»Ja! Ich habe sie mir erarbeitet!« Ich streckte meine Hände aus. Jede Furche meiner Hände und die Windungen meiner Finger waren erneut von der Tinte verfärbt. Die Arbeit, auf die ich so stolz war, war seine Verachtung nicht wert. Und kein Argument würde ihn umstimmen, sobald er einmal entschieden hatte, recht zu haben. Er schüttelte mich, dass mein Kopf hin und her wackelte. Ich verlor die Beherrschung, packte ihn bei den Schultern und stieß ihn von mir.
Ich hatte das Gefühl, am Ende einer Reise angelangt zu sein, die damit begonnen hatte, dass ich Worte, welche die Welt verändern würden, aus dem Schlamm gerettet hatte. Diese Worte hatten einen Prozess in Gang gesetzt, und die Armee würde ihn beenden. Doch wenn dies einer der Männer war, der das Heer anführte, einer der Großen Zwölf, denen selbst Mr Pym sich beugte, welche Hoffnung gab es dann noch? Seine Worte waren unredlich und falsch. Es waren keine Worte der Hoffnung und Veränderung, sondern der Doppeldeutigkeit und Verzweiflung.
Er war so schockiert, dass ich es gewagt hatte, Hand an ihn zu legen, dass er mich mit offenem Mund angaffte, während es nur so aus mir hervorsprudelte. Ich erzählte ihm von den Worten, die ich aus dem Schlamm gerettet hatte, dass ich geglaubt hatte, er sei ein ebenso großer Anführer wie Mr Pym, während er in Wirklichkeit nur daran dächte, einen Mann zu hängen, weil er Berberpferde gestohlen hatte, und einem ehrlichen Drucker Haus und Hof zu nehmen. Eaton zuckte zusammen und wandte sich ab. Er erwartete, dass Lord Stonehouse explodieren würde, während ich immer weiter redete. Oh, ich erzählte jede Menge dummes Zeug, Sachen, die ich vom ohrlosen Jack aufgeschnappt hatte und kaum richtig verstand, aber mein mangelndes Wissen machte ich mit Leidenschaft und Überzeugung wett, während Lord Stonehouse mich anstarrte, als sei ich ein Wesen, das geradewegs vom Mond gestürzt war.
Als er wieder genug Atem geschöpft hatte, nahm er eine Glocke von seinem Pult. Ich redete immer noch weiter, fing ganz am Anfang an, wie er sich meiner auf dem Hof der Werft angenommen hatte, nachdem ich mich verbrannt hatte. Er sei es gewesen, ich wusste, dass er es gewesen sei, wiederholte ich, als er Anstalten machte, es abzustreiten. Ich sagte ihm alles, was ich ihm vielleicht gesagt hätte, wenn er mich erzogen hätte und nicht nur sein Geld. Als zwei stämmige Diener eintraten und mich ergriffen, musste ich die Geschichte auf Flugblattlänge kürzen. In aller Hast erklärte ich ihm, dass ich nicht wegen des Schatzes gekommen sei.
»Welcher Schatz?«, fragte er mit verwirrtem Stirnrunzeln.
»Ich meine das Erbe. Ich bin deswegen gekommen.« Mit diesen Worten zog ich den Brief hervor, den er Mr Black geschickt hatte.
»Wartet!« Er bedeutete den Dienern, mich loszulassen, und nahm den Brief. Er betrachtete das Siegel des Falken. Einen Moment dachte ich, es sei ein Trick von Eaton, und Lord Stonehouse habe den Brief nie zuvor gesehen, doch er war nur so unwichtig für ihn, dass er ihn vergessen hatte. Er las ihn durch, um sich den Inhalt ins Gedächtnis zu rufen, ehe er aufblickte. »Deswegen bist du hergekommen?«
»Ja, Mylord.«
»Das ist alles?«
In seiner Stimme lag ein scharfer, ungläubiger Unterton, der mich erneut aufbrachte. Ich hörte mich an wie der ohrlose Jack im Pot, als ich sagte, ich sei die letzte Person, die einen Landsitz haben wolle. Großgrundbesitzer schienen vergessen zu haben, dass es Waldrechte gab, ebenso wie die Magna …
»Sei still!«, brüllte er. Er deutete auf ein Gemälde von Highpoint House. Es war viel größer als das in Turvilles Haus und war, wie ich feststellte, viel später entstanden, denn das Dorf, das sich am Fluss erstreckt hatte, war nicht mehr da. Vielleicht hatte man es verlegt, weil es den Ausblick verdarb. »Du würdest das hier nicht haben wollen?«
»Nein, Mylord.«
»Dann bist du ein Narr.«
Erneut verärgert, und weil ich nichts zu verlieren hatte, sagte ich: »Ich verstehe durchaus, dass Euch das Probleme bereitet, Mylord.«
Seine schwarzen Augen schienen sich in meine zu bohren. Ich spürte die beiden Diener neben mir, den Blick starr geradeaus gerichtet. Ihre Hände zuckten, bereit, mich fortzutragen wie einen Gang beim Dinner. Dann knurrte Lord Stonehouse und lächelte. Es war bitter, aber immerhin ein Lächeln. »Nein, vielleicht bist du doch gar kein Narr«, flüsterte er. Die Hände der beiden Diener hörten auf zu zucken und wurden gleichzeitig wieder hinter dem Rücken gefaltet.
