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»Anja, ich habe es gerade ziemlich eilig …«

»Wir wollten doch am Wochenende in die Sauna gehen.«

»Ich brauche deine Hilfe.«

»Ich weiß«, kichert Anja.

Joona versucht die Aufregung in seiner Stimme zu beherrschen.

»Kannst du das Repertoire des Tokyo String Quartetts in den letzten zehn Jahren ermitteln?«

»Ich habe ihr Repertoire schon ermittelt.«

»Kannst du herausfinden, was sie in diesem Zeitraum in der Alten Oper in Frankfurt gespielt haben?«

»Ja, sie sind dort jedes Jahr aufgetreten, manchmal sogar mehrmals.«

»Haben sie irgendwann Béla Bartóks zweites Streichquartett gespielt?«

Nach etwas Bedenkzeit antwortet sie:

»Ja, ein einziges Mal, Opus siebzehn.«

»Opus siebzehn«, wiederholt Joona und sieht Axel Riessen an, der bestätigend nickt.

»Was ist?«, fragt Anja.

»Wann?«, erkundigt sich Joona. »Wann haben sie Bartóks zweites Streichquartett gespielt?«

»Am dreizehnten November 2009.«

»Bist du sicher?«, fragt Joona.

Die Personen auf dem Foto haben sich acht Monate nach der Ausstellung des Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten getroffen, denkt er. Pontus Salman hat uns angelogen. Sie haben sich im November 2009 getroffen. Deshalb ist das alles geschehen. Menschen sind tot, und weitere werden unter Umständen sterben.

Joona streckt die Hand aus und berührt die violetten Fliederblüten, riecht den Rauch von einem Grill in einem benachbarten Garten und denkt, dass er Saga Bauer erreichen und ihr von diesem Durchbruch erzählen muss.

»War das alles?«, fragt Anja am Telefon.

»Ja.«

»Darf man auch das kleine Zauberwort hören?«

»Ja, entschuldige … Kiitokseksi saat pusun«, sagt Joona, »als Dank bekommst du einen Kuss.« Er beendet das Gespräch.

Pontus Salman hat uns angelogen, denkt er erneut. Als er sich mit Palmcrona, Raphael Guidi und Agathe al-Haji traf, gab es ein Waffenembargo. Alle Geschäfte dieser Art waren verboten, es gab keine Ausnahmen oder Schlupflöcher. Aber Agathe al-Haji wollte Munition kaufen, und die anderen wollten Geld verdienen. Die Menschenrechte oder internationales Recht waren ihnen völlig egal.

Pontus Salman hat mit eiskalter Stimme den falschen Zeitpunkt angegeben. Er dachte, ein paar überraschende Wahrheiten in seinen Ausführungen würden seine Lüge verbergen. Weil er ohne Umschweife gestand, dass er auf dem Bild zu sehen war, glaubte er, dass wir uns zufrieden geben und seine Lüge über den Zeitpunkt des Treffens schlucken würden.

Joona sieht Salman vor sich, sein regungsloses Gesicht, graublass und mit tiefen Falten. Seine gespielte Aufrichtigkeit, als er sich selbst identifiziert und den Zeitpunkt nennt.

Waffenschmuggel, flüstert es in seinem Kopf. Bei all dem, dem Foto, der Erpressung und den getöteten Menschen, geht es um Waffenschmuggel.

Er sieht vor sich, wie Saga Bauer nach Salmans Zeugenaussage aufsteht und ihre fünf Fingerabdrücke wie blasse Denkmäler auf dem Schreibtisch zurückbleiben.

Im März 2009 stellte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wegen direkter Beteiligung am Völkermord von drei Volksstämmen in Darfur einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Umar al-Bashir aus. Seither sind alle Munitionslieferungen aus der restlichen Welt eingestellt worden. Die sudanesische Armee hat zwar noch ihre Waffen, Maschinengewehre und Sturmgewehre, aber relativ schnell geht ihr die Munition aus. Die Ersten, die den fehlenden Nachschub zu spüren bekommen, sind natürlich die Milizen in Darfur. Aber Carl Palmcrona, Pontus Salman, Raphael Guidi und Agathe al-Haji stellen sich über internationales Recht. Sie treffen sich im November, obwohl die Beteiligung des Präsidenten am Völkermord acht Monate vorher publik geworden ist.

»Was haben Sie erfahren?«, fragt Axel und steht auf.

»Bitte?«

»Ließ sich der Zeitpunkt bestimmen?«

»Ja«, antwortet Joona kurz.

Axel Riessen sucht Joonas Blick.

»Was stimmt nicht?«, fragt er.

»Ich muss gehen«, murmelt Joona.

