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Austin nickte und kehrte zur Kontrolltafel zurück. Er sagte Joe Bescheid, dass er im Aufenthaltsraum des Schiffs zu finden sei, und verließ danach zusammen mit dem Professor die Beobachtungszentrale.

Da alle dienstfreien Mitglieder der Schiffsbesatzung sich für die Bilder der Belleinteressierten, hatten sie den Aufenthaltsraum für sich. Es war ein komfortabel eingerichteter Freizeitbereich mit Ledersitzgruppen, einem Fernseher mit DVD-Player, einem kleinen Filmraum, einem Pooltisch und einer Tischtennisplatte, einigen Brettspielen und einem Computer.

Austin und Adler machten es sich in zwei Sesseln gemütlich. »Nun«, begann Adler, »was denken Sie?«

»Über die Belle?Man braucht nicht gerade Sherlock Holmes zu sein, um sich zusammenreimen zu können, weshalb sie unterging. Das Deckhaus wurde weggerissen.«

»Wir haben die Satellitenbilder, die einen hohen Wellengang zeigen. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass die Bellevon einer oder zwei Killerwellen getroffen wurde, die mächtiger als alles waren, das wir bisher gesehen haben.«

»Was uns auf Ihre Theorien zurückkommen lässt. Sie hatten vorhin Hemmungen, sich dazu zu äußern. Hat die Entdeckung des Schiffs Ihre Meinung geändert?«

»Ich fürchte, meine Theorien fallen ziemlich aus dem Rahmen des Normalen.«

Austin lehnte sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. »Ich habe gelernt, dass nichts normal ist, wenn es um den Ozean geht.«

»Ich habe mich bisher bedeckt gehalten, weil ich keine Lust hatte, als Spinner dazustehen. Es hat Jahre gedauert, bis die Wissenschaft Monsterwellen als tatsächlich existent angenommen hat. Meine Kollegen würden mich in der Luft zerreißen, wenn sie meine Überlegungen zu diesem Thema kennen würden.«

»Dazu wollen wir es doch nicht kommen lassen«, versicherte Austin ihm. »Ich betrachte dieses Gespräch als vertraulich.«

Der Professor nickte. »Als die empirischen Beweise für das Vorhandensein dieser Wellen zu offensichtlich wurden, um weiterhin geleugnet zu werden, schoss die Europäische Union zwei Satelliten ins All, die Bilder mit höchster Auflösung lieferten. Das Projekt trug den Namen MaxWave. Das Ziel der Untersuchungen war es, die Existenz dieser Wellen nachzuweisen und zu untersuchen, auf welche Weise sie sich auf die Konstruktion und den Bau von Schiffen und Bohrinseln auswirken. Die Satelliten der European Space Agency lieferten sogenannte ›Imagettes‹, die eine Fläche von zehn mal fünf Kilometern abdecken. In einem Zeitraum von drei Wochen zeichneten die Satelliten mehr als zehn Monsterwellen auf, die alle höher waren als vierundzwanzig Meter.«

Adler stand auf, durchquerte den Raum und nahm vor dem Computer Platz. Er gab einige Befehle auf der Tastatur ein, und das Bild der Weltkugel erschien auf dem Bildschirm. Der Atlantische Ozean war mit beschrifteten Wellensymbolen übersät. »Ich benutze die statistischen Daten von Wave Atlas. Jedes Symbol markiert den Ort einer Riesenwelle und vermerkt ihre Höhe und das Datum, an dem sie entstand. Wie Sie sehen können, haben die Wellenaktivitäten während der letzten dreizehn Monate erheblich zugenommen. Und was die Größe dieser Monster betrifft, ist ebenfalls eine Steigerung zu beobachten.«

Austin holte sich einen Sessel und schob ihn neben den Professor. Er überflog die Wellensymbole. Jedes Symbol war mit der Höhe der Welle und dem Datum ihres Auftauchens versehen. Die Wellen waren wahllos über die ganze Welt verteilt, bis auf mehrere Häufungen.

»Fällt Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches auf?«

»Diese vier kreisrunden Muster sind im jeweils gleichen Abstand zueinander im Atlantik verteilt, die Region eingeschlossen, in der wir uns zur Zeit befinden. Zwei im Nordatlantik, zwei im Süden. Wie sieht es im Pazifik aus?«

»Gut, dass Sie mich danach fragen.« Adler drehte den Globus, bis der Pazifische Ozean zu sehen war.

