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»Ich bin Vater geworden«, sagte er. »Ich habe einen Brief von Charity bekommen.« Neidisch starrte ich auf den Ring, als er ihn küsste. Er hatte sie wahrhaftig gehalten und die Mysterien der Liebe entdeckt; was immer geschah, sie würden zusammen sein. Wenn ich dagegen im Wald gestorben wäre, hätte sich meine Seele nur mit den verrottenden Blättern vermengt, ohne dass ich herausgefunden hätte, wer mein Vater war oder selbst einer geworden zu sein. Die Melancholie und ein Gefühl der alten Verbundenheit mit Luke über die Angelegenheiten des Herzens ließen mich die Arme ausstrecken, um ihn zu umarmen, doch er schob mich zurück.

»Du stinkst, Neave!«

Diesen Namen zu hören, bedeutete ebensoviel Trost wie eine Umarmung. Es fühlte sich so wahrhaftig an wie ein Stück Brot, während Stonehouse und dieser wunderbare Ort den Gehalt eines Steins der Weisen hatten, den die Alchimisten stets an einem Tag entdeckten, nur damit er am nächsten Tag wieder verschwunden war.

Ich fragte, ob Richard Stonehouse zu der Bande gehört hatte, die sie angegriffen hatte. Auf keinen der Männer passte seine Beschreibung. Will hatte gehört, dass er zu Pferd unterwegs sei, um sich Prinz Rupert in der Nähe von Banbury anzuschließen. Falls das stimmte, war es sowohl beruhigend als auch verwirrend, denn ich konnte nicht nachvollziehen, warum Richard Highpoint nicht eingenommen hatte. Vielleicht, so dachte ich, war der Ruhm, mit Prinz Rupert zu reiten, größer als die Sehnsucht nach seinem Erbe.

Die Männer, die versucht hatten, unsere Pferde zu stehlen, waren der kümmerliche Rest des Trupps, der Highpoint angegriffen hatte. Luke sagte, sie hätten die Schüsse gehört, und er konnte seine Männer gerade noch davon abhalten, mich zu töten, als er mein rotes Haar sah.

»Was ist mit dem Mann geschehen, der bei mir war?«, fragte ich.

»Wir haben ihn mit hierher genommen«, sagte Will. »Schließlich war er mit Euch zusammen.«

»Er hat uns verflucht. Hat gemeint, wir sollten ihn lassen, wo er war. Netter Kamerad«, sagte Luke.

Ich sprang auf. »Er lebt?«

Luke zuckte mit den Schultern. »Inzwischen ist er wahrscheinlich tot.«

Die Verwundeten wurden nur selten versorgt. Als Edelmann oder wenn der Rang hoch genug war, wurde man möglicherweise von einem Wundarzt behandelt, doch anschließend wurde man bei einer unwilligen Familie einquartiert, die einen pflegen sollte. Wills Einheit bildete eine Ausnahme. Ben bestand darauf, dass jeder Verwundete ungeachtet seines Ranges eingesammelt wurde, andernfalls würde er die Truppe verlassen.

Er stand am Ende des langen Tisches, an dem normalerweise die Diener aßen. Es gab ein paar Rollbetten, aber die meisten verwundeten Soldaten waren auf Stroh gebettet, das man auf dem Tisch ausgestreut hatte.

»Wartet!«, schnauzte Ben. Er band gerade eine primitiv hergestellte Schiene an den Arm eines Mannes, der vor Schmerz stöhnte. Er drehte sich zu mir um. »Zieh das schmutzige Hemd aus. Verschwinde, Luke!«

»Ben, das ist …«

»Ich weiß, wer das ist.«

Luke entfernte sich. Ich zog das Hemd aus und sah zu, während Ben seinen Patienten warnte, nicht zu versuchen, die Schiene zu lockern, denn je fester sie saß, desto rascher würde der Knochen heilen. Der freundliche Mann, den ich in London gekannt hatte, war verschwunden. Bens Unterlippe war trotzig nach vorn geschoben. Seine blasse Haut war grau vor Erschöpfung, und er arbeitete mit zäher Verbitterung. Auf einem der Rollbetten entdeckte ich Eaton oder zumindest seine Narbe. Sie hob und senkte sich gleichmäßig. Wovor ich einst vor Angst davongerannt war, darauf rannte ich jetzt zu, fiel auf die Knie und dankte Gott.

»Lasst das!«, murmelte Eaton unruhig. »Hört auf damit.« Er war so heiß, dass ich das Gefühl hatte, vor einem Ofen zu knien. Seine Stirn schien vor Schweiß zu knistern und Blasen zu schlagen, und die Kräuter, mit denen Ben versucht hatte, sein Fieber zu stillen, hatten einen süßen Duft über ihn gelegt. Unvermittelt stieß er einen Schrei aus. »Ich habe es für Highpoint getan. Seht Ihr es? Haltet es zusammen!« Er drückte meine Hand mit einem Griff, der nichts von seiner alten Kraft hatte.

»Ich bin’s, Tom.«

»Tom?« Er schlug die Augen auf, doch ich weiß nicht, wie viel er erkannte. »Tom? Sagt ihm, dass er abhauen soll. Jetzt. Ehe es zu spät ist.« Kraftlos stieß er mich fort. Ich verlor das Gleichgewicht, und eine andere Hand packte mich.

