Выбрать главу

Arbatov war nicht überzeugt. »Sie legen Ihrer Hypothese vom Aussterben die theoretische Verschiebung der Erdpole zugrunde? Sie werden zugeben müssen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass es zu einer derart großräumigen Störung kommen kann.«

»Im Gegenteil. Es ist geschehen, und es könnte jederzeit wieder geschehen.«

Arbatov ergriff mit einer übertriebenen Geste Karlas Glas. »Unser Gast hat wohl ein wenig zu sehr dem Wodka zugesprochen.«

»Sie können gerne meinen Aufsatz lesen, Dr. Arbatov, in dem ich meine Hypothese ausführlich begründe. Ich glaube, er wird Ihnen gefallen. Vor allem die Gleichungen, die zeigen, auf welche Art und Weise eine Störung des Magnetfelds der Erde einen Polsprung herbeiführen kann.«

Am Tisch brach eine Diskussion aus zwischen denen, die ihrer Hypothese zustimmten, und denen, die ihr widersprachen. Trotz ihrer zivilisierten Umgangsformen war offensichtlich, dass es in der Gruppe Spannungen gab. Das überraschte sie nicht. Wissenschaftler unterschieden sich nicht von sogenannten normalen Menschen, außer dass sie vielleicht um einiges eitler und kleinlicher waren. Marias ausgeprägt freundliche Persönlichkeit beendete den verbalen Schlagabtausch.

»Ich entschuldige mich für dieses ungehörige Verhalten gegenüber einem Gast«, sagte sie und schien ihren Mann mit Blicken erdolchen zu wollen. »Wie sehen Ihre Pläne für morgen aus?«

Nachdem Arbatov einen Dämpfer erhalten hatte, endete die Diskussion so schnell, wie sie ausgebrochen war.

»Vielleicht kann mir jemand von Ihnen zeigen, wo Sie Babar gefunden haben.«

Das sei kein Problem, wurde ihr gesagt. Alle halfen Maria beim Aufräumen. Wenig später schlüpfte Karla in ihren Schlafsack. In dem alten Gebäude war es bemerkenswert gemütlich und warm, und bis auf das Geraschel, das von allerlei kleinem Getier verursacht wurde, fühlte sie sich recht wohl. In ihrer Erregung über den Fund des Mammutbabys hatte sie Schwierigkeiten einzuschlafen.

Sie erinnerte sich an ein Gute-Nacht-Gedicht, das ihr Großvater immer aufgesagt hatte, nachdem sie nach dem Tod ihrer Eltern zu ihm gezogen war.

Sie kam kaum fünf Zeilen weit, als der Schlaf sie am Ende doch übermannte.

19

Die Trouts landeten am Spätnachmittag in Albuquerque und fuhren anschließend nach Santa Fé, wo sie übernachteten. Früh am nächsten Morgen stiegen sie in ihren Mietwagen und machten sich auf den Weg nach Los Alamos, das auf einer natürlichen Zitadelle oberhalb der drei Mesas lag, die sich an das Panaretos Plateau anschlossen.

Während der fünfundsechzig Kilometer langen Fahrt bemerkte Trout bei seiner Frau eine deutliche Veränderung. Hatte sie sich anfangs noch begeistert über die Landschaft gezeigt, durch die sie fuhren, und den Wunsch geäußert, sich unterwegs ein indianisches Pueblo anzusehen, war sie nun ungewöhnlich schweigsam.

»Einen Penny für deine Gedanken«, sagte er. »Natürlich unter Berücksichtigung der Inflationsrate.«

»Wenn ich diese friedliche Landschaft sehe, muss ich an die Arbeit denken, die hier im Rahmen des Manhattan Projects geleistet wurde, und an die schrecklichen Kräfte, die dadurch entfesselt wurden.«

»Jemand hatte es tun müssen. Sei bloß froh, dass wir die Ersten waren.«

»Das weiß ich, aber es bedrückt mich immer noch, wenn ich mir vorstelle, dass wir noch immer nicht gelernt haben, wie wir den Geist unter Kontrolle halten, den wir aus der Flasche befreit haben.«

»Kopf hoch. Atomkraft könnte verglichen mit Strudeln und Riesenwellen am Ende ein alter Hut sein.«

Gamay schickte ihm einen säuerlichen Blick. »Vielen Dank für deinen liebevollen Aufmunterungsversuch.«

Seit den Tagen, als Robert Oppenheimer und sein Team von Genies dahintergekommen waren, wie man die Kraft des Atoms in einen stählernen, mit einem Steuerschwanz versehenen Zylinder einsperrt, hatte Los Alamos sich erheblich verändert. Es war eine betriebsame, im Südwesten der USA gelegene Stadt mit Einkaufszentren, Schulen, Parks, Sinfonieorchester und Theater, hatte es aber nie geschafft, sich von seiner düsteren Vergangenheit zu befreien. Vielleicht hatte die Stadt es auch gar nicht gewollt. Obgleich das Los Alamos National Laboratory sich heutzutage mit zahlreichen friedlichen wissenschaftlichen Projekten befasst, ist der Geist des Manhattan Project dort immer noch greifbar.

