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Eaton öffnete die Augen. »Lasst mich hier! Überlasst Ihnen Euer Pferd und rennt, was Ihr könnt!«

Ich kroch zurück, um sein Bündel zu holen, und ein weiterer Schuss krachte. Entweder luden sie ihre Waffen unglaublich schnell nach, oder es hatten sich noch weitere Cavaliere zu ihnen gesellt. Eatons Bündel war bei seinem Sturz aufgegangen, und ich zog sein zweites Hemd heraus. Er versuchte sich aufzurichten und erneut zu protestieren, keuchte indes vor Schmerz auf und sank zurück. Ich drehte ihn um, riss den Rücken der Jacke mit meinem Messer auf und zuckte beim Anblick der Wunde zusammen. Unablässig sickerte Blut daraus hervor. So fest ich konnte stopfte ich das Hemd darauf und drehte ihn wieder auf den Rücken, damit sein Gewicht half, die Blutung zu stillen. Sein Blick begann glasig zu werden, wie bei einem Toten, und ich konnte meine Schluchzer nicht unterdrücken, als ich mich neben ihn kniete und daran dachte, dass ich einst alles dafür gegeben hätte, ihn tot zu sehen. Jetzt hingegen würde ich alles dafür geben, dass er am Leben blieb. Ich betete zu Unserem Vater, wenn man es denn ein Gebet nennen konnte, denn die Worte blieben mir im Halse stecken.

Das Gebet brachte etwas Leben in seinen Blick zurück, doch ich fürchte, nicht in seine Seele, denn es war ein wütender Lebensfunke. »Lasst das! Lasst mich sterben! Es ist besser für Euch! Geht!«

Er stieß mich fort. Ich verlor das Gleichgewicht, und als ich mich wieder aufrappelte, sah ich eine Bewegung zwischen den Bäumen. Einer der Cavaliere stürzte zu einem Baum nicht weit von mir entfernt. Eatons Hand schwebte zitternd über seinem Leib, als versuchte er immer noch kraftlos, mich fortzustoßen. Durch die letzte Baumreihe konnte ich den Springbrunnen sehen, durch den die Wandpfeiler des Hauses in der Luft zu flimmern schienen. Er hatte recht. Ich konnte das Pferd zurücklassen und durch die Bäume entwischen. Doch stattdessen war es, als hätte er mich mit seiner unbeteiligten, bitteren Wut auf das Leben angesteckt. Ich hob das Steinschlossgewehr auf und schlängelte mich hinter Eaton entlang, der jetzt vollkommen still war. Wie tot lag ich da und benutzte Eaton als bequeme Stütze für die Pistole. Als der Cavalier losrannte, wartete ich, wie Eaton es getan hatte, und schoss ihn mit einem Teil seiner kalten Wut nieder.

Als ich beobachtete, wie er fiel, hörte ich ein Geräusch hinter mir und drehte mich um, doch es war zu spät, um dem auf meinen Kopf niedersausenden Pistolengriff auszuweichen.

28. Kapitel

Der Himmel hatte sich wundersamerweise in ein schmerzhaftes Blau verwandelt, über den perfekt geformte weiße Wolken glitten. Neun Musen ritten auf den Wolken, die von Putten mit rosigen, fetten Wangen weggepustet wurden. Diese wurden ihrerseits von Ziegen gejagt. Ziegen im Himmel? Eine von ihnen schien eine Wolke zu fressen, feine Wedel davon klebten in ihrem Bart. Ich hörte sie schmatzen, die Hufe klapperten über den Himmel, als sie sich ein weiteres Stück Wolke nahm. Überraschenderweise gab es im Himmel Schmerz. Das Licht war so hell, dass ich gezwungen war, meine Augen zu schließen. Mühsam drehte ich mich um, stellte fest, dass ich tatsächlich noch einen Leib besaß, wenngleich er hauptsächlich aus Striemen zu bestehen schien.

Das glich eher dem Fegefeuer, mit quälenden flüchtigen Blicken auf den Himmel. Ja, ich schwebte zwischen zwei Orten, denn ich hörte die Hufe und roch den Gestank der Ziege, als sie sich über mich beugte.

»Tom … Tom …«

Ich öffnete die Augen einen Spalt und ergriff den Bart der Ziege.

»Er ist echt!«

Die Ziege hatte sich in Will verwandelt. Der Himmel kippte, Putten und Ziegen stürzten auf mich zu, richteten sich selbst wieder auf, als ich gnädigerweise aus dem blendenden Sonnenlicht der Fenster getragen wurde und meine Sinne langsam wieder zurückkehrten. Über mir schwankte eine schnörkelverzierte Zimmerdecke, während ich auf einer improvisierten Trage aus dem Umhang eines Soldaten und zwei Spießen getragen wurde.

