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»Das steht mir zu!«, sagte Margaret. »Darum wurde ich betrogen! Ich wollte mit dem Vater des Kindes fortgehen.«

»Seinem Vater?«

»Einem seiner Väter. Heute Abend. Heute Nachmittag. Alles, was wir brauchten, war Geld.«

Einer seiner Väter? Was phantasierte sie da? Margarets Miene spiegelte Gerissenheit und Wahnsinn, und die Worte kamen stoßweise aus ihrem Mund, so wie das Kind aus ihrem Leib gekommen war. Gleichwohl ergab ihre Rede einen furchtbaren Sinn. Sobald Eaton den Schuldschein für das Land gebracht hätte, wären sie aufgebrochen. Das Kind sollte später heimlich geboren werden und nicht so plötzlich, ausgelöst durch die Krise. Die Worte quollen aus ihr hervor, voll inbrünstiger, heftiger Rachegefühle. Sie klammerte sich mehr an den Anhänger, als dass sie das Kind festhielt, sagte, es sei ihr Zugriff auf den Kindsvater, denn das Geheimfach enthielte den Beweis, wer er war. Doch allmählich, erschöpft und ausgelaugt, wie sie war, lockerte sich ihr Griff um den Anhänger, und Kate glaubte, dass sie auch das Leben langsam losließ. Margaret murmelte, dass, wenn ihr irgendetwas zustieße, Kate für das Kind sorgen solle, wiederholte unablässig, dass der Hinweis auf den Vater sich in dem Porträtfach befände, und fiel schließlich in einen tiefen, aber unruhigen Schlaf.

Kate nahm den Anhänger aus Margarets schlaffen Fingern. Der Wind riss ihr die Tür der Bauernkate aus der Hand, sobald sie diese entriegelt hatte. Den Anhänger warf sie so weit weg, wie sie nur konnte.

Das Kind schlief in der Wärme der Mutter. Die Schlange, die es mit ihr verband, hatte ihr sonderbares Pochen eingestellt. Kate biss sie nahe am Bauch des Kindes ab, wie sie es einmal bei einer Hebamme gesehen hatte, und obwohl es sinnlos war, wenn man bedachte, was sie vorhatte, band sie den Rest sorgfältig ab. Dann versuchte sie, den Jungen zu ersticken. Er trat um sich, kämpfte und schrie. Seine Mutter rührte sich. Kate begann zu weinen und versuchte es erneut. Sie konnte es nicht. Sie stellte fest, dass sie immer noch die Leinenschürze trug, die sie stets bei ihren Handarbeiten trug. Sie wickelte sie um das Kind und brachte es zu der ungeschütztesten Stelle, die sie finden konnte, wo der Ostwind über ein offenes Feld schnitt und es keinen Schutz vor dem Regen gab. Dann schlief sie vor dem Feuer ein, ebenso erschöpft, als hätte sie selbst ein Kind geboren.

Das ferne Geräusch eines Karrens weckte sie. Sie rannte zum Feld. Das Kind war kalt, nass und vollkommen reglos. Sie hastete mit ihm zur Bauernkate zurück. Es schien ewig zu dauern, bis der murmelnde, fluchende Karrenlenker endlich auftauchte und an die Tür klopfte. Es war ein Schock, als sie die Tür öffnete und sah, dass es Matthew Neave mit dem Pestkarren war.

»’N Abend, Miss Beaumann.«

Als sei es ein ganz normaler Abend, eine ganz normale Angelegenheit!

»Er sieht nicht aus wie ein Pestkind, Miss Beaumann.«

Diese gerissene Art, sie kaum anzusehen, sie indes gleichwohl anzuklagen, als sei sie mitschuldig, mithin verantwortlich! Dies brachte all ihren Zorn in ihr hervor, die gottesfürchtige Seite in ihr, und sie war so verbittert wie Mrs Morland, als sie ihm das Kind, kalt wie ein Stein, hinschob. »Für uns ist er die Pest, Matthew!«

Matthew zuckte mit den Schultern, nahm ihn und ging pfeifend davon. Pfeifend! Als hätte er ein Vermögen gemacht! Sobald sie die Tür zuknallte, setzten die Schuldgefühle ein. Sie hatte die Sünde aus der Tür geschoben: Warum blieb sie trotzdem bei ihr? In ihr? Sie vernichtete alle Spuren einer Kindsgeburt, warf die Schlange ins Feuer, wo sie sie anzuzischen und nach ihr zu speien schien. Doch sie konnte sich nicht von dem Gefühl reinwaschen, eine Todsünde begangen zu haben. Was umso schlimmer war, da sie den Grund dafür nicht verstand. Es war nicht ihr Kind, nicht ihre Sünde, sie hatte nur ihre Pflicht erfüllt, doch so war es. Sie spürte immer noch seine schlüpfrige Wärme in ihren Armen, hörte seinen ersten Schrei.

