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Ich entdeckte, dass die Menschen, wo immer auch ihre Sympathien liegen mochten, die Grenze der Belastbarkeit bereits erreicht hatten. Sie wurden gezwungen, Soldaten bei sich einzuquartieren, gegen Gutscheine, die in vielen Fällen noch wertloser waren als Schuldscheine, und obwohl ich Geld hatte, vertraute mir niemand. Bis auf die Haut durchnässt, lockte mich der warme Kohlenmeiler eines Köhlers, doch als ich merkte, wie der Mann und sein Sohn mein Pferd und Gepäck beäugten, zwang ich mich, weiterzureiten. Meine neuentdeckte Liebe für das Land verwandelte sich in Furcht. Es war so dunkel wie in Mr Blacks Keller, nur dass das Rascheln und die Schreie nicht von Ratten stammten, sondern von Wölfen oder Geistern. Mein Pferd strauchelte. Ich hatte mich hoffnungslos verirrt. Mehr als alles andere war es meine Stadtnase, die mich schließlich rettete. Tabakgeruch führte mich zu einer Ansammlung von Gebäuden, die sich als der Außenbezirk von Beaconsfield entpuppte.

Eaton wartete Pfeife rauchend vor einem Gasthof. Der Regen schien ihm nichts auszumachen. Es tropfte von jedem Zipfel seines Hutes und Umhangs, während er höhnisch zu mir emporblickte. Diese Erwartung, dass ich zu ihm käme, dass ich von ihm abhing, erfüllte mich mit frischem Zorn. Ich trat Patch kräftig in die Seiten, doch sie weigerte sich, sich von dem Wasser fortzubewegen, das sie soff. Ich kippte nach vorne, griff halbherzig ins Geschirr und rutschte langsam vom Pferd. Der Stallbursche fing mich auf, als ich erschöpft zusammensank.

Eaton blickte auf mich herunter und zog paffend an seiner Pfeife. »Versucht es ruhig woanders, wenn Ihr wollt. Man wird Euch nicht einlassen.«

Ich schnauzte ihn an, ich sei nicht hungrig, aber der Duft eines Eintopfs dämpfte meinen Stolz. Nie zuvor oder danach habe ich so fest geschlafen. In der Dämmerung weckte er mich, beim erbarmungslosen Prasseln des Regens. Meine Kleider waren warm, aber immer noch feucht.

Wir schafften nicht mehr als ein Dutzend Meilen am Tag, manchmal weniger. Von beiden Seiten wurden wir beschossen. Es ist kaum zu glauben, aber in diesen ersten Tagen, und selbst später noch, wusste man nie, wer vor einem stand, ob Freund oder Feind. Wenn sie Uniformen trugen, gehörten sie einem Regiment an, doch das half nur wenig, wenn man sich in Schussweite befand und nicht wusste, ob sich der Regimentskommandeur für den König oder das Parlament erklärt hatte oder – wie es gar nicht so selten vorkam – mehrmals die Seiten wechselte. Nachdem eine Musketenkugel mir den Hut weggerissen hatte, hielten wir uns an die allgemein übliche, durch Mundpropaganda überlieferte Sitte und trugen fortan die orangefarbenen Halstücher der Roundheads, in der Hoffnung, dass wir zumindest nur noch vom Feind beschossen würden. Die Cavaliere trugen rote Tücher.

In den Gasthäusern entlang der Strecke erfuhr Eaton durch das Spionagenetz der Stonehouses die letzten Neuigkeiten. Essex hatte sich erfolgreich mit den Midland-Streitkräften in Northampton vereint, aber viele Männer in seinen Truppen waren ungeübte Freiwillige, schlecht genährt, unbezahlt und am Rande der Meuterei, bis frische Geldmittel aus London eintrafen. Zunächst hieß es, der König sei in Shropshire, dann in Worcester.

Ich weigerte mich, Eaton zuzuhören, wenn er sagte, niemand wüsste, was er täte, und erwiderte hitzig, dass Essex ein Veteran des Holländischen Krieges sei. Es mochte angehen, dass Prinz Rupert, der Vetter des Königs und gefürchteter Kommandeur der Kavallerie, ein oder zwei Scharmützel gewonnen hätte, solche wie jene, deren Zeugen wir geworden waren. Aber wenn die Streitkräfte des Parlaments sich erst zusammenschlössen, würden sie die Royalisten mit ihren Piken aufspießen!

»Wenn sie sich jemals finden«, sagte Eaton.

Es stimmte, dass es so gut wie keine Landkarten gab. Wegweiser, wenn sie denn existierten, wurden entfernt oder umgedreht, um den Feind zu verwirren. Bei dem Wetter und mit den sporadischen Kämpfen brauchten wir beinahe eine Woche, um nach Oxford zu gelangen, anstelle der zwei Tage, die Eaton veranschlagt hatte. Die Stadt war angeblich immer noch ängstlich neutral; die Universität stand rückhaltlos auf Seiten des Königs, die Bürger hingegen waren mehrheitlich für das Parlament. Es hatte aufgehört zu regnen, doch auf der Christ Church Meadow standen Wasserpfützen. Ehrfürchtig starrte ich auf das, was ich für die Turmspitzen von Kirchen und Kathedralen hielt und sagte, dies müsse ein sehr gottesfürchtiger Ort sein.

