Eaton fluchte leise. »Ihr habt Richard Stonehouse nichts von Kate Beaumann erzählt?«
»Nichts.«
»Gott sei Dank. Was habt Ihr ihm erzählt?«
»Wo wir die Briefe für Matthew hingeschickt haben. Zur Abholung ins Blue Boar in Oxford.«
Während Eaton hinausrannte, um sich um die Pferde zu kümmern, verabschiedete ich mich von Mr Ingram. Er zog mich dicht zu sich. »Erzähl es ihm nicht, aber einmal sah ich auf einem Brief das Siegel der Dame, bei der sie in London wohnte. Es ist die Countess of Carlisle am Bedford Square. Vielleicht ist Kate dorthin geflohen.«
Eaton ritt schnell. Während der ersten Meilen schien er sich nicht darum zu scheren, ob ich mit ihm Schritt hielt oder nicht. Selbst als die Pferde müde und damit langsamer wurden und zäher Schlamm bis zu ihren Mähnen hochspritzte, nahm er kaum Kenntnis von mir und hüllte sich in mürrisches Schweigen.
»Das war das erste Mal, dass ich das Wort ›Gott‹ über Eure Lippen kommen hörte«, sagte ich. Verwundert starrte er mich an. »Ihr sagtet, Gott sei Dank weiß Richard nichts von Kate Beaumann.«
»Habe ich das?«
Unbarmherzig bohrte er seinem Pferd die Sporen in die Flanken und trieb es wieder zum Galopp an. Wir wurden erst langsamer, als wir uns Aldgate näherten. Ich hatte gehört, dass an den Hauptzugängen nach London die Straßen befestigt und Gräben ausgehoben werden sollten. Nichts davon war geschehen, zum Teil aus Sorge, dass der Handel, der bereits ins Stocken geraten war, vollends zum Erliegen käme. Doch die Wachen waren verstärkt worden, und man hielt uns auf und fragte zu Eatons wachsendem Ärger nach unserem Begehr. Nachdem wir die Stadtgrenze passiert hatten, sah Eaton aus, als wollte er erneut im Schweigen Zuflucht suchen, doch dann drehte er sich im Sattel zu mir um. Seine Augen wirkten wie frische Wunden, als er mich anblickte. Seine Worte sind mir zusammen mit dem spöttischen Unterton in seiner Stimme noch frisch im Gedächtnis, lebhaft wie seine Narbe.
»Bevor Ihr in jener Nacht geboren wurdet, hatte ich Kate Beaumann gebeten, meine Frau zu werden.«
26. Kapitel
Eaton hatte ein Treffen mit Turvilles Nachfolger im Seven Stars in der Carey Street vereinbart, einem Gasthaus, das regelmäßig von Advokaten frequentiert wurde, die mit Prozessen und Schuldtiteln zu tun hatten. Wir erreichten den Gasthof am frühen Abend. Eaton schickte eine Nachricht an Lord Stonehouse, in der er ihm mitteilte, dass wir mit der Morgendämmerung nach Oxford aufbrechen würden. Nach seinem Eingeständnis – zumindest hatte es sich nach einem Eingeständnis angehört – hatte er nichts mehr gesagt. Ich weiß nicht, ob ich mehr darüber erstaunt war, was er mir erzählt hatte, oder über die Art und Weise, es mir mitzuteilen. Einen Moment lang war er voll Reue und Bedauern gewesen. Nie zuvor hatte ich erlebt, dass er irgendetwas bereut hätte, es sei denn, es ließ sich in Äckern und Pachtzins bemessen.
Ich schloss meine Finger um meinen Glücksbringer, das Halbkronenstück, das ich in der Tasche meines Wamses aufbewahrte. Ob ich recht daran tat, darin einen Glückstaler zu sehen, wusste ich immer noch nicht. Was an dem Abend meiner Geburt auch geschehen war, hatte Unglück und Reue über einen immer größer werdenden Kreis von Menschen gebracht.
Während Eaton sich mit dem Advokaten traf, ging ich durch Covent Garden zum Haus der Countess of Carlisle am Bedford Square, wohin sich Kate Beaumann nach Mr Ingrams Worten möglicherweise geflüchtet hatte.
Als ich die Stufen erklomm, fühlte ich mich wieder wie der kleine Junge, den man zum Hintereingang schickte, um neben dem Scheißhaufen auf eine Antwort zu warten. Mein alter Widersacher Jenkins öffnete die Tür. Entschlossen, meinen Weg ins Haus zu erzwingen, hatte ich meinen Fuß bereits gehoben, um ihn in die Tür zu stellen, doch er riss sie mit einer überschwänglichen Geste auf. Kein Muskel in seinem Gesicht regte sich, als ich erstaunt noch vorn stolperte. Er verbeugte sich.