Der gutherzige Henry hatte für den nächsten Tag einen freundlichen Karrenlenker aufgetan, der sie nach Hause brachte. Margaret hatte Fieber. Der Wahnsinn, der in ihr gesteckt hatte, als Kate und Mrs Morland sie in Highpoint hinaus zur Kutsche gebracht hatten, hatte in ihrem Verstand Wurzeln geschlagen. Manchmal wusste sie von dem Kind, manchmal nicht. Manchmal war sie auf dem Weg nach Highpoint, um ihren Liebhaber zu treffen, aber welchen Liebhaber, wurde niemals klar. Ständig phantasierte sie von dem Anhänger. Sie musste den Anhänger holen. Kate musste ihn sehen! Den Anhänger zu nehmen, bedeutete seine Frau zu nehmen und seine Frau zu werden. Sie sprach von einer Heirat, manchmal war es, als würde sie die Zeremonie mit Kate durchgehen, doch ob diese Eheschließung ein Phantasiegebilde war oder tatsächlich stattgefunden hatte, war unmöglich zu sagen. Stets endete ihr unzusammenhängendes Gefasel bei dem Anhänger. »Pass gut darauf auf«, pflegte sie zu sagen. »Es ist der Schlüssel zu allem. Pass gut auf den Anhänger auf.« Sie lebte noch zwei Monate, ehe sie starb.

Lord Stonehouse verweigerte ihr ein Begräbnis in der Kirche von Highpoint, also wurde sie in Shadwell begraben, dort, wo das Gesinde beerdigt wurde. Eaton kam zum Trauergottesdienst, doch Kate war mit knapper Not höflich zu ihm. Er war so rüpelhaft und ungehobelt wie eh und je, die ganze Angelegenheit schien ihn unberührt zu lassen. Sie konnte nicht fassen, dass sie einmal etwas für ihn empfunden hatte, dass sie hinter dieser Grobschlächtigkeit etwas gesehen hatte … nun, das war jetzt egal. Sie verschloss ihre Ohren vor seinen Worten, außer, als er sie fragte, ob sie die Geschichte über Matthew Neaves Wunderkind gehört habe. Da ging sie auf ihn los. Sie habe getan, was Lord Stonehouse wollte, rief sie. Das Kind war tot!

Wunderkind! Als sie beobachtete, wie Eaton davonritt, wusste sie, dass er es überprüfen würde. Es war eines der Dinge, die sie an ihm gemocht hatte – er überprüfte und prüfte noch einmal nach und überließ niemals etwas dem Zufall. So wie sie es getan hatte. Er würde es überprüfen, und sie wusste, was er dann tun würde.

Kate befahl dem Karrenlenker, sie zu Matthews armseliger Bruchbude zu fahren, auch wenn sie meilenweit entfernt war. Als sie das Kind sah, bei dem sich bereits die ersten roten Strähnen zeigten, fiel sie auf die Knie und weinte vor Freude. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass der Herr ihn von den Toten zurückgeholt hatte. Aus diesem Grund hatte sie ihm immer an jenem Tag im September, wie schwierig es auch gewesen sein mochte und wo immer er auch gesteckt habe, stets einen Osterkuchen gebracht, das Symbol der Auferstehung.

Sie erklärte Matthew, dass sie verschwinden müssten, und zwar sofort, und dass sie sie auf ihrer Flucht begleiten würde. Sie wusste weder, wo sie hin sollten, noch wie sie fliehen sollten, bis sie den Pestkarren sah. Nur wenige Menschen würden sich einem Pestkarren nähern. Wenn sie weit genug vom Pfarrbezirk entfernt waren, könnten sie die roten Kreuze übermalen und sich dem immer stärker werdenden Strom von Menschen anschließen, die wie sie selbst auf der Flucht waren, sei es nun wegen eines Verbrechens, wegen Ernteverlusts, schrumpfenden Löhnen und steigenden Preisen oder wegen der Streichung oder Beschneidung der Waldrechte. Sie alle flohen in das Reich der neuen Möglichkeiten: nach London.

31. Kapitel

Kate hatte vergessen, dass ich da war. Sie kauerte ganz vorn auf der Bank, die Hände verschränkt, und wiegte sich leicht hin und her. Ich könnte schwören, dass sie in Gedanken auf dem Pestkarren saß, der sie auf der zerfurchten Straße nach London in Sicherheit bringen sollte. Mit einem Ruck kam sie wieder zu sich, starrte mich an, als sei ich tatsächlich in diesem Moment von den Toten auferstanden, und fiel auf die Knie.