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»Mir wäre es lieber, Sie würden das nicht tun. Präsident Putin ist nämlich der Vorgesetzte, den ich angegriffen habe. Ich habe einen engen Freund von ihm bloßgestellt, der Geld aus einer Ölfirma veruntreut hat, die die Regierung übernommen hat, nachdem sie ihren Eigentümer verhaften ließ. Die üblichen Kreml-Spielereien. Ich wurde sofort aus meiner Geheimdienstposition entfernt. Ich habe zu viele Freunde in hohen Positionen, daher konnte man mich nicht in aller Offenheit bestrafen. Stattdessen haben sie mich in diesen Samtkäfig gesetzt. Warum Sibirien, wenn ich fragen darf?«

»Ich kann jetzt keine Einzelheiten nennen. Ich kann nur so viel sagen, dass es eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit ist.«

Petrow lächelte. »Wann ist bei Ihnen mal etwas nicht dringlich? Wann wollen Sie los?«

Austin hatte Petrow angerufen, nachdem er versucht hatte, Karla Janos an der Universität von Alaska aufzuspüren. Der Abteilungsleiter, mit dem er gesprochen hatte, meinte, Karla befinde sich auf einer Expedition zu den Neusibirischen Inseln. Austin wusste, dass er schnell handeln musste, als der Abteilungsleiter andeutete, dass es in dieser Woche schon das dritte Mal sei, dass jemand sich nach der Ivory-Island-Expedition erkundige.

»Sofort«, sagte er daher zu Petrow. »Noch eher, wenn Sie das ermöglichen können.«

»Sie haben es wirklich eilig. Ich rufe die Botschaft in Washington an und lasse den Papierkram durch einen Kurier zu Ihnen bringen. Meine Hilfe hat allerdings ihren Preis. Sie müssen mir gestatten, Sie zu einem Drink einzuladen, damit wir uns über die alten Zeiten unterhalten können.«

»Abgemacht.«

»Brauchen Sie Hilfe, wenn Sie dort sind?«

Austin überlegte. Von früher wusste er, dass Petrows Vorstellung von Hilfe aus einem harten Spezialteam bestand, das bis zu den Zähnen bewaffnet war und darauf brannte, losschlagen zu können.

»Vielleicht später. Die Situation könnte anfangs eine behutsamere Vorgehensweise erforderlich machen.«

»In diesem Fall halte ich mein Sanitätsteam bereit für den Fall, dass Sie ärztliche Hilfe benötigen. Vielleicht komme ich sogar selbst.«

»Sie haben offensichtlich keinen Scherz gemacht, als Sie meinten, Sie litten unter Langeweile«, stellte Austin fest.

»Es ist wirklich nicht mehr so wie in den alten Zeiten«, sagte Petrow mit Wehmut in der Stimme.

»Wir werden darin schwelgen, wenn wir unsere Drinks nehmen«, versprach Austin. »Tut mir leid, dass ich unsere Unterhaltung abrupt beenden muss, aber ich habe noch einige wichtige Anrufe zu tätigen. Ich melde mich, um Ihnen die letzten Reisedetails durchzugeben.«

Petrow zeigte Verständnis und bat Austin, mit ihm in Kontakt zu bleiben. Er legte auf und gab seiner Sekretärin den Auftrag, den Wagen abzubestellen, der ihn in die Norwegische Botschaft bringen sollte. Dann rief er die Russische Botschaft in Washington an. Niemand wusste dort von seinem bürokratischen Exil, und er konnte problemlos die Papiere vorbereiten lassen, die Austin und Zavala die Einreise nach Russland zwecks einer NUMA-Expedition gestatten würden. Nachdem man ihm versichert hatte, dass die Papiere innerhalb der nächsten Stunde ausgeliefert würden, lehnte er sich in seinem Schreibtischsessel zurück und zündete sich eine der schlanken Havannazigarren an, die er bevorzugte, und dachte dann an seine Begegnungen mit dem draufgängerischen und mutigen Amerikaner von der NUMA.

Petrow war in den Vierzigern und hatte eine hohe Stirn und asiatisch anmutende Wangenknochen. Man hätte ihn als attraktiv bezeichnen können, wäre da nicht die große Narbe gewesen, die seine rechte Wange verunstaltete. Die Narbe war ein Geschenk von Austin, aber er hegte keinen Groll gegen den Amerikaner. Er und Austin waren mehrmals aneinandergeraten, als sie während des Kalten Krieges noch für spezialisierte Marinespionageeinheiten ihrer Länder gearbeitet hatten. Richtig hitzig wurde es, als sich ihre Wege während eines sowjetischen Versuchs kreuzten, ein gesunkenes amerikanisches Spionage-U-Boot mitsamt seiner Mannschaft zu bergen.