»Sie erwarten Euch bereits, Sir.«
Sie? Erwarteten mich? Er führte mich hinauf in den ersten Stock. Die Decke über der Treppe war mit aufwändigem Rollwerk mit Blatt- und Blütenmotiven gestaltet. Schließlich geleitete er mich in einen getäfelten Salon. Möglicherweise entsprach es Lucy Hays Sinn für Humor, dass auf der einen Seite Porträts vom König und seinen Anhängern hingen, gemalt von Van Dyck, und auf der anderen Seite um einiges billigere Gemälde von Lely, die Bedford, Stonehouse und andere Lords zeigten, die das Parlament unterstützten. Jenkins kündigte mich mit großem Genuss und noch mehr Doppeldeutigkeit als den »Gentleman, den Ihr erwartet, Mylady« an.
Die Countess saß auf etwas, das für mich auf den ersten Blick wie ein Thron wirkte, doch es war lediglich ein dick gepolsterter Sessel mit kunstvoll vergoldeten Armlehnen. Der Elster-Anhänger, den sie in der Kutsche getragen hatte, funkelte an ihrem Busen. Sie deutete auf einen Stuhl, doch ich glaubte, sie reiche mir ihre Hand zum Kuss und beugte mich vor.
»Benehmt Euch nicht wie ein Narr«, sagte sie gereizt. Sie sprach wie damals in der Kutsche, als dürfe sie keine Zeit verschwenden. »Setzt Euch. Ihr habt meinen Brief bekommen?«
»Nein.«
Sie hatte ihn zum Half Moon Court geschickt. Ein Brief mit dem Siegel der Countess musste eine Sensation gewesen sein. Ich konnte mir gut vorstellen, wie Mrs Black ihn Sarah aus den fettigen Fingern riss, ihn ins Licht hielt und schließlich deutlich sichtbar auf den Kaminsims stellte, wo jeder Besucher ihn sofort entdecken würde. Ich war so hypnotisiert von diesem Gedanken, dass ich zuerst gar nicht merkte, dass sich noch jemand im Raum befand. Mit dem gestutzten Bart sah er aus wie ein lebensgroßes Abbild des abgenutzten Holzschnitts, den wir zusammen mit der Großen Remonstranz gedruckt hatten. Doch ich war nicht sicher, ob er wirklich echt war, bis er das Wort ergriff.
»Jetzt werden wir demnächst in seinen Skandalblättern auftauchen, Lucy«, sagte er, und dann, als ich weiterhin dastand, als hätte ich meine Zunge verschluckt: »Ihr seht aus, als hättet Ihr einen Geist gesehen.«
»Ich … ich hatte jemand anderen erwartet, Mr Pym.«
»Den König womöglich?« Er lachte dröhnend und deutete auf Lucy Hay. »Ich würde mich nicht mit ihr anlegen.«
»Eine … eine Dame namens Kate Beaumann«, stammelte ich. »Ich dachte, sie sei vielleicht hier.«
»Ich wünschte, sie wäre es«, sagte Lucy, dann zu Mr Pym: »Dies ist …«
»Ich weiß, wer er ist!« Anders als bei seinen donnernden Reden im Unterhaus, sprach er jetzt mit dem leicht undeutlichen Akzent aus Somerset, von wo er stammte. Er ergriff meine Hand. »Der Mann, der meine Prosa verstümmelt und mich aus dem House geschmuggelt hat … Thomas Neave. Oder soll ich lieber Stonehouse sagen?«
»Neave, Sir.«
»Nun gut, wir werden sehen.«
Er sah zu Lucy hinüber. Sie machte den Anhänger ab und hielt ihn vor eine Kerze. Er schüchterte mich ebenso ein wie der andere, wirkte jedoch eher schalkhaft und weniger bedrohlich. Die Elster hatte einen kleinen Haufen winziger Perlen in ihrem emaillierten Nest, vielleicht symbolisch für das Gerücht, das sie an einem Ort aufgeschnappt und zum nächsten getragen hatte, das Gerücht, das Mr Pym gerettet hatte.
Lucy Hay drückte auf einen Granat an der Seite des Nests, hielt ihn fest und drückte dann auf sein Pendant auf der anderen Seite. Instinktiv zuckte ich zurück, als die Elster auf mich zuflog. Im Inneren sah ich das Porträt eines Mannes, doch sie schloss den Deckel schnell wieder, ehe ich erkennen konnte, wer es war.
»Ach«, sagte Mr Pym. »Jetzt werden wir nie erfahren, für wen ihr Herz schlägt.«
Lucy erklärte mir, sie sei am selben Tag bei Hofe eingeführt worden wie Frances Stonehouse. Sie waren Freundinnen geworden und hatten dieselbe Art von Anhänger bei einem italienischen Juwelier bestellt. Durch Frances hatte Lucy Kate Beaumann kennengelernt, die auf dem benachbarten Landsitz lebte. Meine Geschichte hatte sie von Kate erfahren, die glaubte, Frances’ Anhänger sei verlorengegangen. Gleich nach ihrer Ankunft in Poplar hatte Matthew ihr erzählt, er habe ihn nie gesehen.