»Ach wirklich«, murmelte ich.
»Ich habe gesehen, wie der Bastard geboren wurde …«
Kate ergriff meinen Arm. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck der Empörung, weil ich eine sterbende, verwirrte Frau ausnutzte, wie sie es später darstellte. Ich schüttelte Kate ab, denn nach dem, was Mrs Morland über Jane gesagt hatte, empfand ich keinerlei Skrupel.
»Der alte Bock«, lachte die alte Frau nun auf.
»Der alte Bock?«
»Euer Vater! Er hatte geplant, Margaret Pearce zu heiraten.«
»Lord Stonehouse?«, sagte ich verblüfft.
»Ihr habt sie alle geliebt – Ihr wegen ihres Aussehens. Edward wegen ihrer guten Werke. Mylord wegen beidem. Ich weiß, was er im Sinn hatte!« Ihre Hände bebten, irgendetwas brachte sie nach all diesen Jahren immer noch derart in Rage, dass sie die Worte ausspie. »Er sagte mir, er wolle Lady Frances’ Zimmer neu gestalten!«
Unvermittelt furchte sich ihre Stirn vor Schmerz, und sie klammerte sich an meine Hände. Kate gab ihr ein Stärkungsmittel, das sie mit leisen Grunzlauten schluckte, ohne meine Hände dabei loszulassen. Als Mrs Morland die Augen schloss und in das Kissen zurücksank, drängte Kate mich erneut zu gehen. Doch als die alte Haushälterin begann, schläfrig vor sich hin zu murmeln, lauschte Kate genauso aufmerksam wie ich.
»Dieser Tag … letzter Tag des Sommers. Kälte kam. Regen in der Luft. Mylord wird aus London erwartet. Jedes Feuer vorbereitet, jede Oberfläche poliert! War in Myladys Zimmer, ließ die Tür offen. Margaret Pearce im Gang. Sagt, sie hätte sich verlaufen. Verlaufen! Und dann war der Anhänger gestohlen!«
Sie rang um Atem, und es dauerte einige Zeit, ehe sie fortfuhr. »Mylord kam spät … schwarz wie die Wolken, die über dem Wald aufzogen. Pferd hatte ein Huf verloren … und der Stallbursche seine Stellung.«
Sie lachte leise, öffnete die blassblauen Augen ein zitternden Spalt weit und versuchte, mich zu direkt anzublicken. »Ihr habt Euch rar gemacht! Genau wie Edward! Aber sie nicht! Bei ihr schmolz er dahin wie Zucker im Wasser. Sie waren in der Bibliothek … ›Ihr wisst, wie lange ich Euch schon liebe‹, sagte Mylord.«
Ich hatte den Eindruck, dass sie phantasierte und anfing, Unsinn zu erzählen. Ich versuchte, ihren Griff zu lockern, doch auf der Stelle schlossen sich ihre Finger wieder um meinen Arm.
»Wart Ihr dabei?«, fragte ich sie.
Die Erinnerung schien ihr frische Kraft zu geben, und sie sprach nun lauter weiter: »Natürlich war ich dabei! Was meint Ihr, wozu Schlüssellöcher gut sind – für Schlüssel?«
Sie hustete vor Lachen über ihren eigenen Witz, rang erneut nach Atem, um schließlich noch eindringlicher fortzufahren. »Sie stand einfach da. Mir erging es nicht anders, das kann ich Euch sagen!«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie lachte.«
»Sie hat gelacht?«
Mrs Morland setzte sich auf. »Die Hure lachte! ›Ihr versteht nicht‹, sagte er. ›Ich bitte Euch, mich zu heiraten.‹ ›Darum bin ich gekommen, um mit Euch darüber zu sprechen, Mylord‹, sagte sie. Unverschämt! Genau das war sie! Ich dachte, das Ende der Welt würde kommen. Und es kam. Für sie.«
Sie bewegte hektisch den Kopf, als versuchte sie durch ein Schlüsselloch zu schauen.
