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Ein schiefes Lächeln huschte über Zavalas Gesicht. »Welcher halbwegs normale Mensch könnte der Versuchung widerstehen, sich ins Innere eines Schiffs zu begeben, das durch ein Niesen jeden Moment absaufen kann?«

»Ich dachte, du machtest dir Sorgen wegen einer Möwe?«

»Wie wäre es mit einer niesenden Möwe?«

»Betrachte es doch einfach folgendermaßen: Wo wärest du lieber, hinter deinem Schreibtisch bei der NUMA oder an einem Ort wie diesem mit herrlichem Blick aufs Meer?«

»Am liebsten säße ich hinterm Lenkrad meiner Corvette mit einem herrlichen Blick auf eine scharfe Blondine neben mir.«

»Ich werte das als Zustimmung«, sagte Austin. »Ich glaube, ich weiß, wie wir reinkommen.«

Trotz ihres launigen Geplänkels waren sich beide Männer des Risikos, das sie eingingen, wenn sie sich unter Deck begeben würden, durchaus bewusst. Aber Zavala vertraute Austins Urteilsvermögen und Instinkten blind und wäre ihm ohne zu zögern auch in die Hölle gefolgt. Austin ging zu einer etwa einen Quadratmeter großen Deckluke, die seine scharfen Augen entdeckt hatten.

Er entriegelte die Klappe, suchte für seine Füße einen sicheren Halt und wuchtete sie auf. Der Deckel hob sich, polterte auf das Deck, und ein fauliger Geruch wallte aus der Öffnung hoch und ließ sie zurückweichen. Austin löste die Halogenlampe von seinem Gürtel und leuchtete damit in die Öffnung. Der starke Lichtstrahl wurde von den Stufen einer Eisenleiter reflektiert.

Sie schlüpften aus ihren Schwimmwesten. Die Westen hätten sie nur behindert und wären sowieso nutzlos, falls das Schiff sich drehte, während sie sich unter Deck befanden. Austin stieg als Erster die Leiter hinunter, die aufgrund der Schlagseite des Schiffs eine extreme Neigung hatte. Nach etwa sieben Metern spürte er festen Boden unter den Füßen. Der Boden fiel steil ab, und er hielt sich an der Leiter fest, um einen halbwegs sicheren Stand zu haben.

Zavala war ihm dichtauf gefolgt und schaute sich um. »Das sieht hier aus wie in einem Verrückten Haus auf irgendeiner Kirmes.«

»Dann los, genießen wir den Spaß«, sagte Austin.

Indem er sich an der tieferen Seitenwand abstützte, arbeitete er sich durch einen engen Laufgang. Nach etwa zwanzig Metern gelangten sie zu einer Treppe, die abwärts führte.

Die Aussicht, noch tiefer in das verunglückte Schiff einzudringen, war nicht gerade verlockend, vor allem als sie spürten, wie die Schlagseite noch um ein paar Grad zunahm. Beide Männer wussten, wenn das Schiff umschlug, wäre das ihr Todesurteil. Sie würden keine Zeit mehr haben, heil herauszukommen. Aber Austin war entschlossen, die Geheimnisse zu lüften, die das Schiff barg.

»Ist das immer noch unser Glückstag?«, fragte er, wobei seine Stimme von den Stahlwänden des Laufgangs widerhallte.

Zavala lächelte. »Wir haben uns mit einem riesigen Strudel angelegt und gewonnen. Ich wette, das Glück bleibt uns auch weiterhin treu.«

Die Treppe brachte sie zu einem Deck hinunter, das mit dem ersten identisch war. Der Laufgang endete nicht mit einer Treppe, sondern vor einer unverriegelten Tür, die sie öffneten. Während sie durch die Öffnung traten, verrieten ihre Nasen ihnen, dass ihre Umgebung sich verändert hatte. Anstatt des Salzgeruchs, der die Laufgänge ausgefüllt hatte, roch die Luft nun elektrisch, so als hätten sie eine Radio-Shack-Filiale betreten.

Austin ließ den Lichtstrahl herumwandern. Sie standen auf einer Art Balkon, unter dem sich ein riesiger Laderaum erstreckte. Er enthielt vier wuchtige zylindrische Objekte, die in einer Reihe aufgestellt waren.

»Das erinnert mich an den Generatorsaal im Innern des Hoover-Staudamms«, sagte Austin.

»Hier wurde Strom erzeugt, der für eine Kleinstadt ausgereicht hätte.«

»Oder für eine riesige Zündkerze«, sagte Austin und dachte an die zerstörte Spule, die sie an Deck gefunden hatten. Er leuchtete nach oben. Dutzende von dicken Stromkabeln schlängelten sich von der Decke zu den Generatoren.

Ein Ächzen durchlief das Schiff.

