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Mr Black schenkte mir einen Blick von solch schwerem Ernst, dass ich meinen Mund öffnete, um damit herauszuplatzen, was ich getan hatte, und ihn um Vergebung anzuflehen. Nur das triumphierende Leuchten in Georges Augen hielt mich davon ab. Diese Genugtuung würde ich ihm nicht gönnen. Missmutig erwiderte ich seinen Blick, genau wie ich es vor all den Jahren auf dem Boot getan hatte, obwohl es mich jetzt unbarmherzig nicht zu einem Schatz, sondern nach Paddington Fair brachte.

»Ist das Eure Unterschrift, Sir?«, fragte Mr Tooley.

»Das?« Mr Black schielte auf das Blatt Papier. »Ob dieses armselige … spinnenhafte … Gekrakel meine Unterschrift ist?« Voller Verachtung spie er die Worte aus, dann murmelte er: »Schurke!«

Mr Tooley stieß einen tiefen resignierten Seufzer aus und gab den Constables ein Zeichen, mich fortzuschaffen.

»Aye«, murmelte Mr Black, nickte und starrte noch immer auf das Blatt Papier, als ich am Fuß seines Bettes vorbeiging. »Das … ist … aus mir … geworden.«

»Wartet!«, rief Mr Tooley und hielt uns so abrupt an der Tür auf, dass wir gegeneinander stießen. »Wollt Ihr damit sagen, Sir, dass es Eure Unterschrift ist

»Was?«

Mr Black umklammerte das Blatt Papier und starrte zu ihm empor. Anne, der George inzwischen aufgeholfen hatte, wiederholte die Frage. Es folgte ein Moment der Verwirrung, genau wie ich ihn erlebt hatte, ehe ich den verhängnisvollen Brief geschrieben hatte, bis Mr Black den Brief vorstreckte, Mr Tooley fast schlug und schrie: »Natürlich … ist das … meine verdammte … Unterschrift … natürlich, Sir!« Es herrschte fassungslose Stille. Dann bekam Mr Black einen Hustenanfall, und Sarah und Anne eilten ihm zu Hilfe. Alle begannen auf einmal durcheinanderzusprechen, George schüttelte den Kopf und erklärte Mr Tooley, sein armer Master wüsste nicht, was er da rede, bis Mr Black seine Meinung deutlich machte, indem er den Brief fallen ließ und unter seiner Decke das Pamphlet hervorzog, das ich ihm gezeigt hatte und das George heimlich gedruckt hatte.

»Schurke!«, kreischte er, stieß mit seinem Stock mit solcher Kraft nach George, dass dieser rückwärts taumelte.

»Ich wusste es! Ich wusste, dass du die Wahrheit gesagt hast!« Schon hatte Anne ihre Arme um mich geschlungen, ihr Gesicht war tränenüberströmt.

»Anne! Vor den Augen des Pfarrers!«, schrie eine schockierte Mrs Black. »Du wirst heiraten!«

»Aye«, sagte Sarah. »Aber wen?«

Die kleine Schlafkammer glich einem Tollhaus. Mr Tooley wollte wissen, ob es eine Hochzeit geben würde oder nicht. Die Constables wussten nicht, ob sie mich jetzt abführen sollten. Oder George. Oder keinen von beiden. Sarah fragte immer wieder, was sie jetzt mit dem ganzen Essen machen sollte. Mrs Black brach auf einem Stuhl zusammen und schrie, es sei ihr egal, was Sarah damit anstelle. Gib es den Armen! Nie wieder würde sie sich in der Kirche blicken lassen können! Ich stand benommen in der Mitte des Tumults.

Ich verzehrte mich vor Angst, dass der Erfolg meiner Lüge allein um den Preis von Mr Blacks Gesundheit erkauft worden sei. Gewiss war er zu verwirrt, um auch nur eine Vorstellung davon zu haben, was er tat. Inmitten des Gebrabbels starrte er mich direkt an. Er winkte mir, näherzukommen. Die gute Seite seines Gesichts war merkwürdig verzerrt, als stünde er kurz vor einem Anfall. Sein rechtes Auge zuckte. In der Angst, ihm seinen letzten Krampf zu bescheren, ging ich zu ihm und blieb stehen. Es gab keinen Zweifel. Sein rechtes Auge schloss sich zu einem frevlerischen Zwinkern. Er zeigte auf den Stock, den ich ihm reichte, und brachte jedermann mit dumpfen Stößen auf den Boden zum Schweigen. Er klopfte auf die Stelle, an der er schon so häufig Zeichen gegeben hatte, dass kleine Holzsplitter herausgebrochen waren. Von George fehlte jede Spur, doch in der Stille hörte ich, wie unten die Tür ins Schloss fiel.

