Выбрать главу

Er stand neben dem Bach, spielte mit dem Klumpen Käse herum und schob sich einen Krümel davon in den Mund. Als er keine Antwort gab und ich eine wütende Bewegung auf ihn zu machte, um zu erreichen, dass er mich zumindest anschaute, riss er den Käse mit einem Ruck von mir fort, als fürchtete er, ich könnte ihn ebenfalls ins Wasser werfen. Die Bewegung erfüllte mich mit Scham und erzürnte mich zugleich über das Maß des Ertragbaren hinaus.

»Ich war kein guter Vater«, murmelte er.

»Du bist nicht mein Vater«, rief ich so laut, dass die Pferde ihre tropfenden Mäuler aus dem Bach hoben und uns anstarrten.

»Das auch«, sagte er. »Das auch.« Er kratzte sich an der kahlen Stelle. Die Verwirrungen eines ganzen Lebens schienen in dieser Geste zu liegen, während er über die karge Heidelandschaft mit ihren Büschen und Felsen starrte, in der es immer irgendwie Abend zu sein schien. An manchen Stellen schien die Heide fast eins zu sein mit dem düsteren Himmel, der schwer aussah von noch mehr Regen. An anderen Stellen flackerten helle Lichtflecken auf, und es war heller als am Mittag. Einen Moment lang dachte ich, Matthew würde durch die Vorderzähne pfeifen, doch es war der Wind, der von den Dornen zerfetzt wurde. Verstohlen schob Matthew sich ein weiteres Stück Käse in den Mund.

Ich konnte ihn nicht anschauen oder still sitzen. Ich schritt zu meinem Pferd mit dem Gefühl, ihn nie wieder sehen zu wollen. Patch schüttelte sich und bespritzte mich mit Wasser, doch ich spürte es kaum. Ich blieb stehen, ging zurück und sah, wie Matthew ein Stückchen Käse aus einer Zahnlücke pulte, und wandte mich erneut meinem Pferd zu. Ich steckte die Hände in die Taschen, wie ich es stets tat, wenn ich nicht wusste, welchen Weg ich einschlagen sollte. Meine Finger schlossen sich um die Münze. Überwältigt von heftigen Schuldgefühlen, wirbelte ich herum und starrte auf seine gebeugte Gestalt. Die Wangen waren hohl, dann wölbte seine umherstreifende Zunge sie nach außen. Nach allem, was er getan hat, wie konnte ich da sagen, er sei kein guter Vater gewesen?

»Es tut mir leid«, weinte ich. »Es tut mir leid.«

Ich ging zu ihm und nahm ihn richtig in den Arm. Er sprang auf und ließ den Käse fallen, aus Angst, ich sei verrückt geworden und würde ihn gleichfalls in den Bach werfen. Doch dann sah er die Münze in meiner Hand. »Kate sagte mir, es sei gefährlich, Kontakt zu dir aufzunehmen. Du hast ein anderes Leben geführt. Du bist anders.« Er ergriff die Münze. »Ist sie das? Mein Judaslohn? Ist sie es wirklich?« Er drehte sie auf den Rand, sah die Lilie, wog die Münze in seiner Hand und machte Anstalten, sie mir zurückzugeben. Er erzählte mir, was ich mir schon zusammengereimt hatte. Nachdem er das, was er für ein totes Kind hielt, auf den Karren geworfen hatte, verfolgte ihn der teuflische Schrei eines bösen Geistes. Je schneller er fuhr, desto lauter und schriller wurde er, bis er es nicht länger aushielt. Er hielt an, in der Absicht, das Kind vom Karren zu werfen. Doch der furchterregende Schrei verstummte, sobald er um den Karren herumging.

»Du siehst mich an. Und ich seh dich an. Und du siehst aus, als würdest du gleich wieder den Himmel zusammenschreien, also habe ich dich in meine Jacke gestopft, und Gott sei mein, du schläfst! Nachdem ich dich zu Susannah gebracht habe, zeige ich Mr Eaton ein totes Baby vom Karren, und …«

Er schnippte die Münze in die Luft, fing sie auf, sah sie einigermaßen wehmütig an und schleuderte sie in den Bach. Ich musterte ihn genauso erstaunt, wie er mich angesehen hatte, als ich das Brot fortgeworfen hatte. Ich rannte zum Bach und sah die Münze im Wasser glänzen, doch als ich mich danach streckte, legte er mir eine Hand auf den Arm.