Der Boden unter ihren Füßen sackte ruckartig ab und wurde steiler.

»Ich glaube, die Möwe, wegen der du dir Sorgen gemacht hast, ist soeben gelandet«, stellte Austin fest.

Zavala blickte kurz zur Decke. »Hoffen wir, dass sie nicht auch noch erkältet ist.«

Austin kannte keine Angst, aber er war nicht töricht. Sie zogen sich zurück, gingen durch die Tür, die Treppen hinauf und durch die Laufgänge, bis sie wieder draußen auf dem Oberdeck standen. Die frische Luft tat gut nach der klaustrophobischen Dunkelheit im Innern des Schiffs. Das Schiff hatte deutlich mehr Schlagseite als vorher. Austin war noch immer nicht zufrieden. Es gab keine Basis für einen Aufbau, jedoch hatte so etwas wie ein Kontrollraum sicherlich existiert. Während Zavala mit der ThrockmortonVerbindung aufnahm, um einen kurzen Bericht über ihre aktuelle Lage durchzugeben, tastete Austin sich über das schräge Deck zum Schiffsheck.

Er stieß dabei auf mehrere Bodenluken, die einen Zugang ins Schiffsinnere gestatteten. Er rechnete sich aus, dass jede Luke eine Niete sein könnte und dass er schon sehr viel Glück haben müsste, um die richtige zu erwischen. Dann fand er, was er suchte. Unweit einer Luke in der Mitte des Achterdecks waren ein paar runde Isolatoren zu sehen. Er vermutete, dass sie als Sockel für Funkantennen gedient haben konnten, die im Strudel abgerissen worden waren. Er öffnete die Luke und gab Zavala ein Zeichen, ihm die Leiter hinunter zu folgen.

Wie zuvor führte die Leiter zu einem Deck und einem Laufgang. Jedoch war dieser Korridor nicht länger als gut drei Meter und endete vor einer Tür. Diese öffneten sie und traten ein.

»Ich glaube, wir haben soeben die Besatzung gefunden«, sagte Zavala.

Sechs verweste Leichen befanden sich im Kontrollraum. Sie lagen am Ende des Raums. Austin hatte Hemmungen, die Totenruhe der Mannschaft zu stören, aber ihm war bewusst, dass er so viel wie möglich über das Schiff in Erfahrung bringen musste. Mit Zavala dicht hinter ihm, drang Austin in den Raum ein und betrachtete eine lange Kontrolltafel. Mit Dutzenden von Anzeigeinstrumenten und Schaltern war sie weitaus komplizierter als jede Kontrolltafel, die er je gesehen hatte. Er kam zu dem Schluss, dass die Dynamos unter Deck von diesem Raum aus gesteuert worden waren. Er untersuchte die Kontrollvorrichtungen, als das Schiff plötzlich knarrte und dann aufzustöhnen schien.

Zavala spitzte die Ohren. »Kurt!«

Austin wusste, wenn sie nur eine Sekunde länger bei der Besatzung blieben, würden sie am Ende zum Kreis der aufgeblähten Leichen gehören.

»Ich glaube, wir sind hier fertig.« Er deutete zur Tür.

Mit Zavala an der Spitze rannten sie durch den Korridor und sprangen regelrecht die Leiter hinauf an Deck und in die Sonne.

Austin hatte versucht, die Sekunden zu zählen, die seit dem Geräusch verstrichen waren, doch in ihrer Eile hatte er nicht mehr darauf geachtet. Ihnen blieb keine Zeit mehr, ins Boot zu steigen, den Motor zu starten und abzulegen. Ohne sich damit aufzuhalten, ihre Schwimmwesten zu holen, rannten sie zur tieferen Seite des Schiffs und hechteten ins Wasser.

Als sie wieder hochkamen, schwammen sie so schnell sie konnten. Das Schiff würde beim Versinken einen Sog erzeugen, und sie wollten sich nicht davon mitziehen lassen. Sie befanden sich in sicherer Distanz vom Schiff, als sie endlich aufhörten zu schwimmen und sich umdrehten.

Die untere Reling befand sich bereits unter Wasser. Das Schiff selbst verharrte in einer gefährlichen Lage, so dass das Deck mit der Wasseroberfläche beinahe einen rechten Winkel bildete. Zavalas niesende Möwe musste gelandet sein, denn das Schiff erreichte plötzlich den Umkipppunkt und rollte herum. Es trieb noch mehrere Minuten lang an der Wasseroberfläche und sah dabei aus wie der glänzende Rücken einer riesigen Schildkröte. Während Wasser in die Laderäume strömte, sank das Schiff tiefer, bis nur noch eine kleine, kreisrunde Fläche des Rumpfs zu sehen war. Dann verschwand auch diese und wurde durch ein Brodeln schaumiger, platzender Luftbläschen ersetzt.