Die Wahrheit war, dass ich sicher war, dass Mr Black nicht wollte, dass Anne George heiratete. Anne würde zu einer Art Tod verdammt sein, wenn sie seine Frau würde. Das war die ganze Wahrheit. Die unwichtige rechtliche Wahrheit lautete, dass Mr Black die Feder nicht hatte halten können und ich für ihn unterschrieben hatte.
»Tom?« Sämtliche Gesichter verschmolzen zu dem von Mr Tooley. Er hatte dichte buschige Augenbrauen, die allmählich aufeinander zuzuwandern schienen. »Gott erwartet deine Antwort.«
Georges Anspannung, die ihn wie einen an der Leine zerrenden Hund wirken ließ, fiel sichtlich von ihm ab. Er lächelte Anne zu und ergriff ihre Hand. »Es muss noch Hoffnung für seine Seele geben, wenn er im Haus Gottes nicht lügen kann.«
Anne entzog sich ihm und warf mir einen Blick zu, der wie Säure in meinem Gesicht brannte. Sie schwieg, aber die Worte lagen so deutlich in ihrem Blick, als hätte sie sie ausgesprochen. Warum bist du hierher gekommen und hast alles ruiniert? Um eine weitere Lüge zu erzählen?
Mr Tooley stieß einen Seufzer aus, der klang, als habe er ihn zurückgehalten, seit er die eigentliche Frage gestellt hatte. Seine Stimme und sein Gebaren glichen mehr denn je denen eines Richters. »Tom Neave, ich bin verpflichtet, dein Schweigen als Eingeständnis deiner Schuld zu deuten. Wie jedes Gericht dir erklären wird, betrachten die Gesetze des Königreichs Fälschung als ein sehr ernstes Vergehen, noch schwerwiegender als das Davonlaufen von deinem Master. Mr Henderson!«
Er rief nach dem Kirchenvorsteher, der offensichtlich sein Ohr direkt an der Tür gehabt hatte, denn er öffnete sie auf der Stelle. Der Großteil der Gemeinde hatte sich ebenso dicht herangeschlichen und machte keine Anstalten, zurückzuweichen.
»Die Weisheit Salomons, Mr Tooley!«, rief George. »Ihr habt ihn durch sein eigenes Schweigen überführt!«
18. Kapitel
Es war sinnlos, davonzulaufen, selbst wenn ich meine Beine hätte anheben können. Sie hatten einen Constable gerufen, und ein weiterer befand sich unter den versammelten Gemeindemitgliedern. Sie packten mich bei den Armen und führten mich den Mittelgang hinunter, wo ich in meinen Träumen mit Anne entlang geschritten war. Mr Tooley trieb jedermann zurück auf seinen Platz, damit er mit der Zeremonie fortfahren konnte. Draußen wartete noch ein weiteres Paar. Jeder wollte wegen des bevorstehenden Krieges noch rasch heiraten.
»Es war eine Fälschung«, sagte George zu Benyon.
»Eine Fälschung!« Benyon pfiff leise und schüttelte den Kopf. »Ein Verbrecher!«
»Seit jenem Tag, als wir ihn vom Fluss hierherbrachten, habe ich Mr Black das prophezeit.«
»Dafür wird er hängen!«
Die Worte machten in der Gemeinde die Runde wie ein Funken auf einem trockenen Stück Zunder. Fetzen der Unterhaltung flogen mir zu, während ich den Gang hinuntertaumelte. Eine Fälschung. Ein Verbrecher. Dafür wird er hängen. Ich wusste schon immer, dass er eines Tages die Leiter rauf muss. Der wird eines Morgens am Galgen baumeln. Mr Black ist tot? Ermordet in seinem Bett! Und dann hat er die Unterschrift gefälscht, um die Hochzeit zu verhindern. Er hat den Teufel im Leib! Es war, als sei ich, ohne den Luxus einer Gerichtsverhandlung oder eines Aufenthalts in Newgate, bereits auf dem Weg nach Tyburn. Die Gesichter der Gemeinde, die ein gesetztes Hochzeitslächeln gezeigt hatten, als ich die Kirche betreten hatte, waren nun bei der Aussicht auf eine öffentliche Hinrichtung gerötet. Die Anwesenden verrenkten die Hälse, die Augen traten aus den Höhlen, als sie mit den Ellenbogen um sich stießen, um einen Blick auf mich erhaschen zu können.
