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Als einzige ankommende Passagiere erwarteten Austin und Zavala, bei der Zoll- und Passkontrolle schnell abgefertigt zu werden. Aber die attraktive junge Beamtin, die für die Kontrolle der Einreisedokumente zuständig war, schien jedes Wort in Austins Reisepass auswendig lernen zu wollen. Dann bat sie auch noch um Zavalas Papiere. Sie legte die Pässe und die Visa nebeneinander.

»Zusammen?«, fragte sie und blickte von Gesicht zu Gesicht.

Austin nickte. Die Frau runzelte die Stirn, dann winkte sie einen bewaffneten Posten heran, der in der Nähe gestanden hatte. »Folgen Sie mir«, bellte sie wie ein Armeeausbilder. Nachdem sie die Papiere zusammengerafft hatte, marschierte sie ihnen voraus durch eine Tür auf der anderen Seite der Halle, während der Wachtposten dem Trio folgte.

»Ich dachte, du hättest so hochkarätige Freunde«, sagte Zavala.

»Sie wollen uns wahrscheinlich nur feierlich den Stadtschlüssel überreichen«, erwiderte Austin.

»Ich glaube eher, sie wollen uns einen Schuss verpassen«, sagte Zavala. »Lies mal das Schild über der Tür.«

Austin warf einen Blick auf die roten Lettern auf der weißen Tafel. Dort stand auf Englisch und Russisch das Wort QUARANTÄNE. Sie traten durch die Tür in einen kleinen grauen Raum. Das Innere war kahl bis auf drei Stahlrohrstühle und einen Tisch. Der Wächter folgte ihnen in den Raum und bezog Posten an der Tür.

Die Beamtin der Passkontrolle knallte die Papiere auf den Tisch. »Ausziehen«, befahl sie.

Austin hatte während des Fluges ein wenig schlafen können, aber er war immer noch leicht benommen und sich deshalb nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Die Frau wiederholte den Befehl.

Austin grinste. »Donnerwetter. Wir kennen uns doch kaum.«

»Ich habe schon gehört, dass die Russen freundlich sind. Aber dass sie so freundlich sind, wusste ich nicht«, sagte Zavala.

»Ziehen Sie sich aus, oder Sie werden ausgezogen«, sagte die Frau und schaute zu dem bewaffneten Wachtposten, um ihre Aufforderung zu unterstreichen.

»Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte Austin. »Aber in unserer Heimat lassen wir Damen stets den Vortritt.«

Zu seiner Verwunderung lächelte die Frau. »Ich wurde schon gewarnt, dass Sie ein harter Brocken sind, Mr. Austin.«

Austin begann, Lunte zu riechen. Er legte den Kopf leicht zur Seite. »Wer sollte Ihnen so etwas erzählt haben?«

Die Worte waren kaum über seine Lippen gekommen, als sich auch schon die Tür öffnete. Der Wachtposten trat beiseite, und Petrow betrat den Raum. Sein sympathisches Gesicht war zu einem breiten Grinsen verzogen, das allerdings wegen der gekrümmten Narbe auf seiner Wange ein wenig schief ausfiel.

»Willkommen in Sibirien«, sagte er. »Es freut mich, erleben zu dürfen, dass Sie bereits eine Kostprobe unserer Gastfreundschaft haben genießen können.«

»Iwan«, stöhnte Austin. »Ich hätte es mir denken können.«

Petrow hatte eine Flasche Wodka und drei Schnapsgläser mitgebracht, die er jetzt auf den Tisch stellte. Er kam herüber, schlang die Arme um Austin und tat das Gleiche dann bei Zavala. »Wie ich sehe, haben Sie Dimitri und Veronika schon kennen gelernt. Die beiden gehören zu meinen vertrauenswürdigsten Agenten.«

»Joe und ich hätten niemals ein so warmes Willkommen an einem kalten Ort wie Sibirien erwartet«, sagte Austin.

Petrow bedankte sich bei seinen Agenten und entließ sie. Er zog sich einen Stuhl heran und forderte die anderen auf, es ebenfalls zu tun. Er schraubte die Wodkaflasche auf, schenkte die Gläser voll und verteilte sie.

