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»Was geschah dann?«

»Ich habe sie geschwängert. Sie glaubte, ich würde sie heiraten. Ich machte ihr klar, dass ich wusste, was für ein Spiel sie trieb, und dass sie das Kind loswerden sollte … niemals … in einer Million Jahre nicht … hätte ich gedacht, dass sie sich daraufhin meinem Dummkopf von einem Bruder zuwenden würde …«

Seine Wachsamkeit hatte gänzlich nachgelassen. Ich hätte ihn überwältigen können, oder ihn weiterreden lassen können. Vielleicht, vielleicht. Ich werde es niemals wissen. In dieser Nacht herrschte tiefer Frost, der einen glitzernden Schimmer auf die Grashalme legte, dort, wo das Mondlicht sie berührte. Ich hörte Lukes Stiefel darauf knirschen. Sah sein Schwert funkeln.

»Nein, Luke, nein!«, rief ich.

Er hatte seinen Stoß zur Hälfte ausgeführt. Mein Schrei brachte nicht nur ihn dazu, seinen Stoß teilweise abzufangen, sondern alarmierte auch meinen Vater. Es war zu spät, als dass er den Hieb mit dem Schwert hätte parieren können, doch er drehte sich weg, so dass Luke ihn nur an der Seite erwischte. Dann stürzte mein Vater sich mit solcher Macht auf ihn, dass er das Schwert nicht zurückziehen konnte, als Luke fiel. Ich fing meinen Freund auf, während Richard vergeblich versuchte, das Schwert aus dessen Brust zu ziehen. Auf Lukes Gesicht lag ein überraschter Ausdruck, vollkommene Ungläubigkeit und dann der Schatten seines entwaffnenden Lächelns.

»Ich dachte, ich würde … davonkommen … alter Fr…«

Blut quoll plötzlich aus seinem Mund. Ich schrie nach Ben und hielt Luke an mich gedrückt, als er erneut unter Mühen sprach. »Sag Charity, dass ich sie liebe, ich sehe sie im Him…«

Ben zog mich zur Seite und kniete neben Luke nieder. Wegen des Schwerts konnte er das Wams nicht öffnen und schnitt es deshalb mit dem Messer auf. Er schälte die blutgetränkten Briefe fort, die Charity Luke geschickt hatte. Er unternahm einen vergeblichen Versuch, die Blutung zu stoppen, dann schüttelte er den Kopf.

Ich hörte das Pferd und sah aus den Augenwinkeln, wie mein Vater davonritt. Ich heulte wie der Insasse eines Tollhauses, eilte ihm humpelnd hinterher und zerrte mein Messer aus dem Gürtel.

Einige Zeit später fand Ben mich auf dem Schlachtfeld, wo die Toten und Verwundeten reglos dalagen, während der Frost immer stärker wurde. Immer wieder stach ich auf einen Mann ein, der bereits tot war. Neben mir lag Richards zerfetzter Umhang. Der Mann, auf den ich einstach, war nicht Richard. Mein Verstand war wie leergefegt, und ich konnte Ben nicht erklären, warum ich es tat. Weder Ben noch ich hatten den Mann je zuvor gesehen. Ebenso wenig war es möglich zu sagen, für welche Seite er gekämpft hatte, denn er war, wie viele andere, ausgezogen worden, von Männern, die Ringe, Stiefel, Gürtel einsammelten – alles, was sie gebrauchen oder verkaufen konnten. Als Ben mich zurück zum Lager brachte, konnten wir immer noch hören, wie die Plünderer über das Feld wanderten, gleich Wölfen in der Nacht.

40. Kapitel

Das Tollhaus, durch das ich schritt, war Teil eines noch größeren Tollhauses. Beide Seiten beanspruchten den Sieg für sich. Flüchtige Deserteure der Parlamentstruppen, die in Oxford ankamen, berichteten, die ganze Armee sei auf dem Rückzug und der König auf dem Weg nach London. In London druckte jemand, der sich ein »Edelmann von höchstem Range« nannte – es könnte der ohrlose Jack gewesen sein – zwei Tage nach der Schlacht, am 25. Oktober, eine verschmierte Quartausgabe, in der erklärt wurde, die Parlamentstruppen hätten einen großartigen Sieg errungen, bei dem Prinz Rupert gefangen genommen wurde.