»Essen!«, sagte Mr Black.

»Ihr meint … was wir mit all dem Essen anfangen sollen?«, sagte Anne.

Mr Black nickte lächelnd. Mit dem Stock deutete er auf die Bibel, die stets neben seiner Bettstatt lag, und Mr Tooley hob sie auf. Ich glaube, er erwartete eine Stelle aus dem Alten Testament, doch Mr Black wählte das Neue.

»Lukas«, stieß er hervor. »Fünfzehn …« Erschöpft ließ er sich zurücksinken, aber Mr Tooley schien zu wissen oder zu erraten, welche Verse er meinte und deutete darauf. Noch einmal lächelte Mr Black und nickte, und Mr Tooley las vor. Seine Stimme zitterte ein wenig. »Und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet’s; lasset uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden.«

19. Kapitel

Es waren einige der glücklichsten Tage meines Lebens, jene Tage dieses Frühlings und Sommers. Während das Land langsam auseinanderbrach, schien ich zu einer ganzen Person zu werden. Der Krieg drohte, kam indes niemals.

Jeden Tag erwartete ich, Eaton im Hof in der Half Moon Street vorfahren zu sehen. Die Kleider, in denen ich geflohen war, hatte ich eingepackt, bereit, sie ihm zurückzugeben. Ich wollte ihm in nichts verpflichtet sein, wollte jedoch auch nicht das Risiko eingehen, sie zurückzubringen. Als Eaton sich nicht blicken ließ, nahm ich an, er und Turville hätten den Gedanken aufgegeben, ich könnte ein Edelmann werden. Die Geldzahlungen, die Mr Black regelmäßig von Eaton erhalten hatte, wurden eingestellt. Damit schien auch die Gefahr für mein Leben zu schwinden. Crow war tot. Eine Zeitlang sah ich Captain Gardiner an jeder Straßenecke, doch sobald ich die militärische Ausbildung wieder aufnahm, wurde ich kräftiger und stärker, und meine Angst ließ nach.

Von Matthew hörte ich nichts, und ich kümmerte mich auch nicht mehr darum, meinen richtigen Vater zu finden. Dieses Zwinkern, das Mr Black mir geschenkt hatte, und die Lesung aus dem Lukasevangelium waren ebenso gut, nein, tausendmal besser als jedes Blut, das irgendein Vater seinem Sohn mitgeben könnte. Anne fuhr mit ihrer Mission fort, Mr Black zu helfen, das Schreiben neu zu erlernen, und es sich währenddessen selbst anzueignen. Manchmal gesellte ich mich hinzu, doch ich spürte, dass ich die Atmosphäre zwischen ihnen verdarb, denn es war unmöglich, dass Anne und ich unsere Gefühle füreinander verbargen. Eines Tages stahl ich mir einen Kuss. Ich sah, wie Mr Black mich mit seinem guten Auge unnachgiebig anstarrte und zog mich hastig zurück, seinen Zorn fürchtend – bis er mich, noch einmal, mit diesem unglaublichen Zwinkern bedachte.

Während ich Mr Black immer näher kam und er sich immer stärker auf mich verließ, sprach Mrs Black kaum mit mir. Sie sagte, sie habe nichts davon gewusst, dass George für den König gedruckt habe – und wenn sie es gewusst hätte, wäre sie vermutlich insgeheim stolz darauf gewesen. Politik lehnte sie ab, sie sei nichts anderes als ein in schöne Worte gekleideter Wirtshausstreit, der niemals das Essen auf den Tisch brächte. Für sie war die Sache klar. Ihre Tochter hatte kurz davor gestanden, einen Mann zu heiraten, der eine Stütze der Gemeinde war und mit einem der reichsten Männer der Stadt Geschäfte gemacht hatte. Jetzt war alles verloren. Und wofür? Für einen schmutzigen Lehrjungen mit großen Füßen, der jede Menge Stiefel durchgelaufen und ihren armen kranken Gatten verhext hatte, was der Sterndeuter ihr ohne jeden Zweifel bestätigt hatte. Der verlorene Sohn? Das war fürwahr ein guter Vergleich! War er nicht auch ein Verschwender gewesen? Ein Tagedieb? Und dieser hier war es auch. Außer, dass da nichts war, das er hätte verschwenden können.