Lord Stonehouse blickte erneut auf den Brief. »Du bist wegen Mr Black hergekommen?«
»Ja, Mylord. Er war wie ein Vater zu mir.«
Er zuckte zusammen, kam auf mich zu und bedachte mich mit einem bohrenden Blick. »Wie ein Vater?«
»Ja, Mylord.«
Abrupt wandte er sich ab, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Er zerknüllte den Brief, als er auf das Fenster zuschritt. Wachsstückchen lösten sich vom Siegel, fielen klackernd zu Boden und bildeten eine dünne Spur hinter ihm. Es war inzwischen ziemlich dunkel, und in den Häusern gegenüber brannten Kerzen. Ein Fenster stand offen, aber die Luft war dick und warm und so still wie die Diener, die mich bewachten. Es war so leise, dass ich ihren Atem und das Knirschen ihrer Schuhe hörte, wenn sie sich kaum merklich bewegten. Schließlich schleuderte der Lord den Brief auf den Tisch und wandte sich barsch an Eaton. »Davon hast du mir nichts erzählt.«
Eaton meldete sich zu Wort. »Es stand alles in den Berichten, Mylord. Dass der Teufel in ihm steckt, der Zorn, der …«
»Nein, nein, Eaton, das meine ich nicht.« Rastlos wandte sich der alte Mann ab. Dann, wie ein Anwalt, der plötzlich einen Fehler im Verfahren findet, stürzte er sich auf mich. »Aber wenn dein wunderbarer Mr Black wie ein Vater zu dir war – warum bist zu dann davongelaufen?«
Triumph blitzte in seinen Augen auf. Ich war ein Betrüger, hatte mir eine Geschichte ausgedacht, um zu zeigen, was für ein wunderbarer Sohn ich sei – und sein würde, im Gegensatz zu seinem eigenen. Es war eine Verschwörung, um an sein Vermögen zu kommen. Verschwörungen hatten mein Leben ruiniert, jedes Mal, wenn ich versuchte, es mir aufzubauen. Ich war fertig mit Verschwörungen. Er sah ohnehin das Schlimmste in mir, was immer ich sagte, also schleuderte ich ihm verbittert die Worte entgegen: »Ich bin davongelaufen, weil die Männer Eures Sohnes versucht haben, mich zu töten.«
Eaton zuckte erneut zusammen. Er sah aus, als sei seine Narbe frisch aufgerissen. Mir fiel ein, was Turville gesagt hatte. Dass er nicht derjenige sein wolle, der, ohne einen gänzlich unwiderlegbaren Beweis, Lord Stonehouse erklärte, sein Sohn sei ein kaltblütiger Mörder. Einen Moment lang stand er stumm da, dann schickte er die Diener fort und befahl ihnen, vor dem Zimmer zu warten. Sein Gesicht zeigte eine Kälte wie einer jener Wintertage, an denen die Nacht niemals weit zu sein schien. Eaton zog sich in den Schatten des Zimmers zurück. Lord Stonehouse saß im Licht des Kronleuchters und sah zum ersten Mal aus wie der, der er war, einer der mächtigsten Männer Englands – oder zumindest des Teils von England, der gegen den König opponierte. All mein Wagemut verließ mich. Ich begann zu zittern und konnte nicht wieder aufhören. Sein Schweigen war das Schlimmste, viel schlimmer als sein unbeherrschter, unvorhersehbarer Zorn, denn dieser war zumindest menschlich. Dazu kam diese bedächtige Art, mit der er einen Schlüssel aus dem Bund an seinem Gürtel auswählte und sodann eine Schublade aufschloss und öffnete. Ich war überzeugt, er würde eine schwarze Richterkappe hervorholen, um mein Todesurteil zu unterzeichnen.
Stattdessen nahm er einen Stapel Papiere heraus. Während er sie durchging, verstärkte sich mein Zittern, wenn auch aus einem anderen Grund. Auf der Stelle hatte ich Mr Blacks fließende schräge Handschrift erkannt, auf die er so stolz gewesen war. Als Drucker konnte ich genauso gut auf dem Kopf wie spiegelbildlich lesen. Als Lord Stonehouse die Seiten umblätterte, las ich hier und da »den Teufel aus ihm herausprügeln« … »Latein gut, aber moralisch« … »ausgezeichnet« … »wenn er nicht zuerst in der Hölle landet«. Es waren die sorgfältig ausformulierten Versionen der Entwürfe, die ich in Mr Blacks Kontor gelesen und die er in den zurückliegenden acht Jahren meines Lebens vierteljährlich verfasst hatte. In diesem Studierzimmer, auf diesem Schreibtisch, waren sie also gelandet. Lord Stonehouse hatte sich am Rand Notizen gemacht, ein verkrampftes, eilig hingeschmiertes Gekritzel. Was mich rührte, war nicht der Inhalt der Bemerkungen – die konnte ich nicht lesen –, sondern dass er sie überhaupt gemacht hatte. Wer immer auch mein Vater sein mochte, ich begriff, dass ich ihm etwas bedeutete, und in diesem Moment sah ich in ihm zum ersten Mal meinen Wohltäter.