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Der Hell’s-Angels-Look war irreführend. Obgleich Barrett ein Vermögen an klassischen Harley-Davidson-Motorrädern besaß, war er ein Elitestudent des Massachusetts Institute of Technology, wo er ein Diplom in Quantenphysik erworben hatte.

Der Pilot, Mickey Doyle, war gedrungen und sah aus wie eine wandelnde Bar für Sportfans. Er trug ein Celtics-T-Shirt und ein New-England-Patriots-Sweatshirt mit Reißverschluss. Eine Red-Sox-Baseballmütze saß auf einem Wust widerspenstiger Haare, die die Farbe von Karottensaft hatten. Außerdem kaute er auf einem dicken Zigarrenstummel. Aufgewachsen war Doyle im verrufenen, vorwiegend von der Arbeiterklasse bewohnten South Boston. Er verfügte über eine wache, mit straßenköterhafter Raffinesse gepaarte Intelligenz und einen altmodischen irischen Humor. Hinzu kam ein stets entwaffnendes Lächeln, das den arglosen Gesprächspartner täuschte, jedoch die Härte in seinen blauen Augen nicht mildern konnte.

Ein Mann mit einer Maschinenpistole unter dem Arm tauchte aus einem Dickicht niedriger Blaubeerbüsche auf. Er trug einen Tarnanzug, und auf seinem Kopf saß schräg eine schwarze Baskenmütze, die ihm ein verwegenes Aussehen verlieh. Er betrachtete die Männer ausgesprochen feindselig, deutete mit dem Lauf der MP auf die Felswand und folgte ihnen dann mit einigen Schritten Abstand. Dabei hielt er seine Waffe wachsam im Anschlag.

Am Fuß des Felsens betätigte der Wächter eine Fernbedienung, und eine als Felsen getarnte Tür öffnete sich. Dahinter wartete eine Liftkabine, die sie schnell nach oben zum Leuchtturm brachte.

Als sie aus dem Leuchtturm traten, erblickten sie Tristan Margrave, der Holz gehackt hatte und es soeben zu einem Stapel aufschichtete. Er legte seine Axt beiseite, winkte dem bewaffneten Wächter und kam herüber, um die Neuankömmlinge mit Handschlag zu begrüßen.

»Damit dürften Ruhe und Frieden für mich wohl beendet sein«, stellte er fest, während die Andeutung eines Grinsens über sein schmales Satansgesicht glitt.

Er überragte seine beiden Besucher um etwa dreißig Zentimeter. Obgleich seine Hände vom Holzhacken Schwielen aufwiesen, war er weder ein Arbeiter noch ein Reporter der New York Timesnamens Barnes, als der er sich Detective Frank Malloy vorgestellt hatte. Er hatte Barrett am MIT kennen gelernt, wo er ein Diplom in Computertechnik erworben hatte. Während ihrer späteren Zusammenarbeit hatten sie innovative Computerprogramme entwickelt, die sie zu mehrfachen Millionären gemacht hatten.

Barrett verfolgte, wie der Wächter sich entfernte und zwischen den Bäumen verschwand. »Als ich das letzte Mal hier war, hattest du noch keinen Wachhund.«

»Er gehört zu der Sicherheitsfirma, die ich engagiert habe«, erwiderte Margrave wegwerfend. »Ein Trupp von ihnen kampiert ein Stück die Küste hinunter auf der Insel. Gant und ich fanden, dass es vielleicht ganz gut wäre, sie anzuheuern.«

»Und was Gant sich wünscht, das kriegt er.«

»Ich weiß, dass du den Burschen nicht magst, aber Jordan ist lebenswichtig für unsere Bemühungen. Wir brauchen seine Stiftung, um die politischen Zugeständnisse zu erreichen, über die wir nach Abschluss unserer Arbeit verhandeln werden.«

»Ist Lucifer’s Legion für dich nicht mehr gut genug?«

Margrave kicherte. »Meine sogenannte Legion begann sich aufzulösen, sobald von Disziplin die Rede war. Du weißt, dass Anarchisten Autorität per se hassen. Ich brauchte Profis. Heutzutage nennen sie sich ›Berater‹ und verlangen ein Vermögen für ihre Dienste. Er hat lediglich seinen Job gemacht.«

»Und was istsein Job?«

»Dafür zu sorgen, dass keine unbefugten Besucher sich auf die Insel verirren.«

»Hast du denn Besucher erwartet?«

»Unser Unternehmen ist zu wichtig, als dass wir uns einen Fehlschlag leisten können.« Margrave grinste. »Verdammt, was wäre, wenn jemand einen Typen mit einer Spinnentätowierung auf dem Schädel zu Gesicht bekäme und anfinge, neugierige Fragen zu stellen?«