Austin hatte die Mannschaft gerettet und Petrow gewarnt, dass er in dem U-Boot eine Zeitbombe installiert habe. Wütend, dass man ihn ausgetrickst hatte, war Petrow mit seinem Mini-U-Boot auf Tauchstation gegangen und von der Explosion erwischt worden. Er hatte Austin den Unfall und die sich daraus ergebende Narbe nicht übel genommen und das Ganze stattdessen als Lektion verstanden, sich bei seinen Aktionen nicht von seinem Temperament leiten zu lassen. Später, als sie in der Razow-Affäre zusammenarbeiteten, erwiesen sie sich als hervorragendes Team. Falls Austin glaubte, er könne ihn in seinem eigenen Land um ein besonderes Vergnügen bringen, dann irrte er sich gewaltig, dachte Petrow. Er griff nach dem Telefonhörer, um einiges in die Wege zu leiten.

Austin telefonierte mit Zavala. »Ich war schon halb aus der Tür«, meinte Zavala. »Ich sehe dich bei der NUMA.«

»Es gibt eine Änderung der Pläne«, sagte Austin. »Wir gehen nach Sibirien.«

»Sibirien!«, wiederholte Zavala mit einem deutlichen Mangel an Begeisterung. »Ich bin Amerikaner mexikanischer Abstammung. Wir haben für Kälte nicht viel übrig.«

»Vergiss nur nicht, deine pelzgefütterten Unterhosen einzupacken, und dir geht es gut. Ich bringe meine Donnerbüchse mit«, sagte er und benutzte Zavalas Spitznamen für seinen großkalibrigen Bowen Revolver. »Vielleicht solltest du auch eine kleine Rückversicherung mitnehmen.«

Er verabredete sich mit Zavala am Flughafen und suchte dann einige Kleidungsstücke zusammen, die arktischen Bedingungen angemessen sein würden.

Tausende von Kilometern entfernt saß Schroeder in seiner engen Kabine und warf einen letzten Blick auf die topographische Karte, ehe er einen Fuß auf die Insel setzte.

Schroeder hatte schon vor langer Zeit erkannt, wie nötig es ist, den Schauplatz genau zu kennen, auf dem zu operieren von einem erwartet wird, sei es ein ländliches Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern oder eine Stadtlandschaft von wenigen Blocks mit allen Seitenstraßen und Gassen.

Er hatte die Landkarte mehrmals studiert und nun das Gefühl, dass er Ivory Island so gut kannte, als sei er schon einmal dort gewesen. Die Insel hatte eine längliche Form und war knapp zwanzig Kilometer breit und etwa vierzig Kilometer lang. Das Meer hatte den Permafrost aufgetaut und weggespült, so dass die Küste aussah wie die Kante einer Tonscherbe. An der Südküste bot eine halbmondförmige Einbuchtung der Uferlinie einen schützenden Hafen. In seiner Nähe mündete ein Fluss ins Meer.

Urzeitliche Wasserläufe, einige längst ausgetrocknet, andere noch Wasser führend, hatten ein labyrinthartiges Netz von gewundenen, natürlichen Korridoren durch die wellige Tundra geschaffen. Ein längst erkalteter Vulkan wölbte sich aus dem Permafrost auf wie ein riesiges schwarzes Furunkel.

Er legte die Landkarte beiseite und blätterte in einem zerlesenen russischen Reiseführer, den er in einem Antiquariat gekauft hatte, während er versuchte, eine Transportmöglichkeit auf die Insel zu arrangieren. Er war froh, feststellen zu können, dass er die russische Sprache immer noch recht gut beherrschte. Ivory Island wurde Ende des sechzehnten Jahrhunderts von russischen Pelztierjägern entdeckt. Sie fanden riesige Haufen von Tierknochen und Mammutstoßzähnen, die schließlich der Insel ihren Namen gaben. Die Knochen lagen überall herum, teilweise verstreut über die Landschaft oder in Hügeln, die durch den Frost zusammengehalten wurden.

Der Pelzhandel fand sein Ende in einer Orgie aus Mord und Blut, und die Elfenbeinjäger traten auf den Plan. Qualitativ hochwertiges Elfenbein fand bei den Schnitzmeistern Chinas und in anderen Teilen der Welt reißenden Absatz. Sich dieser profitablen weißen Goldader durchaus bewusst, verkaufte die russische Regierung Handelsrechte an private Unternehmer. Einer dieser Geschäftsleute engagierte einen Agenten namens Sannikoff, der sämtliche arktischen Inseln erkundete.

Auf Ivory Island befand sich der größte Vorrat, doch aufgrund ihrer Abgelegenheit blieb sie zugunsten besser zugänglicher Rohstoffquellen im Süden weitgehend unberührt. Einige unerschrockene Elfenbeinsammler gründeten eine Siedlung an der Mündung des Flusses, die sie Ivorytown nannten, stand in dem Buch, jedoch hatte die Insel ein weitgehend verlassenes Dasein geführt, da es erheblich gastlichere Orte gab.