»Hängen?«
Ich hörte Annes Stimme, die sich über alle anderen erhob. Ruckartig blieb ich stehen und riss mich von einem der Constables los. Mit tröstenden und beschwichtigenden Gesten beugte sich Mr Tooley über Anne. George gesellte sich zu ihnen, und sie steckten die Köpfe zusammen und diskutierten. Mrs Black stand von der vordersten Bank auf, umklammerte ihren Hut und mischte sich in den immer lauter werdenden Wortwechsel ein. Aus dem Knäuel heraus schoss ein Wirbelwind. Jeder Teil von Anne schien sich in wütender Bewegung zu befinden. Ihre Haare flatterten, die großen, tränenerfüllten Augen und der bebende Mund schienen das ganze Gesicht auszufüllen. Ihre Worte hallten durch die gesamte Kirche.
»Warum? Warum können wir nicht meinen Vater fragen, ob er unterzeichnet hat?«
Mrs Black ergriff das Wort, aber ein eisiger Blick von Mr Tooley brachte sie zum Schweigen. Er bemühte sich, mit gemessener Stimme zu sprechen, aber in der ehrfürchtigen Stille, die mit einem Mal herrschte, wurden seine Worte von den steinernen Wänden laut zurückgeworfen. »Anne! Hör nicht auf andere! Es wird eine Gerichtsverhandlung geben. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Niemand weiß es.« Als sie den Mund zu einer Erwiderung öffnete, erreichte seine Stimme jenen gereizten Tonfall, dem niemand in dieser Kirche sich je zu widersetzen gewagt hatte. »Anne! Willst du heiraten oder nicht?«
Sie senkte den Kopf. Ein gewaltiges kollektives Seufzen schien von der Gemeinde auszugehen. Mr Tooley winkte Braut und Bräutigam entschieden zurück zum Altar, damit sie ihre Positionen für den Schwur einnähmen. Mrs Black huschte zurück in die erste Bankreihe. Die Constables packten mich erneut bei den Armen und führten mich in die Vorhalle.
»Fünf Minuten!« Annes Stimme hallte in der Kirche wider.
In der Tür drehte ich mich um und sah, wie Anne ihre geballten Fäuste mit solcher Macht in die Hüften stemmte, dass ich glaubte, sie würde in Stücke brechen.
»Es sind fünf Minuten zu meinem Vater, Mr Tooley. Fünf Minuten! Die Ehe dauert mein ganzes Leben!«
Die Ankömmlinge für die nächste Hochzeit starrten uns an, als wir uns durch den Friedhof schlängelten, vorbei am Mausoleum für Samuel Potter und seine Witwe. Wir mussten eine seltsame Prozession abgegeben haben. Mr Tooley ging voran, zusammen mit Benyon und Mrs Black, die Mühe hatte, ihren Hut bei dem Wind aufzubehalten. Dann folgten Braut und Bräutigam. Anne blickte starr geradeaus. George flüsterte ihr etwas ins Ohr und warf mir gelegentlich Blicke zu, während ich im festen Griff der beiden Constables hinter ihnen her stolperte. Die Männer hielten mich so eng umklammert, dass wir wie ein Wesen mit sechs Beinen gewirkt haben mussten.
Es waren die längsten fünf Minuten meines Lebens. Jetzt kam es mir wie der Gipfel der Dummheit vor, Mr Blacks Unterschrift nachgemacht zu haben. Doch da waren die geheimen Drucke, die George erstellt hatte, der Beweis, den Mr Black gelesen hatte – obwohl ich nicht wusste, wie viel er davon wirklich verstanden hatte. George glaubte gewiss, das würde durch die Fälschung aufgewogen, die ich allein durch mein Schweigen eingestanden hatte. Sobald er sich umwandte, zeigte sein Gesicht einen Ausdruck, den ich nur zu gut aus meiner Kindheit kannte: Vorfreude auf die mir bevorstehende Strafe.
Als wir in den Half Moon Court einbogen, stieß Mrs Black einen Schrei aus. Die Vorhänge zu Mr Blacks Fenster waren zugezogen. Sarah stand auf der Eingangstreppe, und Mrs Black und Anne rannten zu ihr. All meine vorherigen Ängste wurden von der Befürchtung in den Schatten gestellt, ich könnte ihn getötet haben.
»Beinahe«, erklärte Sarah vernichtend. »Dieses Mal hast du es fast geschafft, so wie du ihn aufgeregt hast.«
Sie sagte, sie habe das Haus verlassen, um frisches Brot zu kaufen, und als sie zurückkam, habe sie ihn in einem furchtbaren Zustand angetroffen. Sie habe ihm einen Schluck zu trinken gegeben, und jetzt schlafe er. Während Mrs Black die Treppe hinaufeilte, schritt der Rest von uns ins Empfangszimmer, wo der Duft von frischem Brot sich zu dem der Wildpastete und der Gans gesellte, die immer noch am Spieß brutzelte. Von dort zogen wir weiter zur Druckerei. Mr Tooley verlangte Beweise für das aufrührerische Material.