Barrett zuckte die Achseln und warf einen Blick auf den Holzstapel. »Es freut mich, dass du konsequent nach deiner Retro-Philosophie lebst, aber das Zerkleinern des Holzes wäre mit einer Kettensäge erheblich einfacher gewesen. Du weißt, dass ich mir so ein Ding leisten kann.«

»Ich bin weder ein Neo-Anarchist noch ein Neo-Luddit. Ich glaube an die Technologie, wenn sie zum Nutzen der Menschheit eingesetzt wird. Außerdem ist die Kettensäge defekt.« Er wandte sich an den Piloten. »Wie war der Flug von Portland hierher, Mickey?«

»Gemütlich. Ich habe Kurs über Camden genommen in der Hoffnung, die schnuckeligen Segelboote würden deinen Partner aufheitern.«

»Warum muss er aufgeheitert werden?«, fragte Margrave. »Er ist im Begriff, in den Olymp der Wissenschaft aufgenommen zu werden. Was ist los, Spider?«

»Wir haben ein Problem.«

»Das hast du schon am Telefon angedeutet. Ich dachte, du hättest nur einen Witz gemacht.«

Barrett lächelte düster. »Diesmal nicht.«

»Ich glaube, in diesem Fall brauchen wir alle etwas zu trinken.« Margrave ging über einen gepflasterten Weg voraus und führte sie zu einem großen, zweistöckigen weißen Holzhaus, das neben dem Leuchtturm stand.

Als Margrave die Insel drei Jahre zuvor gekauft hatte, hatte er entschieden, das Wärterhaus in seinem alten Zustand zu belassen, in dem es die schweigsamen Männer beherbergt hatte, die den einsamen Leuchtturm bedienten. Die Kiefernholzwände waren getäfelt, und der abgewetzte Linoleumfußboden sowie die Spüle aus Schiefer und die Handwasserpumpe in der Küche gehörten zur ursprünglichen Einrichtung.

Margrave legte Doyle eine Hand auf die Schulter. »Hey, Mickey, Spider und ich haben einiges zu bereden. In der Speisekammer steht eine Flasche Bombay Sapphire. Sei so nett und mix uns ein paar Drinks. Im Kühlschrank steht Bier für dich.«

»Aye-aye, Captain«, sagte der Pilot lächelnd und salutierte.

Die beiden anderen Männer stiegen über eine eiserne Wendeltreppe in den zweiten Stock hinauf. Diese Etage, in der sich früher die Zimmer für den Leuchtturmwärter und seine Familie befunden hatten, war völlig entkernt und zu einem einzigen großen Raum umgebaut worden.

Die klinisch minimalistische Einrichtung bildete einen krassen Gegensatz zu dem altertümlichen Interieur im Parterre. Ein Laptopcomputer stand auf einem Tisch aus schwarzem Teakholz auf einer Seite des Raums. Ein Ledersofa mit verchromtem Stahlgestell und zwei Sessel auf der anderen Seite waren die einzigen Möbel. Fenster in drei Wänden boten einen atemberaubenden Blick auf die Insel mit ihren dichten Kiefernwäldern und auf das funkelnde Wasser der Bucht. Die Fenster standen offen, so dass der salzige Meergeruch hereindringen konnte.

Margrave gab Barrett durch ein Zeichen zu verstehen, er solle auf dem Sofa Platz nehmen, und ließ sich selbst in einen Sessel sinken. Wenige Minuten später erschien Doyle und servierte die Drinks. Er öffnete für sich eine Dose Budweiser und setzte sich an den Tisch.

Margrave hob das Glas zu einem Toast. »Auf dich, Spider. New York City mit seinem Lichterglanz wird nicht mehr so sein wie früher. Zu schade, dass niemand erfahren wird, was für ein Genie du bist.«

»Genie hat nichts damit zu tun. Der Elektromagnetismus bestimmt fast jeden Bereich unseres Lebens. Man braucht nur ein wenig mit den Magnetfeldern herumzuspielen, und schon löst man das größte Chaos aus.«

»Das dürfte die Untertreibung des Jahrhunderts sein«, erwiderte Margrave und brach in brüllendes Gelächter aus.

»Du hättest das Gesicht des Cops sehen sollen, als sein Name auf jeder Schrifttafel am Times Square und auf dem Broadway erschien.«

»Ich wünschte, ich hätte dabei sein können, aber es war ganz einfach von meinem Haus aus zu bewerkstelligen. Der Locator in deinem Recorder hat das Ganze ermöglicht. Die entscheidende Frage ist nur, ob unsere Demonstration uns unserem Ziel auch nur einen Deut nähergebracht hat.«