Big Jed grinste zu mir herunter. »Eine friedliche Verwendung für die Spieße«, sagte er. »Steht nicht in der Dienstvorschrift.«

Er und ein anderer Soldat legten mich in ein Rollbett in einem Gesellschaftszimmer, in dem Luke saß, neben einer Statue von Mars, an dessen Schwertarm eine Muskete hing, und einer anderen Statue von Minerva, die mit Umhängen und Bündeln behängt war. Die Marmorfliesen waren grau vom Matsch.

»Willkommen zu Hause«, sagte Luke. Mühsam stützte ich mich auf die Ellenbogen, starrte auf das nicht zusammenpassende Durcheinander aus klassischen Statuen und trocknenden Kleidern, auf Will, der an einer Säule lehnte, und Luke, der es sogar an diesem Ort schaffte, ein sauberes Hemd mit sorgfältig umgeschlagenen Spitzenmanschetten zu tragen. »Das ist doch Euer Landsitz, oder? Nicht schlecht, verglichen mit anderen.«

Äußerst behutsam setzte ich mich noch weiter auf. Von dem Zimmer aus konnte ich in die große Halle blicken, aus der sie mich geholt hatten, durch zerschlagene Fenster, die auf eine Allee hinauswiesen, die breit genug für drei Kutschen nebeneinander war. Es war windstill, und die Fontäne des Springbrunnens schien reglos in der Luft zu stehen. Dahinter lagen Gärten, die kaum merklich zum tiefer liegenden Fluss abfielen. Auf der anderen Seite stieg das Land vom schnellfließenden Wasser bis zur Wildnis des Great Forest wieder an. Ich verstand, was Pym gemeint hatte, als er von der Macht gesprochen hatte. Könige hatten hier übernachtet, und um ihnen einen angemessenen Rahmen bieten zu können, hatten Lord Stonehouse’ Vorfahren sich fast in den Ruin gestürzt.

Während ich mich voller Ehrfurcht umschaute, erzählte Will mir, dass sie in der Schlacht von Highpoint gegen eine starke Einheit von Cavalieren gekämpft hatten. Er sprach abgehackter als früher, gleichgültiger, als würde er seinem Oberst Bericht erstatten.

»Sie hatten Pferde, und wir waren natürlich zu Fuß, also hatten wir auf offenem Feld keine Chance. Mit den Spießen haben wir sie am Fort eine Weile aufgehalten, obwohl wir dabei ein paar gute Kameraden verloren haben, was Luke?«

Luke sagte nichts. Er holte etwas Tabak und eine Pfeife aus seinem Bündel.

»Wir zogen uns wohlgeordnet ins Haus zurück …«

»Wir haben uns vor Angst in die Hosen gemacht.« Luke riss den Pfropfen von Mr Ormondes bestem süßen Virginia ab. Seine Hände zitterten.

Will fuhr fort, als hätte er ihn nicht gehört. Später begriff ich, dass sie beide nach dem, was sie erlebt hatten, unter Schock standen, indes verschieden reagierten. Will sprach unaufhörlich und erteilte den vorbeikommenden Soldaten Befehle. Luke war so respektlos wie immer, doch seine Witze hatten einen bitteren Beigeschmack bekommen.

»Ihre Armee stürmte die Auffahrt dort hoch.« Will nahm sein Schwert, stützte sich auf Mars und deutete durch die zerschmetterten Fenster.

»Alle zwölf Mann«, murmelte Luke.

»Wir lockten sie mit einer Finte herein und auf dem Treppenabsatz dort oben in einen Hinterhalt. Sie flohen in Unordnung, aber wir hatten ihre Pferde sichergestellt …«

Die Pfeife fiel Luke aus den Fingern, als er den Tabak hineinstopfte, und zerbrach auf den Fliesen. Er fluchte. »Komm schon, Will. Sie kamen, um zu plündern! Wir sind nach oben gerannt, um uns zu verstecken. Ich hatte Glück, als ich auf einen der Bastarde schoss, und du hast einem anderen Caesars Büste übergebraten. Als sie versuchten zu fliehen, haben ein paar unserer lieben Kameraden sich ihre Pferde geschnappt, sind desertiert und haben sich zurück nach London verpisst. Ich wünschte, ich hätte mich ihnen angeschlossen.«

Er grinste, doch ich glaubte, dass er nur zur Hälfte scherzte. Jetzt, wo er keine Pfeife mehr hatte, drehte er an seinem Ehering, auf dem eingraviert stand: KEIN HERZ SO TREU WIE MEINES ZU DIR.