»Mr Tom, ich glaube, dass Ihr ein ehrlicher Mann seid.«
»Das möchte ich meinen!«, gab ich scharf zurück.
Er tippte sich an den Hut, halb spöttisch, halb respektvoll, und bediente sich seiner undeutlichen bäuerlichen Sprechweise. »Wenn wir diesen Anhänger gefunden haben, Mylord, werdet Ihr Half Moon Court erhalten und ich soll mich mit High Point begnügen? Was ist denn das für ein mieses Geschäft?«
Er lachte und verfiel anschließend in tiefes grüblerisches Schweigen, bis wir Turvilles Haus erreichten. Eaton führte mich über das Gras, und wir hörten, wie eine Pistole gespannt wurde. In der ruhigen Nacht klang es wie ein scharfer Peitschenknall. Eaton rief der Wache, die er bei seinem ersten Besuch an diesem Abend dort abgestellt hatte, leise etwas zu. Man hatte nach einem Constable geschickt, aber keinen auftreiben können. Es schien, als seien die Constables ebenfalls verschwunden.
Die Tür zum Haus stand offen, und die Uhr in der Halle tickte langsam und leise. Es war das einzige Zeichen von Normalität. Auf der Treppe verstreut lagen Papiere. Eaton stoppte mich mit einer heftigen Bewegung und hielt mir den Mund zu. Er hatte sich nicht gewaschen, und an seiner Hand klebte der widerliche Geruch alten Blutes. Obwohl er eine Wache an der Tür postiert hatte, fürchtete Eaton noch immer eine Falle. Ich hielt ihn für übertrieben vorsichtig, doch dann hörte ich es. Eine knarrende Diele, eine leises, tierähnliches Grunzen, dann Stille.
Eaton ging leise zum Wachposten zurück und nahm dessen Pistole. Ich schlich die Treppe hinauf. Ein dünner Strahl des Mondlichts fiel durch das Fenster am Treppenabsatz und beleuchtete einen blutigen Stiefelabdruck auf den zerknitterten Papieren. Eaton zog mich zurück und trat die Tür zum Studierzimmer auf.
Er schwang die Pistole in Körperhöhe herum und sah die kriechende Gestalt am Boden zuerst nicht. Als er auf sie zielte, machte ich in der Dunkelheit die Form der Haube aus und stieß einen Warnschrei aus.
Eaton senkte die Pistole. »Verdammt, Jane! Beinahe hätte ich dich erschossen!«
Sie rührte sich nicht. Sie wiegte etwas oder jemanden im Arm und stöhnte leise. Als ich zu ihr ging, klebten Papiere an meinen Stiefeln. Ich berührte sie sacht, aber sie reagierte noch immer nicht.
»Jane, ich bin’s. Tom.«
Eaton zündete eine Kerze an. Jane hielt Turvilles Kopf auf dem Schoß und redete zärtlich auf ihn ein. Turvilles rechte Hand war zur Hälfte abgehackt. Daneben lag eine Pistole, die er festgehalten haben musste. An der Seite klaffte eine große Wunde, und ich begriff, dass es Blut war, das die Papiere an meinen Schuhen kleben ließ. Ich wandte mich ab, als die reichhaltige Wildpastete, die ich gegessen hatte, mir wieder hochkam und in der Kehle brannte.
»Spuck’s aus«, sagte Eaton. »Die Schweinerei wird dadurch nicht größer.«
Gleichgültig starrte er nach unten, als betrachte er ein geschlachtetes Tier auf einem Bauernhof. Ich zwang mich, die Galle wieder hinunterzuschlucken, kniete mich neben Jane und legte einen Arm um sie. Sie reagierte auch dieses Mal nicht, sondern fuhr fort, die Wangen des toten Mannes zu streicheln und zu murmeln, dass sie einen Doktor holen und dass er wieder gesund werden würde. Erst als ich sagte, er bräuchte einen Pfarrer, keinen Arzt, wandte sie sich mit einem grellen, tierischen Schrei zu mir um. Ich hielt ihren bebenden Körper, doch sie stieß mich fort, hob Turvilles Kopf erneut an, als versuchte sie, es ihm bequemer zu machen, und streichelte und küsste ihn. Hilflos sah ich zu und hatte das Gefühl, nichts über das Leben oder die Liebe zu wissen. Mit dem Ausdruck des Erstaunens in den offenen, starrenden Augen und der pockennarbigen Haut ohne jeden Puder, sah er noch hässlicher aus als lebendig. Er hatte sie aufgenommen, als sie am Ende gewesen war, doch er hatte sie benutzt, und ich war sicher, dass sie übel geschlagen worden war, nachdem ich entkommen war. Doch der Art und Weise nach zu urteilen, wie sie ihn hielt und nicht aufhörte, ihn zu küssen, hätte man meinen können, er sei der freundlichste und wunderbarste Mensch auf Erden für sie gewesen.
