacht saß inzwischen mit ihrem Bräutigam bei Sommerlatte, und manchmal tanzten sie miteinander. Zwischen den Tischen standen herrlich blühende Apfelbäumchen, die waren aus Pappe und Papier und sahen sehr natürlich aus. In den Pappzweigen hingen, außer den Papierblüten, bunte Ballons und lange Luftschlangen. Das Lokal sah lustig aus, und die Kapelle spielte vergnügte Tänze. Fräulein Andacht hatte, weil sie so groß und mager war, eigentlich nicht mehr geglaubt, daß sie einen Bräutigam bekäme, und nun hatte sie seit vierzehn Tagen doch einen. Wenn er bloß nicht so streng gewesen wäre! Fortwährend kommandierte er herum, und wenn sie nicht gleich gehorchte, blickte er sie so unheimlich an, daß ihr vor Schreck die Ohren abstanden.

"Hast du kapiert?" fragte er, beugte sich weit vor und funkelte sie böse an.

"Willst du das wirklich tun, Robert?" fragte sie ängstlich. "Ich habe zweihundert Mark auf der Sparkasse, die kannst du haben."

"Deine paar Groschen, dämliche Ziege!" sagte er.

Woraus man sieht, daß er kein sehr vornehmer Kavalier war. "Bis morgen muß ich den Plan haben."

Fräulein Andacht nickte ergeben. Dann flüsterte sie: "Still, die Kinder kommen."

Pünktchen und Anton traten an den Tisch. "Das ist Robert der Teufel", sagte Pünktchen zu Anton und zeigte auf den Bräutigam.

"Aber Pünktchen!" rief Fräulein Andacht entsetzt.

"Laß sie doch", meinte der Bräutigam und lächelte künstlich. "Sie macht ja nur Spaß, die kleine Prinzessin. Ei, ist das ein niedlicher Pinscher!" sagte er dann und wollte den Dackel streicheln. Aber Piefke sperrte die Schnauze auf, knurrte und wollte beißen. Dann mußten sie sich setzen. Der Bräutigam wollte ihnen heiße Schokolade bestellen, aber Anton sagte: "Nein, mein Herr, machen Sie sich unsertwegen keine unnötigen Ausgaben."

Weil die Kapelle wieder zu spielen begann, tanzte Fräulein Andacht mit ihrem Robert. Die Kinder blieben am Tisch.

"Wollen wir auch tanzen?" fragte Pünktchen.

Anton lehnte das Angebot strikt ab. "Ich bin doch schließlich ein Junge. Űbrigens, dieser Robert gefällt mir gar nicht!"

"Nicht wahr!" meinte Pünktchen. "Er hat einen Blick, der ist wie gespitzte Bleistifte. Piefke hat auch etwas gegen ihn. Aber sonst ist es hier hinreizend!"

"Hinreizend?" erkundigte sich Anton. "Ach so, wieder eine Erfindung von dir."

Pünktchen nickte. "Anton, es gibt noch einen, der mir nicht gefällt. Das ist unser Portiersjunge. Er hat gesagt, wenn ich ihm nicht zehn Mark gebe, verrät er die Sache meinem Vater. Gottfried Klepperbein heißt er."

Anton sagte: "Du, den kenn ich. Der geht in meine Schule, eine Klasse höher. Na warte, den werde ich mal aus dem Anzug stoßen."

"Au fein!" rief das Mädchen. "Er ist aber größer als du."

"Von mir aus", sagte der Junge. "Den zerreiß ich in der Luft."

Währenddem tanzten also Fräulein Andacht und ihr Bräutigam. Und viele andere Leute tanzten auch. Robert schielte wütend zu den Kindern hinüber und flüsterte:

"Schaff mir die Bälger aus den Augen. Morgen nachmittag treffen wir uns wieder hier. Was sollst du mitbringen?"

"Den Plan", sagte Fräulein Andacht. Es klang, als hätte sich ihre Stimme den Fuß verstaucht.

Auf der Straße sagte Fräulein Andacht: "Du schreckliches Kind! Meinen Bräutigam so zu ärgern!"

Pünktchen gab keine Antwort, sondern verdrehte die Augen, um Anton zum Lachen zu bringen.

Fräulein Andacht war beleidigt. Sie lief mit Piefke vorneweg, als kriegte sie es bezahlt. Ehe sie sich's recht versahen, standen sie vor Pogges Haus.

"Also heute abend treffen wir uns wieder", sagte Pünktchen. Und Anton nickte. Während sie so herumstanden, kam Gottfried Klepperbein zufällig aus der Tür und wollte an ihnen vorbeigehen.

"Moment mal", rief Anton. "Ich habe dir was Wichtiges zu erzählen." Gottfried Klepperbein blieb stehen.

"Marsch ins Haus!" sagte Anton zu Pünktchen.

"Zerreißt du ihn jetzt in der Luft?" fragte Pünktchen.

"Das ist nichts für Frauen", sagte er. Fräulein Andacht und Pünktchen gingen ins Haus. Pünktchen blieb gleich hinter der Tür stehen und blinzelte durch die Glasscheibe, die in der Tür war. Aber Anton wußte das nicht.

"Hör mal gut zu", sagte er zu Gottfried Klepperbeir "Wenn du die Kleine noch mal belästigst, kriegst du's mit mir zu tun. Sie steht unter meinem Schutz, verstanden?"

"Du mit deiner feinen Braut", lachte Klepperbein. "Du bist ja total blödsinnig!" In diesem Moment bekam er ein solche Ohrfeige, daß er sich aufs Pflaster setzte. "Na warte!" rief er und sprang hoch. Doch da kriegte er bereits die zweite Ohrfeige, diesmal von der andern Seite, und er setzte sich wieder hin. "Na warte", sagte er, aber vorsichtshalber blieb er gleich sitzen.

Anton trat noch einen Schritt näher. "Heute habe ich dir's im guten gesagt", meinte er. "Wenn ich aber wieder etwas hören sollte, dann werde ich handgreiflich." Damit schritt er an Gottfried Klepperbein vorüber und blickte ihn nicht mehr an.

"Kruzitürken", sagte Pünktchen hinter der Tur, "was der Junge alles kann!"

Fräulein Andacht war schon immer in die Wohnung gegangen. Als sie an der Küche vorbeikam, rief die dicke Berta, die auf einem Stuhl saß und Kartoffeln schälte: Treten Sie mal einen Schritt näher!"