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Eaton hatte sich während der Reise hierher verändert – ach was, schon lange zuvor. Der Gedanke an Kate, die Aussicht, sie wiederzusehen, hatte mit dem verbitterten, mürrischen Teil seiner Natur gerungen, der Angst hatte, alles zu verlieren, was er sich im Laufe seines Lebens aufgebaut hatte. Jetzt erkannte ich die Anzeichen dieses inneren Kampfes während der Reise – halbe Warnungen, unwirsche Zurückweisungen. Selbst den Tod hatte er dem Kampf vorgezogen, einem Kampf, der ihn zu sehr erschöpft hatte, als dass er noch daran hätte glauben können, ihn je zu gewinnen oder zu beschließen. Das alles las ich in dem gequälten Blick, den er Kate zuwarf, in dem Blick, mit dem er mich bedachte.

Möglicherweise nahm Richard es ebenfalls wahr. Sein spöttischer Tonfall verschwand. Ich erkannte seinen Vater in ihm wieder, in dieser grüblerischen, beinahe mürrischen Pose, die er anlegte wie einen Umhang. Er sagte, ein großes Verbrechen sei verübt worden, der Versuch, sich den Namen der Familie anzueignen, und sein Vater sei, unglücklicherweise, beinahe hinters Licht geführt worden. Dann wandte er sich an mich.

»Wo ist der Anhänger?«

»Ich weiß nicht.«

»Antworte Mylord!«, sagte Captain Gardiner.

Ich sagte nichts. Vielleicht war es Richards Signal, diese Bewegung seines Umhangs im unruhigen Kerzenlicht, die mich glauben ließ, der Falke habe sich mit schwirrenden Flügeln auf mich gestürzt und meine Wange mit seiner Klaue aufgerissen. Gardiners Stoßdegen lag wieder ruhig in seiner Ausgangsposition, die Spitze zitterte noch, ehe ich spürte, wie das Blut aus dem Schnitt an meiner Wange heraussickerte und mir langsam über das Gesichte und den Hals lief.

»Wo ist der Anhänger?«

Ich erwiderte seinen wütenden Blick und biss mir auf die Lippen, damit ich nicht aufschrie, wenn der zweite Hieb käme, doch Richard hielt Gardiner auf und sagte etwas zu einem seiner Soldaten, der daraufhin seine Pistole zog und damit auf Eaton zielte.

»Nimm seine Pistole, Eaton«, sagte Richard. Eaton rührte sich nicht. Jetzt waren wir zu zweit; ich mit meinem frischen Schnitt, Eaton mit seiner alten Narbe, die Richard selbst jetzt noch zu verunsichern schien. Mir fiel ein, dass Eaton mir erzählt hatte, wie Lord Stonehouse seinen Söhnen bei Ungehorsam damit gedroht hatte, Eaton würde in der Mitte der Nacht zu ihnen kommen. »Nimm sie!«, schnauzte Richard.

Der säuerlich-ranzige Geruch von Eatons Krankheit umwehte mich, als er die Pistole aus meinem Gürtel zog.

»Ist sie geladen?«

»Ja, Mylord«, erwiderte Eaton.

Richard wirkte befriedigt über diese Anrede. Er schien Eatons Demütigung ebenso sehr zu brauchen wie meine. »Spann den Hahn.« Der Soldat hielt seine Pistole unverändert auf Eaton gerichtet, als dieser gehorchte. »Eaton ist ein guter Schütze, nicht wahr, Eaton? Ich weiß es. Du bist der Beste. Du hast mir das Schießen beigebracht.«

»Danke, Mylord.«

»Streck deine rechte Hand aus«, sagte Richard zu mir. Als ich mich nicht rührte, sagte er gelassen, beinahe freundlich. »Eaton kann dir auch in den Ellenbogen oder in die Schulter schießen, für ihn ist das egal, nicht wahr Eaton?« Eaton nickte gleichgültig und hob die Pistole. »Aber ich erachte es für passender, wegen deiner aufrührerischen Pamphlete gegen König und Kirche, dir die schändliche Hand zu nehmen und dir zumindest den Arm zu lassen.«

Langsam, ganz langsam, hob ich den Arm und streckte meine Hand aus. Ich wollte nicht, dass sie zitterte, aber das verdammte Ding tat es trotzdem. »Warte, Eaton – feuere nicht, ehe ich dir das Signal gebe.« Er wandte sich an mich. »Ich werde deine Hand verschonen, wenn du mir sagst, wo der Anhänger ist.«