»Ein feiner Sohn! Er macht seinem Vater alle Ehre!« Eaton schwang die Kerze über die unordentlichen Papierhaufen und die leeren Regale, um einen Blick auf das Gemälde hinter Turvilles Schreibtisch zu werfen. Es war diagonal durchgeschnitten, so dass das Porträt von Lord Stonehouse geköpft war. Der Schnitt war mit solcher Gewalt ausgeführt worden, dass die Leinwand mit einer glücklich lächelnden Frances sich nach außen rollte. »Van Dyck. In der Inventarliste mit dreißig Pfund aufgeführt«, murmelte Eaton.
Ein Haufen Rechtsdokumente zerbröselte unter seinen Stiefeln. Unvermittelt stieß er einen Schrei aus. Der Schnitt durch das Gemälde gab den Blick auf die Täfelung dahinter frei, von der ein Teil geöffnet worden war. Es handelte sich um einen geschickt versteckten Geheimschrank, der normalerweise vermutlich gar nicht auffiel. Doch das Schwert war mit einer Kraft geführt worden, dass es in das dahinterliegende Holz geschnitten und eine Seite der Tür, die von der Täfelung verdeckt wurde, freigelegt hatte.
»Er hat meine Papiere!«
»Was für Papiere?«
Eaton schrie, jetzt sei er erledigt. Er gebärdete sich wie toll, suchte zwischen den Bruchstücken der Papiere auf Tisch und Boden. Immer wieder kehrte er zu der Öffnung zurück und tastete das Innere ab, obwohl er wissen musste, dass nichts darin war.
»Jetzt hat er mich!«
»Was meint Ihr damit?«
Er wirbelte herum, türmte sich vor mir auf, und ich begriff, dass er durch den Verlust so sehr in Bedrängnis geraten war, dass er vergessen hatte, wer ich war. Er zwang sich zu einem Lächeln, soweit seine Narbe es zuließ. Er deutete auf die zerfetzte Karte an der Wand.
»Hört zu, Tom. Ich habe mich um den Grundbesitz gekümmert. Nicht Lord Stonehouse. Nicht seine Söhne. Ich kenne jedes Wäldchen, jeden Grashalm, ich weiß, welche Leute zahlen und welche nicht. Als Lohn gab mir Lord Stonehouse ein Stück von seinem Land, den schlechtesten, undankbarsten Teil. Ohne diese Papiere kann es sein, dass ich alles verliere. Mehr meine ich damit nicht. Klar?«
Er sprach so leise, und seine Stimme verbreitete solche Kälte, dass meine alte Furcht vor ihm mit aller Macht zurückkehrte. Er war so gleichgültig über das Schicksal des armen Turville gewesen, dass er sich nichts dabei denken würde, mich neben ihm auf dem Boden zu sehen. »Ja, ich denke schon.«
»Vorausgesetzt, du hast verstanden.«
»Ich habe verstanden.«
»Gut. Wir müssen zu Matthew.«
»Ihr wisst, wo Matthew ist!«, rief ich.
»Kann sein. Die Einzelheiten befinden sich in den Papieren, die Richard mitgenommen hat.« Er schob mich zur Seite, packte Jane und verlangte zu wissen, was geschehen war und was sie wusste. In ihrer Angst machte sie keinerlei Anstalten, Turville loszulassen, und er zerrte weiter an ihr, bis ich ihn anschrie.
»Lasst sie los! Auf diese Weise werdet Ihr nichts aus ihr herausbekommen!«
Erst jetzt, als er erkannte, dass es einen praktischen Grund für eine Spur Freundlichkeit gab, schickte er einen Mann nach dem Pfarrer, und ich führte Jane nach unten. Die Speisekammer war geplündert worden, aber das Feuer brannte noch, und ich setzte sie davor. Ich stöberte eine halbvolle Flasche Wein auf, mischte ihn mit Honig und wärmte ihn über dem Feuer auf. Der Honig stammte aus dem Garten, und als sie den vertrauten Duft von Holunderblüten wahrnahm, verschwand der leere Ausdruck in ihrem Gesicht allmählich.
Nach und nach erzählte sie uns, was geschehen war. Die Köchin hatte Richard hinten im Park gesehen, wo er mit einem kleinen Trupp Männer am Tor Einlass begehrte. Beunruhigt war Jane zu Turville gerannt. Turville hatte über ihre Ängste gelacht, er habe sein ganzes Leben damit zugebracht, die Wut dieses Jungen zu besänftigen und seine Forderungen abzuwenden. Nichtsdestotrotz lud er die Pistole in seiner Schublade und schickte Jane nach dem Constable. Sie konnte keinen finden, und als sie zum Haus zurückkehrte, hörte sie Richard durch das obere Fenster »Im Namen des Königs!« rufen und sah ihn das Schwert schwingen. Es gab einen gewaltigen Lärm und Jubel – vielleicht war das der Moment gewesen, in dem er das Gemälde aufgeschlitzt hatte.