»In all euren loyalen Gesichtern sehe ich … dass, genau wie kein Sohn auf seinen Vater verzichten kann, kein Untertan auf seinen rechtmäßigen König verzichten kann …«
Edward strengte sich an, deutlicher zu sehen, indem er die Augen zusammenkniff, und machte die vertraute Statur seines Bruders aus, der aufrecht auf seinem Pferd saß, den Kopf gesenkt.
»Meine königliche Autorität wurde mir von Gott verliehen. Wir sind lange marschiert, in der Hoffnung, der Feind möge seinen Irrtum erkennen, doch jetzt sind wir auf ihn gestoßen. Die Angelegenheit wird nicht durch das Wort, sondern das Schwert entschieden, und wir müssen das zweifelhafte Risiko eines Krieges eingehen. Möge die Gerechtigkeit unserer Sache uns Mut verleihen und Gott uns zum Sieg führen!«
Die widerhallenden Jubelrufe erreichten uns in den Wiesen unterhalb der Anhöhe. Zu Wills Empörung waren wir zu spät gekommen und wurden der Reserve an der linken Flanke zugeteilt, in der Nähe der verlassenen Gebäude eines Gehöfts, die verstreut an der Straße nach Kineton lagen. Ich erhaschte einen Blick auf das hochgestreckte Schwert des Königs und einen Arm in schwarzer Rüstung. Die Sonne kam heraus und spiegelte sich funkelnd darin, und durch unsere Reihen lief ein Murmeln, als einige Soldaten das als ein Zeichen zu unseren Ungunsten deuteten. Ein puritanischer Prediger antwortete darauf, indem er sang: »Die Heiligen sollen fröhlich sein und preisen und rühmen …« Soldaten um ihn herum fielen ein: »Ihr Mund soll Gott erheben!«
Das einsame Donnern einer Kanone brachte sowohl den Jubel als auch den Gesang zum Verstummen.
Es war zwei Uhr. Die beiden Armeen standen nun weniger als eine halbe Meile auseinander. Essex hatte entschieden, dass ein Rückzug undurchführbar sei, aber er hatte es auch nicht eilig zu kämpfen. Es wäre Selbstmord, den Angriff hügelaufwärts zu führen. Seine Kanonen würden die Gegenseite vielleicht von ihrer überlegenen Position verjagen. Doch die Entfernung war zu groß, und wie diejenigen der antwortenden Kanone landeten die Kugeln lediglich im weichen Schlamm der Wiesen. Essex sah, wie sich mehrere Peers um den König scharten. Es schien, als sei eine Art Streit im Gange. Zwischen dem sechzig Jahre alten Earl of Lindsey, der die Infanterie kommandierte, und Richards Held, Prinz Rupert, der die Infanterie und die Reiterei befehligen wollte, herrschte Uneinigkeit. Als Richard wie gebannt zusah, wie Lindsey seinen Kommandostab fortwarf und rief, wenn er kein General sein könne, dann würde er als Oberst an der Spitze seines Regiments sterben, sah er seinen Bruder. Er kannte dessen erregten Zustand nur zu gut und ritt zu ihm. Er legte einen Arm um Edwards Schulter und beruhigte ihn, während dieser von dem Teufel erzählte, der ihn verfolgte. Schließlich führte Richard ihn zur Kante des Steilhangs. Seine Augen waren so scharf wie die seines Bruders schwach waren. Er konnte unser Banner sehen: ein rotes Kreuz mit den Worten FÜR GOTT UND PARLAMENT. Er erspähte mein rotes Haar.
»Hat er Vater getroffen?«, wollte er von Edward wissen.
»Er war auf der Suche nach ihm.«
Richard konnte Essex’ Banner sehen, eine gute halbe Meile entfernt auf der anderen Flanke. Erneut erspähte er mich zwischen all den Spießsoldaten, lachte und sagte, dass er leider keinen Flecken Kalk auf mir erkennen könne. Ich war wie der Rest, nur einer vom Pöbel. Edward dankte Gott dafür, dass sein älterer Bruder ihn unterstützte, genau wie er es in jener entsetzlichen Nacht getan hatte, als er sich schützend zwischen ihn und ihren Vater gestellt und erklärt hatte, das Kind könne nicht von Edward sein, da ihre Beziehung erst ein paar Monate währte.
Bestärkt durch Richards Worte, ritt Edward davon. Er war einer der Kapläne unter Sir Jacob Astley, der inzwischen die Führung von Lindsay übernommen hatte, und Edward stimmte mit besonderem Eifer in dessen kurzes Gebet mit ein: »O Herr, du weißt, wie beschäftigt ich an diesem Tag bin. Wenn ich dich auch vergesse, bitte vergiss mich nicht!«
Inzwischen war es Nachmittag geworden. Es war immer noch klar, aber die Wärme, die tagsüber geherrscht hatte, begann zu schwinden. Ich war überzeugt, dass wir an diesem Tag nicht mehr kämpfen würden, dass wir wieder nur umeinander kreisen und herummanövrieren, noch mehr Psalmen singen und Reden halten würden. Dann sahen wir, wie ihre Kavallerie vorsichtig, beinahe gesetzt, sich ihren Weg den steilen Abhang hinunter bahnte. Eine Steinlawine brach los, und ein Pferd wäre beinahe gestürzt. Als der Boden nur noch sanft abfiel, fiel die Kavallerie in Trab, und schließlich blies ein Trompeter zum Angriff.