»Lass ihn in Ruhe!«, rief Ben wütend. Er rief einen Krankenwärter zu Eaton und führte mich fort. »Ich versuche, das Fieber des Mannes zu senken, und du treibst es in schwindelnde Höhe!«

Ich entschuldigte mich. »Wird er überleben?«

Ben zuckte mit den Schultern. »Die Kugel ist nicht steckengeblieben und hat den Knochen nur gestreift. Sein Verstand ist offensichtlich stärker mitgenommen als sein Körper – er scheint nicht mehr leben zu wollen. Was hast du mit ihm angestellt?«

»Ich? Nichts.«

»Er schimpft unaufhörlich über dich. Wer hat ihm das Hemd in die Wunde gestopft?«

»Ich. Tut mir leid. War das falsch?«

»Es war eine Heidenarbeit, es wieder abzukriegen, aber wahrscheinlich hast du ihm damit das Leben gerettet.« Er kratzte sich am Kopf. »Deshalb verstehe ich nicht, warum er so wütend auf dich ist.«

29. Kapitel

Highpoint hatte sich in zwei Welten aufgeteilt. Während des Kampfes waren die meisten Bediensteten geflohen. Die Soldaten hielten das Erdgeschoss besetzt, während der erste Stock, der nahezu unberührt geblieben war, von der Gehilfin der Haushälterin besorgt wurde. Sie war, wie Will mir erzählte, eine ruhige Frau, doch sie war fromm bis zum Dorthinaus, und die Soldaten wagten sich nicht nach oben, um ihr nicht über den Weg zu laufen. Meistens kümmerte sie sich um die eigentliche Haushälterin, die schwerkranke Mrs Morland – Janes Mutter. Sie war oben geblieben und hatte ihre Patientin gepflegt, während die Soldaten auf der nahegelegenen Galerie schossen. Soldatengeschichten wuchsen beim Erzählen wie Berichte auf Flugblättern, und es gab bereits die Legende, dass sie während des Feuers hinaus auf die Galerie trat, die Soldaten wegen ihrer Flüche tadelte und ihnen anschließend aus der Bibel vorlas.

Eatons Zustand verschlechterte sich, sein Fieber stieg. Ben weigerte sich, mich zu ihm zu lassen, und so beschloss ich, dass ich allein Matthews Spur wieder aufnehmen und den Anhänger aufspüren würde. Ich fand das Bündel, das ich im Wald verloren hatte. Der Inhalt war größtenteils verschwunden, aber der Brief, den ich für Jane an ihre Mutter geschrieben hatte, war immer noch da. Ich beschloss, Mutter Predigerin, wie die Soldaten die ihren Dienst versehende Frau nannten, zu trotzen, sowohl, um mein Versprechen, das ich Jane gegeben hatte, einzulösen, als auch in der Hoffnung, herauszufinden, was in diesem Haus geschehen war, als ich geboren wurde.

Oben schritt ich durch ein Labyrinth aus leeren, hallenden Korridoren, in denen ich niemandem begegnete, und blieb wie gelähmt stehen, als ich zu einem riesigen Raum kam. Nie zuvor hatte ich solch eine Bibliothek gesehen. Inmitten der Regale voller unschätzbar wertvoller Bücher hing ein Porträt von Lord Stonehouse mit verträumtem Blick. Seine Finger ruhten auf einem Buch, bei dem es sich, wie ich bei näherer Betrachtung feststellte, um Machiavellis Der Fürst handelte. Auf einem Schriftband über den Regalen stand gemalt: Homo doctus in se semper divitias habet – Ein gebildeter Mensch hat immer Reichtum in sich.

Und Macht, dachte ich, symbolisiert durch das Buch in dem Gemälde. Woher sonst stammte der Reichtum, um sich die Bildung zu erkaufen? Hier gab es Hunderte von Büchern, und jedes einzelne kostete so viel, wie ein Tagelöhner in mehreren Jahren verdiente.

Irgendwo wurde eine Tür geöffnet und geschlossen. Ich rannte hinaus auf den Korridor, sah indes niemanden. Ich ging einen anderen Gang entlang, in dem flämische Gemälde der Jahreszeiten hingen. Am Ende befanden sich zwei Doppeltüren, zu denen es mich hinzog. Ich brauchte das Porträt von Frances Stonehouse nicht zu sehen, um zu wissen, dass es ihr Schlafzimmer war. Gegenüber ihrem Bild hing eines von James I. Der Raum war makellos sauber, doch die Eichenmöbel besaßen eine düstere, brütende Schwere, die einer vergangenen Ära angehörte. Ein verblichener, zerschlissener Teppich bedeckte einen Tisch. Halbabgebrannte Kerzen, in den Haltern versteinert, waren genau so belassen worden, wie sie ausgelöscht worden waren, nachdem Frances gestorben war. In diesem Raum hatte Charles, dessen Volk im Begriff war, einander zu bekämpfen, den Thron noch nicht bestiegen. Alles hier drin war vor mehr als zwanzig Jahren zum Stillstand gekommen.