Mit erhobenem Glas sagte er: »Auf die alten Feinde.«

Sie stießen an und leerten die Gläser. Der Wodka schmeckte wie flüssiges Feuer, aber er hatte eine stärkere aufmunternde Wirkung als reines Koffein. Als Petrow sich anschickte, eine zweite Runde einzuschenken, deckte Austin eine Hand auf sein Glas. »Das wird wohl warten müssen. Wir haben eine ernste Angelegenheit zu erledigen.«

»Es gefällt mir, dass Sie wir sagen. Nach Ihrem Anruf kam ich mir regelrecht ausgeschlossen vor.« Er schenkte sich ein weiteres Glas ein. »Bitte erklären Sie mir, weshalb Sie es für notwendig hielten, ins nächste Flugzeug zu steigen und um die halbe Welt bis in dieses vielgeliebte Gartenparadies zu fliegen.«

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Austin mit einem Ausdruck von Müdigkeit, die nicht von den vielen Stunden im Flugzeug herrührte. »Sie beginnt und endet mit einem hervorragenden ungarischen Wissenschaftler namens Kovacs.«

Er schilderte die Abläufe in chronologischer Reihenfolge, wobei er zurückging bis zu Kovacs’ Flucht aus Ostpreußen und seinen Bericht mit der jüngeren Vergangenheit, also ihren Riesenwellen, dem Strudel und seinem Gespräch mit Barrett abschloss.

Petrow hörte schweigend zu und schob, als Austin geendet hatte, sein unberührtes Glas Wodka von sich weg.

»Das ist eine fantastische Geschichte. Glauben Sie wirklich, dass diese Leute die Fähigkeit haben, einen Polsprung herbeizuführen?«

»Sie wissen jetzt alles, was wir wissen. Was denken Sie?«

Petrow ließ sich diese Frage für einen Moment durch den Kopf gehen. »Haben Sie schon mal vom russischen ›Specht‹-Projekt gehört? Es war ein Versuch, das Wetter mithilfe elektromagnetischer Strahlung für militärische Zwecke zu manipulieren. Ihr Land betrieb die gleiche Forschung aus ähnlichen Gründen.«

»Wie erfolgreich waren diese Projekte?«

»Über einen gewissen Zeitraum kam es in beiden Ländern zu einigen ungewöhnlichen Wetterereignissen. Sie reichten von starken Winden über sintflutartigen Regen bis hin zu Dürreperioden. Sogar Erdbeben gab es. Wie man mir berichtete, endete die Forschung mit dem Kalten Krieg.«

»Interessant. Das würde zu dem passen, was wir wissen.«

Der Anflug eines Lächelns spielte um Zavalas Lippen.

»Sind wir ganz sicher, dass die Forschung endete?«

»Was meinst du?«

»Hast du in letzter Zeit mal aus dem Fenster gesehen?«

Petrow sah sich in dem fensterlosen Raum um, ehe er begriff, dass Zavala seine Frage rein metaphorisch gemeint hatte. Er lachte verhalten und sagte: »Ich neige dazu, Aussagen wörtlich zu nehmen. Das ist eine russische Eigenart. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Welt eine Reihe von Wetterextremen erlebt hat.«

Austin nickte.

»An dem, was Joe sagt, ist durchaus etwas dran. Ich habe im Augenblick nicht die Statistiken zur Hand, aber die empirischen Beweise scheinen ziemlich gewichtig zu sein. Tsunamis. Überschwemmungen. Hurrikane. Tornados. Erdbeben. Sie alle scheinen an Häufigkeit deutlich zuzunehmen. Vielleicht sind das jedoch auch nur die Auswirkungen der früheren Experimente.«

»Aber nach dem, was Sie sagen, lösen diese elektromagnetischen Manipulationen Störungen im Ozean aus. Was hat sich verändert?«

»Ich glaube nicht, dass das so schwierig zu verstehen ist. Wer auch immer hinter dieser Sache steckt, hat einen Grund gefunden, auf einen bestimmten Punkt zuzusteuern und dabei ein ganz bestimmtes Ziel im Auge.«

»Aber Sie wissen nicht, was dieses Ziel ist?«

»Sie sind der ehemalige KGB'ler. Ich bin nur ein einfacher Marineingenieur.«

Petrows Hand betastete seine Narbe. »Sie sind alles andere als einfach, mein Freund, aber Sie haben Recht, dass ich mich mit Verschwörungen auskenne. Während unseres bisherigen Gesprächs erinnerte ich mich an etwas, das einer Ihrer Regierungsvertreter, Zbigniew Brzezinski, vor vielen Jahren einmal sagte. Er prophezeite, dass eine Eliteklasse entstehen würde, die moderne Technologie einsetzt, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und die Gesellschaft unter genauer Beobachtung und Kontrolle zu halten. Sie würden soziale Krisen und die Massenmedien einsetzen, um ihre Ziele durch geheime Kriegführung, darunter auch Wetterbeeinflussung, zu erreichen. Diese Leute, von denen Sie gesprochen haben, Margrave und Gant, entsprechen sie diesem Bild?«

»Keine Ahnung. Ich halte es eher für unwahrscheinlich. Margrave ist ein reicher Neo-Anarchist, und Gant leitet eine Stiftung, die gegen die multinationalen Konzerne kämpft.«