Laborgebäude, in denen über den Umgang mit Kernwaffen geforscht wird, sind noch immer für die Öffentlichkeit unzugänglich, was man als Hinweis darauf verstehen kann, dass die Stadt noch immer eine enge Verbindung mit dem Atomkrieg pflegt. Touristen, die dem Museum des Labors einen Besuch abstatten, können Nachbildungen des »Fat Man« und des »Little Boy«, der ersten Atombomben, berühren, die verschiedenen Typen von Atomsprengköpfen betrachten und sich mit den lebensgroßen Statuen von Robert Oppenheimer und General Groves, den Zwillingssternen der streng geheimen Allianz von Militär und Wissenschaft, die die Bomben schuf, die auf Hiroshima und Nagasaki geworfen wurden, fotografieren lassen.

Die Trouts machten in der Forschungsbibliothek des Labors Halt und unterhielten sich mit einer wissenschaftlichen Assistentin, mit der sie sich zuvor telefonisch verabredet hatten. Sie hatte einen Schnellhefter mit Informationen über Lazio Kovacs vorbereitet, doch das meiste war rein biographischer Natur und enthielt nicht mehr, als sie bereits über den Wissenschaftler wussten. Kovacs, so schien es, war lediglich eine Fußnote. Ebenso wie Tesla, über den erheblich mehr bekannt war, habe Kovacs sich zu einer Kultfigur entwickelt, erklärte die Assistentin, und seine Theorien gehörten eher in den Bereich von Science-Fiction, als dass man sie wissenschaftlich ernst nehmen könne.

»Vielleicht erfahren wir bei der Kovacs Society mehr«, sagte Gamay.

Die Assistentin sah die Trouts ausdruckslos an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus.

»Was ist los?«, fragte Gamay.

Die Frau errötete und sagte: »Es tut mir leid. Es ist nur — nun ja, Sie werden sehen.«

Sie lachte noch immer, während sie sie zur Tür geleitete.

Ihr Kontakt bei der Kovacs Society war ein überschwänglich klingender Mann namens Ed Frobisher. Als sie Frobisher anriefen, erklärte er, er sei gerade unterwegs und mache einige Besorgungen, und schlug dann vor, dass sie sich in einem Reste-Laden für Militaria, der den vieldeutigen Namen Black Hole trug, treffen sollten.

Der Laden befand sich am Stadtrand neben einem barackenähnlichen Gebäude mit einem Schild davor, das es als das OMEGA PEACE INSTITUTE, FIRST CHURCH OF TECHNOLOGY identifizierte. Die Kirche und der Black-Hole-Laden gehörten einem Ortsansässigen namens Ed Grothus, der Unmengen von Laborgeräten aufgekauft hatte, die noch aus der Zeit des Manhattan Project stammten. Er nannte das Ganze »nuklearen Abfall« und bot seine Waren verrückten Gelehrten, Künstlern und Sammlern an.

Der Hof um den Laden herum war ein einziges Durcheinander aus leeren Bombenhülsen, Geschütztürmen, Büromöbeln und elektronischen Apparaten. In dem großen Lagerhaus gab es zahllose Regalgänge, die vollgestopft waren mit ausgemusterten elektronischen Geräten wie Geigerzählern, Oszilloskopen und gedruckten Schaltkreisen. Die Trouts erkundigten sich beim Kassierer, ob er Frobisher kenne. Er geleitete sie zu einem Gang, in dem ein Mann leise Selbstgespräche führte, während er einen Stapel Kontrolltafeln inspizierte.

»Sehen Sie sich dieses Zeug mal an«, sagte Frobisher, nachdem sie sich miteinander bekannt gemacht hatten.

»Diese Tafel hat wahrscheinlich in den fünfziger Jahren den Monatslohn eines durchschnittlichen Steuerzahlers gekostet. Jetzt ist es Schrott, außer für ein paar Technikfreaks wie mich.«