»Lass sie, Tom. Es ist jetzt vorbei. Sie wird dir kein Glück mehr bringen. Genauso wenig wie der Anhänger.«

»Du hast ihn immer noch.«

»Nein, Tom.«

»Ich muss herausfinden, wer mein richtiger Vater ist. Ich will ihn nicht behalten!«

»Ist das wahr?«

»Ja!«

Er stieß einen tiefen Seufzer aus und starrte auf die Münze im wirbelnden Wasser. »Ich habe ihn zurückgebracht.«

»Zurück? Wohin?«

»Nach Highpoint. Damit niemand mir vorwerfen kann, ich hätte ihn gestohlen. Ich habe ihn Kate gegeben, und sie hat ihn in das Schmuckfach in Frances’ Schlafzimmer gelegt.«

Mit offenem Mund starrte ich ihn an. »In das …! Jeder könnte ihn dort finden! Ich hätte ihn finden können!«

Er schüttelte den Kopf. »Es ist ein Geheimfach … Das ist wahr!«, rief er, als er meine ungläubige Miene sah. Er sprach mit der verzweifelten Eindringlichkeit eines gewohnheitsmäßigen Lügners, dem niemand mehr Glauben schenkt, wenn er einmal die Wahrheit sagt. »Was meinst du, wo ich das Zimmermannshandwerk gelernt habe? Ehe ich den Pestkarren bekam, habe ich Holz an den Schrankbauer geliefert. Ich habe ihm zugesehen, wie er das Geheimfach gebaut hat.«

Erneut fuhr ich ihn skeptisch an. »Und woher wusste meine Mutter, wo sie danach suchen …« Ich zitterte. Doch nicht nur wegen der Abendkälte und den vordringenden Regenwolken, die langsam über die Heide krochen und den blassen Himmel allmählich befleckten wie verschüttete Tinte. Ich kannte die Antwort auf meine Frage, ehe ich sie stellte. »Du hast meiner Mutter davon erzählt, oder?« Ich schüttelte ihn. »Hast du es getan?«

Er seufzte sehr tief und erklärte, er habe immer Geschichten über den Anhänger erzählt, den jedermann bewunderte, wenn Frances Stonehouse ihn in der Kirche trug. Er prahlte damit, zu wissen, wo er lag. An jenem Nachmittag im September kam Margaret Pearce zu ihm. Sie drohte, allen Leuten zu erzählen, dass weder seine Liebestränke noch seine Hurenmedizin wirkten, wenn er ihr nichts von dem Geheimfach erzählte.

Er seufzte noch einmal, ließ den Kopf in die Hände sinken und starrte die Münze im Wasser an. »Jetzt weißt du alles. Zufrieden?«

Zufrieden? Ich zerrte Matthew von dem Stein hoch, umarmte ihn und tanzte mit ihm herum, bis er beinahe ins Wasser fiel.

»Komm! Lass uns gehen!«

»Wohin?«

»Nach Highpoint. Ehe das Tageslicht schwindet.« Ich zog ihn zu seinem Pferd und verschränkte die Finger zu einer Räuberleiter, um seinen alten Knochen das Aufsitzen zu erleichtern.

»Warte.« Er würde sich keinen Zoll von der Stelle rühren, ehe ich ihm nicht alles erzählt hätte, was geschehen war. Als er erfuhr, dass die Parlamentssoldaten vor ein paar Tagen weitergezogen waren, wich er zurück.

»Wer hat dann Mark umgebracht?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich wette, es waren Cavaliere, die Richard Stonehouse dienen.«

»Mark war kein Papist.«

»Sie haben ihn getötet, um den letzten Beweis für die Eheschließung zu vernichten. Sie trugen orangene Tücher wie meines, um sich als Roundheads auszugeben.«

Ein Blitz erhellte die Heidelandschaft. Die Pferde hoben die Köpfe und traten unruhig auf der Stelle, warteten unbehaglich auf das leise Murmeln des Donners. Die Aussicht auf einen Wolkenbruch auf dem offenen Land machte es leichter, Matthew auf sein Pferd zu bekommen. Als er bereits halb im Sattel saß, hielt er inne.

»Sie haben gewartet, bis du mich findest, dann kriegen sie uns beide und den Anhänger.«

»Das habe ich mir auch schon gedacht, Matthew. Wir sind beide Geschichtenerzähler.«

»Es ist ein Unterschied, ob man eine Geschichte erzählt oder mittendrin steckt. Wir reiten in eine Falle.«

»Nicht, wenn wir wissen, dass es eine ist.« Ich spürte, wie mich etwas nach Highpoint zog, wie eine Kompassnadel vom Norden angezogen wurde. Ich fühlte mich so kalt und hart wie das Metall selbst, wie das Eis, von dem es hieß, es bedecke die nördlichen Gefilde, und die Frostgeister, die Eis anstelle von Herzen hatten. »Wir können Marks Tod rächen. Und den meiner Mutter.«

»Bist du toll? Wir können nicht gegen eine Armee von Cavalieren kämpfen!«