»Konnte sie nicht sehen. Dreimal die Glocke. Das galt mir. Dreimal für Mrs Morland für Ärger im Haus, zweimal für Mr Eaton für Ärger draußen. ›Die Dame ist ohnmächtig geworden‹, sagte er. Ohnmächtig! Ich konnte den Schädel spüren, als ich ihr meine Hand reinschob … verzeiht meine Sprache, Mr Richard, aber ich weiß, dass Ihr ein Mann von Welt seid. ›Die Dame erwartet ein Kind, Mylord‹, sagte ich. Er wurde weiß wie dieses Laken! Ich übernahm das Kommando. Er hatte sich selbst schon genug zum Narren gemacht, indem er den Bastard gezeugt hatte. Und das hier war Frauensache.«
»Woher wisst Ihr, dass ich … es sein Kind war?«
»Natürlich war der Bastard von ihm! Er war schließlich den ganzen Sommer hinter ihr her gewesen, oder etwa nicht? Wenn Eaton seine Aufgabe ordentlich erledigt hätte, würdet Ihr jetzt nicht in solchen Schwierigkeiten stecken – aber Ihr werdet Euch um ihn kümmern, Mr Richard, das werdet Ihr doch … Ihr seid zurückgekommen, ganz wie Ihr gesagt habt, damit Ihr Euch um ihn kümmert …« Ihre Stimme flackerte wie eine verlöschende Kerze. Sie lehnte sich in das Kissen zurück, und die strengen Linien ihres Gesichts entspannten sich, als hätte sie all ihre Sünden gebeichtet und hätte so ihren Frieden mit der Welt geschlossen. »Übel und Schande von diesem Haus fernhalten. Mehr … wollte ich … nie.«
30. Kapitel
Die kalte, rohe Grausamkeit von Mrs Morlands Schilderung traf mich und ließ mich wie betäubt zurück. Alle anderen Personen konnte ich mir vorstellen, doch obwohl sie in so grellen Farben gezeichnet wurde, blieb meine Mutter, Margaret Pearce, eine schemenhafte Gestalt. Trotz allem, was Mrs Morland gesagt hatte, war es schwer zu glauben, dass Lord Stonehouse mein Vater war. Meine bevorstehende Geburt schien ein Schock für ihn gewesen zu sein. Eaton hatte mir erzählt, dass Kate ihn um den Namen eines Pfarrers gebeten hatte, der heimlich eine Ehe schließen würde. Der Besuch meiner Mutter bei Lord Stonehouse hatte gewiss etwas damit zu tun. Was für ein Narr war ich gewesen! Die ganze Zeit hatte ich nach meinem Vater gesucht, dabei lag der Schlüssel zu allem mit Sicherheit bei meiner Mutter. Ich beschloss, auf der Stelle noch einmal mit Kate zu sprechen, doch in dieser Nacht starb Mrs Morland.
Jetzt, nachdem sie scheinbar Richard gegenüber ihre Seele erleichtert hatte, blieb ihr im Leben nichts weiter zu tun. Und es sah aus, als würde Eaton ihr in Kürze folgen. Ben war ausnahmsweise einmal kein Trost, ganz im Gegenteil. Normalerweise zeigte er gleichermaßen Interesse am Patienten wie an der Krankheit; in diesem Fall wurde er von Eaton abgewiesen, entwickelte jedoch eine, wie ich fand, makabre Faszination für die Krankheit, die er als Erkrankung der Seele beschrieb.
»Sieh dir die Wunde an«, sagte er zu mir, als unterrichte er einen Schüler. »Sie ist fast verheilt. Aber die Körpersäfte sind so aus dem Gleichgewicht, dass sie an anderer Stelle hervorbrechen.« Er deutete auf die Narbe, aus der gelber Eiter sickerte, und machte eine Notiz in seinem Kollektaneenbuch, das er jeden Tag auf den neuesten Stand brachte. Er hatte eine Zeichnung von der Narbe angefertigt, welche, wie er sagte, interessanterweise in den letzten zwei Tagen an Größe gewonnen hatte. Er schloss das Buch. »Er will weder essen noch trinken. Er hat noch einen Tag, vielleicht zwei. Es tut mir leid, dass ich ihn nicht auf seinem letzten Weg begleiten kann.«
»Warum nicht?«
»Hast du es nicht gehört? Wir brechen auf.«
Tatsächlich. Ich war so von Mrs Morland und meinen eigenen Problemen in Anspruch genommen gewesen, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie die Männer den Gepäckkarren beluden, um am nächsten Morgen in der Dämmerung aufbrechen zu können. Ich bat Will eindringlich, eine kleine Gruppe Männer hierzulassen, um Highpoint House zu verteidigen, da Mrs Morland mit Richards Rückkehr gerechnet hatte. Will weigerte sich. Er hatte bereits zu viele Männer verloren. Dem König war es gelungen, Shrewsbury zu erreichen, und es wurde befürchtet, dass er jeden Moment einen Ausfall wagen und in Richtung Süden auf London zumarschieren würde. Essex war in Worcester, und Will hatte eine Eildepesche erhalten mit der Aufforderung, sich ihm anzuschließen.
In jenem Herbst regnete es beinahe ununterbrochen, die Pausen waren nur von kurzer Dauer, und der Regen drohte jeden Moment wieder einzusetzen. Ich fand Kate im Küchengarten, wo sie Kräuter sammelte. Die Ränder ihres Umhangs waren dunkel von der Nässe, und Tropfen hingen an ihrem Handrücken, während sie Majoran schnitt.