Wie erstarrt sah ich zu, gefesselt von dem Anblick und den Geräuschen, den Farben der Wimpel, dem Aufblitzen der gezückten Schwerter. Mir war, als sähe ich eine Vorstellung auf einem Turnierplatz. Ich war wieder der Junge, der die Sehenswürdigkeiten Londons bestaunt, den Prunk, die königliche Parade. Auch andere standen gaffend da. Wir waren alle aus London, waren Drechsler, Schneider, Gerber, Bäcker und Drucker, Kutscher und Fährmänner. Manche trugen immer noch die Kleidung ihres Handwerks. Wir waren hart ausgebildet worden, doch nur im Exerzieren und in Waffenbefehlen, von denen es allein achtundvierzig für die Muskete und fünfundsechzig für den Spieß gab. Die einzige Kampferfahrung der meisten von uns bestand darin, Teil des Mobs in London gewesen zu sein. Aus diesem Grund waren so viele von uns wie hypnotisiert von dem wunderbaren Spektakel, das über die Wiesen Kinetons auf uns zugaloppiert kam.
»Stellt eure verdammten Spieße auf«, brüllte Jed, der weniger Phantasie, aber weit mehr Vernunft besaß.
Bei diesem ersten Angriff waren die Musketen von ebenso geringem Nutzen wie die Kanonen. Ein Pferd wurde getroffen, und ich sah den Kopf eines Mannes verschwinden, während sein Pferd weiterlief, eine Hand hielt noch die Zügel umklammert, die andere sein wegrutschendes Schwert. Die meisten Soldaten hatten ihre Musketen zu früh abgefeuert, und es blieb keine Zeit, sie erneut zu laden. Die gegnerischen Reiter näherten sich in einem schrägen Winkel, zerschlugen die Flanke unserer Kavallerie und stürmten auf die erste Kampflinie der Infanterie zu, die daraufhin die Flucht ergriff. Ein Mann rannte schreiend auf uns zu, Blut sprudelte aus einer Schwertwunde an seinem Hals. Er fiel, und Jed stolperte fast über ihn, ehe er ihn beiseiteschob.
»Haltet eure Spieße hoch!«, schrie Will. »Wenn ihr davonlauft, seid ihr tot!«
Er stand da, schlug auf die fliehenden Soldaten ein und flehte sie an, zu bleiben und zu kämpfen, während Luke, der alle Regeln über das Nachladen der Musketen gebrochen hatte, versuchte, Ruhe unter die sich zerstreuenden Musketiere zu bringen, mit einer Art gezwungener, benommener Höflichkeit.
»Zündschnur anpassen. Nachladen. Präsentieren.«
Die wiehernden Pferde mit geweiteten Nüstern waren ebenso verängstigt wie die Männer. Eines rannte in die aufgestellten Spieße, als sei es ein Zaun bei der Jagd. Es stürzte zu Boden, hatte sich selbst aufgespießt, und gelbliche Eingeweide quollen auf die Wiese, die unter dem aufgewühlten Schlamm verschwunden war. Das Pulverhorn mit dem Schießpulver am Hals eines Musketiers unter Lukes Kommando fing Feuer, und eine Ladung setzte die andere in Brand. Er wirbelte herum wie ein schreiendes Feuerwerk, schlug sich auf seine brennende Kleidung und fiel von hinten in unsere Linie, gerade als das um sich tretende sterbende Pferd von vorn hineinstürzte. Schlitzend und hackend brachen die Cavaliere durch und galoppierten weiter. Nur einer zügelte sein Pferd und schwenkte um. Selbst in diesem Moment sah ich darin vor allem ein Bespiel meisterhafter Reitkunst. Richard hielt sich tief im Sattel, die schwache Andeutung eines Lächelns auf den Lippen, und konzentrierte sein ganzes Sein auf die Spitze, nicht die Klinge seines Schwertes. Wie gelähmt von diesem Anblick stand ich da, bis die Klinge nur noch wenige Zoll von mir entfernt war und ein gewaltiges Gebrüll ertönte, das eher von einem Tier als von einem Menschen zu stammen schien. Jed hob den hinteren Teil seines Spießes an und schlug damit die Klinge fort. Richard versetzte ihm einen Hieb. Jed taumelte und ließ seinen Spieß fallen. Schreiend richtete ich meinen in die Höhe. Richards Pferd bäumte sich auf und warf ihn beinahe ab, ehe es von den letzten angreifenden Pferden wie von einer Woge mitgerissen wurde.