Austin stieß einen Pfiff aus. »Vier ähnliche Häufungen. Seltsam.«

»Mir kam das auch merkwürdig vor.« Der Anflug eines Lächelns spielte um die Lippen des Professors. »Ich habe die Anhäufungen ausgemessen und festgestellt, dass sie in jedem Ozean den gleichen Abstand zueinander haben.«

»Was schließen Sie daraus, Professor?«

»Dass dieser Erscheinung ein Plan zugrunde liegen muss. Diese Wellen sind entweder von Menschen erzeugt oder das Werk Gottes.«

Austin ließ sich die Bedeutung der Feststellung des Professors durch den Kopf gehen. »Es gibt auch noch eine dritte Möglichkeit«, sagte er nach einigen Sekunden. »Der Mensch maßt sich die Rolle Gottes an.«

Adler zog eine buschige Augenbraue hoch. »Das ist natürlich völlig unmöglich.«

Austin lächelte. »Nicht unbedingt. Der Mensch hat schon immer versucht, die Elemente zu kontrollieren.«

»Das Meer unter Kontrolle zu bekommen, steht auf einem ganz anderen Blatt.«

»Darin gebe ich Ihnen Recht, obgleich es in dieser Richtung einige eher primitive, aber durchaus wirkungsvolle Versuche gegeben hat. Deiche und Sturmwälle gibt es immerhin schon seit einigen Hundert Jahren.«

»Ich war als Berater bei der Entwicklung der Gezeitentore in Venedig tätig, daher weiß ich, was Sie meinen. Den Ozean aufzuhalten ist ein relativ einfaches Konzept. Die Schwierigkeiten liegen eher in der technischen Durchführung. Die Erzeugung riesiger Wellen wäre um einiges schwieriger.«

»Aber nicht unmöglich«, sagte Austin.

»Nein, nicht unmöglich.«

»Haben Sie denn schon mal über die Mittel und Wege dazu nachgedacht? Wie wäre es zum Beispiel mit mächtigen Unterwassersprengungen?«

»Absolut unwahrscheinlich.« Adler schüttelte den Kopf. »Man brauchte eine Explosion von nuklearen Ausmaßen, und die würde auffallen. Irgendeine andere Idee?«

»Nicht aus dem Stegreif«, antwortete Austin. »Aber es ist auf jeden Fall etwas, mit dem die NUMA sich befassen sollte.«

»Sie ahnen ja gar nicht, wie froh ich bin, das aus Ihrem Mund zu hören«, sagte Adler sichtlich erleichtert. »Ich dachte schon, ich würde spinnen.«

Austin ging ein Gedanke durch den Kopf. »Joe fragte sich, ob die Arbeit der Trouts vielleicht ein wenig Licht in dieses Dunkel bringen könnte«, sagte er.

»Stimmt, ich erinnere mich. Sie erwähnten, dass ein paar Ihrer NUMA-Kollegen in dieser Gegend an einem anderen Forschungsprojekt arbeiten.«

Austin nickte. »Südlich von hier. Sie befinden sich mit einer Gruppe Wissenschaftler an Bord des NOAA-Schiffs Benjamin Franklinund erforschen die biologischen Auswirkungen der großen Wasserwirbel im Atlantik.«

»Wie ich schon sagte, ich würde von vornherein so gut wie nichts ausschließen. Es lohnt sich bestimmt, sich eingehender damit zu beschäftigen.«

»Wir können uns mit ihnen über ihre Erkenntnisse unterhalten, wenn wir nach Hause zurückkehren.«

»Warum so lange warten?«, fragte Adler.

Adlers Finger huschten über die Tasten, und eine Website erschien auf dem Bildschirm, gefolgt von einem Satellitenbild, das die Atlantikküste zeigte. »Der Meeressatellit, der dieses Bild liefert, kann ein Objekt wahrnehmen, das so groß ist wie eine Sardine.«

»Erstaunlich«, sagte Austin und beugte sich zu dem Bildschirm hinunter.

Adler klickte mit der Computermaus. »Jetzt sehen wir die Wassertemperaturen des Ozeans. Das wellige rötlich braune Band ist der Golfstrom. Die blaue Zone ist kaltes Wasser, und diese runden Flecken in Gelbbraun sind warme Wasserwirbel. Ich zoome mal auf unser Schiff.«

Er betätigte die Computermaus, so dass einer der gelblich braunen Strudel den Bildschirm ausfüllte. Die Umrisse von zwei Schiffen waren in der Nähe des Wirbels zu erkennen.

»Dieser Blip ist die Throckmorton.Der andere muss das NOAA-Schiff sein. Donnerwetter! Diese Technik haut mich immer wieder um.«

Austin blickte über Adlers Schulter. »Was ist dieser kleinere Kreis im südöstlichen Quadranten?«

Adler vergrößerte das Bild. »Das ist ein separater Strudel. Er verhält sich ziemlich sonderbar. Die Zahlen in den kleinen Kästchen geben die Wassergeschwindigkeit und den Wasserstand an. Der Wasserstand innerhalb des Strudels scheint zu sinken, während die Geschwindigkeit zunimmt.« Adlers Blicke schienen sich an dem Schirm festzusaugen. Der Wirbel, mittlerweile fast makellos kreisrund, wuchs weiter. »Mein Gott«, murmelte der Professor.