Folterer haben viel gemein mit denen, die Kinder brechen. Wie Gloomy George hatte Richard ein Gespür für die Schwachstellen seines Opfers. Ich spürte, dass mein ganzes Leben, alles von Bedeutung, das ich je getan hatte, in dieser Hand lag. Damit hatte ich das Gedicht für Anne geschrieben, mit diesen Fingern, die nicht aufhören wollten zu zittern, hatte ich die Große Remonstranz gedruckt. Ich wollte die Augen schließen, doch diese Genugtuung würde ich ihm nicht geben, obwohl die Bediensteten noch schlimmer waren. Hastig schlurften sie aus der Schusslinie, dabei kicherten und flüsterten sie. Mit ihren vorgereckten Hälsen glichen sie denen, die an einer Grube standen, Wetten abschlossen und anschließend zuschauten, wie Hähne oder Hunde einander in Stücke rissen. Nur Rose sah bleich und elend aus und hatte sich abgewandt, doch Richard, der stets einen Blick für hübsche Gesichter hatte, lächelte und winkte sie nach vorn, als täte er ihr damit einen Gefallen. Der Soldat mit der Pistole senkte die Waffe, um besser sehen zu können, und der Mann, der das Messer an Kates Kehle hielt, schob den Kopf vor.

Richard sagte, er würde mir Zeit geben, bis er bis fünf gezählt hätte – da ich ein Lehrjunge sei, kannte ich doch gewiss die Zahlen? Es wurde gekichert und gelacht, dann herrschte absolute Stille, als er zu zählen begann. Als er bei drei ankam, langsam und ohne Eile zählend, konnte ich es nicht länger aushalten und versuchte zu sprechen, um damit herauszuplatzen, wo der Anhänger war. Er hörte auf zu zählen. Galle stieg mir hoch, doch mein Mund war so trocken, dass ich sie weder hinunterschlucken noch etwas sagen konnte. Richard wartete. Und während er wartete, lächelte er. Dieses Lächeln des Triumphs ließ in mir alle Sturheit und den Hass auf Menschen wie ihn aufwallen, den jahrelange Schläge in mir eingepflanzt hatten. Ich würde nichts sagen. Sein Lächeln verschwand, und er fuhr fort zu zählen. Bei fünf schloss ich die Augen.

Eaton feuerte.

36. Kapitel

Die Explosion machte mich taub. Ich wirbelte herum, in Erwartung des Treffers und des heftigen brennenden Schmerzes in meiner rechten Hand, von der ich wusste dass sie nicht mehr da sein würde. Doch fast im selben Moment wurde ich von Eaton gegen die Balustrade gestoßen. Seine Lippen bewegten sich, doch bei dem Sausen in meinen Ohren verstand ich kein Wort. Hinter Eaton sah ich den Mann, der Kate festgehalten hatte, ein Auge blickte starr aus seinem zerschmetterten Gesicht, während er langsam zu Boden sank. Gardiner lag am Boden und versuchte, seinen Stoßdegen unter den Füßen der in voller Panik fliehenden Bediensteten aufzusammeln. Und, am unfassbarsten von allem, meine rechte Hand war noch da, blutend zwar, aber vollständig. Ich begriff, dass Eaton die andächtige Aufmerksamkeit des Publikums dazu genutzt hatte, den Mann, der Kate festhielt, in eine schutzlose Position zu locken, und anschließend Gardiner mit der abgefeuerten Pistole niederzuschlagen.

Ich zuckte zusammen, als ich mein Hörvermögen wiedererlangte. »Springt!«, schrie Eaton. Richards Entschlossenheit, mich vor dem Gesinde zu demütigen, gereichte ihm nun zum Nachteil, als nun alle schreiend und drängelnd zur Treppe rannten und jeden Versuch seiner Soldaten, zu mir zu gelangen, zum Scheitern verurteilten. Ich kroch auf die Balustrade, um in die Halle unter mir zu springen, und erwartete, das Eaton mir folgen würde. Doch er rannte zu Kate. Ein Soldat zielte mit seiner Pistole auf Eatons Rücken. Ich sprang von der Balustrade zurück auf die Galerie, schickte den Soldaten zu Boden, so dass sein Schuss eine Kerze in einem Wandhalter traf. Ein Schauer von zersplittertem Glas und geschmolzenem Wachs ging auf Richard nieder, als dieser mit gezücktem Schwert auf mich zukam. Ich rannte in den Raum, in dem Kate sich befand, kurz bevor Eaton die Türen zuknallte und einen Tisch unter die Türgriffe schob. Kate sah aus, als wollte sie ihm Vorhaltungen machen, begriff indes rasch, dass es sinnlos wäre und half mir, mehr Möbelstücke herbeizuschleppen, um die Türen zu blockieren.