»Haben die vier sich etwa nach dem Haftbefehl gegen al-Bashir getroffen? Das können sie doch nicht getan haben. Ich muss wissen, ob es so war!«

Joona blickt auf und sieht Axel Riessen in die Augen, sie sind ganz ruhig und leuchten.

73

Eine letzte Frage

Saga Bauer liegt auf dem hellen, filzigen Teppich auf dem Bauch. Sie schließt die Augen, während Stefan langsam ihren Rücken küsst. Ihre blonden Haare liegen weit gefächert auf dem Boden wie schimmernder Dunst. Stefans warmes Gesicht bewegt sich über ihre Haut.

Mach weiter, denkt sie.

Die leichte Berührung seiner Lippen kribbelt zwischen den Schulterblättern.

Sie zwingt sich, liegen zu bleiben, und schaudert wonnig.

Aus der Musikanlage ertönt ein erotisches Duett für Violoncello und Mezzosopran des Komponisten Carl Unander-Scharin.

Die beiden Stimmen kreuzen sich rhythmisch und immer wieder wie das langsame Glitzern in einem dunklen Bach.

Saga liegt ganz still und spürt, dass ihr Körper immer erregter wird. Sie atmet durch den halb geöffneten Mund und befeuchtet ihre Lippen mit der Zunge.

Seine Hände gleiten über ihre Taille, schließen sich um die Hüften und heben federleicht ihren Po an.

Kein Mann, dem ich vorher begegnet bin, hat mich so sanft berührt, denkt Saga und lächelt.

Er betrachtet sie, und sie spreizt die Schenkel. In ihr beginnt es zu glühen, ein Kern aus öliger, pochender Hitze.

Sie hört sich selbst stöhnen, als sie seine Zunge spürt.

Behutsam dreht er ihren Körper um. Der Teppich hat streifige Abdrücke auf ihrem Bauch hinterlassen.

»Mach weiter«, flüstert sie.

»Sonst erschießt du mich«, sagt er.

Sie nickt und lächelt offen und glücklich. Stefans schwarze Haare sind ihm ins Gesicht gefallen, der schmale Pferdeschwanz liegt auf seiner Brust.

»Komm, komm«, sagt Saga.

Sie zwingt sein Gesicht zu ihrem, küsst ihn und begegnet seiner warmen und feuchten Zunge.

Schnell streift er seine Hose ab und legt sich nackt auf sie. Sie zieht die Beine an und spürt ihn in sich eindringen. Sie stöhnt lang gezogen und atmet anschließend schnell, als sie kurz innehalten. Die atemberaubende Nähe des anderen spüren. Stefan stößt ganz sanft in ihr. Seine schlanken Hüften bewegen sich langsam. Sagas Finger streichen über seine Schulterblätter, Lenden, Pobacken.

Dann klingelt das Telefon. Na klar, denkt sie sofort. Das Geräusch von ZZ Tops ruhigem »Blue Jeans Blues« dringt aus dem Kleiderhaufen auf der Couch, unter dem weißen Unterhemd, dem Slip, der umgestülpten Jeans.

»Lass es klingeln«, flüstert sie.

»Es ist dein Diensthandy«, sagt er.

»Das ist mir scheißegal, es ist nichts Wichtiges«, murmelt sie und versucht, ihn festzuhalten, aber er zieht sich aus ihr zurück, kniet sich hin und tastet in ihren Hosentaschen nach dem Telefon. Er kann es nicht finden, der Blues geht gedämpft weiter. Schließlich dreht er die Jeans auf den Kopf und schüttelt das Handy heraus. Es ist verstummt. Ein leise klingelnder Ton teilt mit, dass ihr jemand auf die Mailbox gesprochen hat.

Zwanzig Minuten später eilt Saga Bauer im Laufschritt durch den Flur des Landespolizeiamts. Nach der hastigen Dusche sind ihre Haarspitzen noch feucht. In ihrem Körper steckt noch prickelnde und unbefriedigte Lust. Slip und Jeans sitzen unbequem.

Als sie zu Joonas Zimmer läuft, erblickt Saga flüchtig Anja Larssons rundes fragendes Gesicht hinter dem Computerbildschirm. Joona steht mit dem Foto in der Hand in seinem Zimmer und erwartet sie. Als sie seinem eisig grauen, stechenden Blick begegnet, läuft ihr ein unangenehm kalter Schauer über den Rücken.

»Schließ die Tür«, sagt er.

Sie befolgt seine Anweisung, dreht sich zu ihm um und wartet. Ihre Atemzüge sind schnell, still.

»Axel Riessen erinnert sich an jedes Musikstück, das er jemals gehört hat, an jeden Ton von jedem Instrument in einem Symphonieorchester …«