Eaton lachte. »An diesem Ort gibt es mehr Sünder als Heilige. Das sind die Colleges, die Stätten der Gelehrsamkeit«, sagte er sarkastisch. »Dort ist Magdalen, wo Richard Stonehouse das Spielen lernte.« Er zog seinen Hut tiefer und klappte den Kragen hoch. Ich fand, dass er so noch auffälliger aussah, obwohl die Krempe nun seine Narbe verbarg. Aber auch ich klemmte meinen Hut noch fester auf mein rotes Haar. »Ist er hier?«

»Die Stonehouses sind überall. Lord Stonehouse hat Teile der Stadt gekauft, die nicht den Colleges gehören.«

Als wir die Wiesen hinter uns gelassen hatten, noch vor der verfallenen Stadtmauer, sah ich es. Die groben roten Kreuze auf dem Flechtzaun waren verblasst, so dass sie kaum noch zu erkennen waren. Doch ich begriff sogleich, um was es sich handelte: an der aufgeworfen Tonerde, die mit weißen Streifen gekennzeichnet war, und vor allem an der Art und Weise, wie die Menschen diesen Ort mieden. Ich stand ganz still und starrte die Stelle an.

»Gehört ihm die auch?«

»Die Pestgrube? Die gehört den Toten«, sagte Eaton, für seine Verhältnisse beinahe heiter. »Wenn man Euch dort hineingeworfen hätte, hätten wir jetzt nicht diesen ganzen Ärger.«

Wir stellten die Pferde unweit der Pestgrube im Green Man unter, da Eaton meinte, die Stadt sei nicht sicher. Wir nahmen unsere orangefarbenen Tücher ab und begaben uns zu einem Gasthaus in der Nähe der Ortsmitte, das Dog and Pheasant, das zu klein und ärmlich war, um einen eigenen Stall zu besitzen. Eaton wollte nicht das Risiko eingehen, dass ich mich in die Nähe des Blue Boar wagte, wohin die Briefe für Matthew adressiert worden waren, obwohl ich zu bedenken gab, dass ich vermutlich leichter Auskunft erhalten würde als er. Mürrisch und verstimmt kehrte er vom Blue Boar zurück und sagte, er habe für eine Krone Informationen im Wert von vier Penny bekommen. Matthew war weg. Er hatte die Straße nach Woodstock und Chipping genommen, in Richtung Highpoint.

Wir gingen früh zu Bett, um, wie er sagte, am Morgen zeitig aufbrechen zu können. Doch ich hatte weniger als eine Stunde geschlafen, als ich hörte, wie die äußere Tür geschlossen wurde. Sein Bett war leer. Vom Fenster aus sah ich ihn auf die Straße hinaustreten. Den ganzen Nachmittag war ich eingesperrt gewesen, und, immer noch wütend, weil er mich nicht zum Blue Boar mitgenommen hatte, kletterte ich die Stiege hinab, um ihm zu folgen. Es war ziemlich dunkel, und es waren nur wenige Leute unterwegs, als er auf einen Platz zuschritt.

Voller Entsetzen blieb ich stehen, als ich einen Falken auf mich herabstarren sah. Er war so groß wie ein Rotmilan und wäre wie ein Stein auf mich gestürzt, wenn er nicht aus eben diesem Material bestanden hätte. Anstatt des sonst üblichen Holzschildes diente er als Zeichen für einen reichen Gasthof, das Stonehouse Arms.

Meine Furcht ließ mich in einen dunklen Torweg zurückweichen, und das war gut, denn in diesem Moment drehte Eaton sich um und starrte in meine Richtung. Er besaß die Konzentration eines Jägers, Augen und Ohren waren auf jede Bewegung, jedes Geräusch gerichtet. Ich wagte erst wieder zu atmen, als er sich umdrehte und in eine dunkle Gasse neben dem Gasthof einbog. Ich zögerte, ihm zu folgen, denn ich fürchtete, er könnte am Ende auf mich warten. Gelächter veranlasste mich, mich vorsichtig den erleuchteten Fenstern zu nähern. An einem Tisch, brüllend vor Lachen, entdeckte ich Captain Gardiner. Bei ihm war Richard Stonehouse. Mit den brennenden Kerzen vollführten sie zum Schein einen Schwertkampf. Wachs spritzte über das Essen und die Gläser, während sie sich zankten. Ein Mann saß dabei, nippte an seinem Wein und beobachtete sie mit einer Mischung aus Nachsicht und Widerwillen. Der scharf gebogenen Nase und seinen Augen nach zu urteilen – obgleich diese teilweise hinter dicken Gläsern verborgen waren – konnte es sich nur um Edward Stonehouse handeln.