Was keine der beiden Seiten erwartet hatte, war eine Pattsituation. Jeder glaubte, solch ein erbitterter Konflikt müsse doch alles lösen, auf die eine oder andere Weise. Der König marschierte auf London zu. Am 13. November brandschatzte Rupert Brentford, zehn Meilen westlich von London. Londoner gerieten in Panik und Wut zugleich. Die Angst, ihr Hab und Gut zu verlieren, brachte etliche Royalisten dazu, das Parlament zu unterstützen. Am folgenden Tag sahen sich die royalistischen Truppen in Turnham Green einem Heer von Londonern gegenüber, das zusammen mit Bürgergarden aus Hertfortshire, Essex und Surrey eine Streitmacht von vierundzwanzigtausend Mann bildete. Ein paar Schüsse wurden abgefeuert. Der König hatte weitaus zahlreicheren Feinden gegenübergestanden, aber da war noch etwas anderes, das ihn den Rückzug antreten und den Winter in Oxford verbringen ließ. Die Erinnerung an Edgehill schwebte wie ein Gifthauch über allen. Sowohl der König als auch Essex hatten die frostige Nacht auf dem Schlachtfeld verbracht. Der König hatte auf die sechzig Leichen gestarrt, die dort lagen, wo seine Standarte gestanden hatte, ehe er sich an ein Lagerfeuer kauerte, unfähig zu schlafen, solange die Verwundeten schrien. Niemand wünschte eine Wiederaufnahme des Kampfes. Doch ebenso wenig würde eine von beiden Seiten nachgeben, wenngleich man halbherzig zu verhandeln begann.

Es war Mitte Dezember, als ein Karrenlenker, der die letzten vom Frost angeschlagenen Früchte der Saison von einer Obstplantage in Chiswick geladen hatte, mich in die Stadt mitnahm.

Ich ging am Aldersgate entlang und bog in die Cloth Fair ein. Es schneite, doch der Schnee blieb noch nicht liegen. Die Stadt war ruhig. Die Luft war sonderbar sauber. Der Geruch von Smithfield war nur ein Gespenst seines früheren Gestanks, da sich in den Schlachthöfen nur wenig Fleisch befand. Ich stand an der Einfahrt zum Half Moon Court, und eine unerklärliche Panik ergriff mich, denn ich hatte das Gefühl, etwas Schreckliches getan zu haben, aber nicht zu wissen, was es war. Aus der Druckerei ertönte ein stetiges rhythmisches Klappern. Ich kannte und liebte jedes Geräusch, das Stöhnen des Drucktiegels – die Presse brauchte Öl –, das leise Seufzen, wenn die Druckform das Papier berührte. Vor Edgehill hatte ich mich danach gesehnt, hier zu sein, hatte mir ausgemalt, wie ich über diesen Hof in Annes Arme laufen würde, wie ich sie unter dem Apfelbaum drücken und küssen würde. Doch jetzt stand ich da, und es widerstrebte mir, hineinzugehen. Die Panik in mir wuchs, während ich durch das Schneetreiben auf den nackten Baum starrte, auf das Fenster im hervorstehenden Giebel, aus dem ich mit so vielen Träumen geblickt hatte.

Im Inneren erhoben sich laute Stimmen, und dann kam Sarah heraus, um das Nachtgeschirr zu leeren, während sie über die Schulter nach hinten rief, dass sie damit Kopf und Kragen riskieren würde. Anne folgte ihr. Was immer mit meinem Verstand geschehen war, mein Herz war immer noch da. Es hoffte, hüpfte, sprang, blieb stehen und fing doppelt so schnell wieder von vorn an, als ich sie sah. Aber warum stürmte ich nicht auf sie zu? Warum stand ich nur gaffend da, wie Sarah es zu nennen pflegte, als ich ein Lehrjunge war, der sich weigerte, Stiefel zu tragen? Anne war genauso schön, wie ich sie in Erinnerung hatte. Nein, noch schöner. Sie trug ein altes blaues Kleid, ihr Haar war zerzaust, und sie zog das Tuch ihrer Mutter fest um ihre Schultern, während sie mit Sarah um höchst alltägliche Sorgen stritt. Ich liebte sie und sog hungrig jedes Wort, jede Bewegung auf.

»Biiittte Sarah. Nur einen Eimer.«

»Master hat gesagt, keine Kohlen mehr bis es dunkel wird.«

Schmeichlerisch streichelte Anne ihre Wange. »Fühl meine Hand. Sie ist halb gefroren.«

»Wisst Ihr nicht, dass es eine Blockade in Newcastle gibt?«

»Es wird dir noch leid tun, wenn ich mich zu Tode friere.« Sie ging hinein und schmetterte die Tür hinter sich zu.

»Leid tun? Es wäre eine Befreiung!«, murmelte Sarah und kippte die Nachttöpfe aus, als ihr Blick auf mich fiel.