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»Im Krankenhaus? Reden wir vom gleichen Nedjo?«

»Ich glaube, es gibt da eine Pflegerin, die er mag. Er wollte es nicht zugeben, aber er wurde immer ganz nervös, wenn sie aufgetaucht ist. Ich habe es gesehen.«

Ein seltenes Lächeln blitzte in den Augen des Erfinders auf. »Eine Pflegerin, soso. Hoffen wir, dass er sich anständig benimmt. Holt eure Sachen. Wir starten in einer halben Stunde.«

Liam und Vivana eilten davon. Jackon, der seine wenigen Habseligkeiten bereits im Luftschiff verstaut hatte, setzte sich auf die unterste Querstrebe des Ankermasts in den Schatten und wünschte sich an den Nordpol.

Khoroj erklärte Quindal gerade, was er bei einer mehrtägigen Fahrt mit der Jaipin beachten musste. Für ihre Reise nach Ilnuur hatte der Erfinder die volle Verantwortung für das Luftschiff, denn Khoroj blieb in Suuraj bei Jerizhin, um der Kapitänmagistratin dabei zu helfen, eine Flotte für den Angriff auf Bradost aufzustellen.

Es war nicht leicht gewesen, Jerizhin für ihre Pläne zu gewinnen. Sie war willensstark und obendrein sehr klug; wer sie von etwas überzeugen wollte, brauchte nicht weniger als die besten Argumente. Glücklicherweise waren auch Quindal, Lucien, Vivana und Liam nicht auf den Kopf gefallen.

Bis spät in die Nacht hatten sie Jerizhins Fragen beantwortet und mit ihr diskutiert und gestritten. Jackon hatte die meiste Zeit stumm daneben gesessen und sich gewünscht, er wäre genauso schlagfertig und redegewandt wie seine Gefährten.

Wenigstens hatte die Kapitänmagistratin ihnen auf Anhieb geglaubt. Dank der Astrophilosophen, deren Rat sie schätzte, wusste sie mehr als die meisten Menschen über die Traumlanden und das Pandæmonium. Da sie bereits vermutete, dass es zwischen den Traumstörungen und dem Erscheinen der Dämonen einen Zusammenhang gab, mussten Lucien und Jackon ihr nicht lange erklären, was Lady Sarka getan hatte und warum dies solch schreckliche Folgen nach sich zog. Dabei kam ihnen zugute, dass Jerizhin die Herrscherin von Bradost für skrupellos und machtgierig hielt. Sie traute ihr jedes Verbrechen zu, selbst ein derart unfassbares.

Anschließend hatte Liam von ihren Plänen berichtet, Lady Sarka aufzuhalten. Er erzählte vom Phönix, von Mahoor Shembars Bindezauber, von der Wüstenstadt Ilnuur und was sie dort zu finden hofften.

Und dann kam die Sprache auf die Luftschiffe.

Jerizhin hörte sich ihren Plan an und dachte lange darüber nach. Schließlich sagte sie: »Ich wünschte, ich könnte euch helfen. Aber wir können auf kein einziges Luftschiff verzichten – nicht jetzt. Wir rechnen damit, dass die Dämonen zurückkehren. Ohne die Luftschiffe ist Suuraj schutzlos.«

»Aber wenn wir nichts unternehmen, werden immer mehr Dämonen kommen«, erwidert Quindal. »Bald schon werden es so viele sein, dass sie Suuraj einfach überrennen, egal, wie viele Luftschiffe das Stadtfloß beschützen. Sie müssen uns helfen!«

Doch so einfach ließ sich die Kapitänmagistratin nicht überzeugen. Sie war für Suuraj verantwortlich und weigerte sich, das Stadtfloß und seine Bewohner Gefahren auszusetzen, nur um einen wahnwitzigen Plan zu unterstützen. Es kam zu einer langen und hitzigen Auseinandersetzung, die bis weit nach Mitternacht andauerte. Jackon war so müde, dass er irgendwann einnickte. Als er eine Stunde später aufwachte, stritten seine Gefährten und Jerizhin immer noch.

Schließlich war es Liam, der sie umstimmte. Er berichtete vom Pandæmonium und den Schrecken, die er dort erlitten hatte, und tat dies so anschaulich, dass es selbst Jackon, der die Geschichte schon kannte, eiskalt über den Rücken lief.

»Dämonen bestehen aus nichts als Hass«, sagte der Blonde. »Sie hassen das Leben, die Menschen, einfach alles. Aber am meisten hassen sie sich selbst und ihre eigene Hässlichkeit. Insgeheim wären sie gern wie wir und sehnen sich nach einem menschlichen Körper. Das ist der Grund, warum sie in unsere Welt eindringen – weil sie wissen, dass sie hier Menschen in Hülle und Fülle finden. Menschen, deren Körper sie stehlen und deren Seelen sie quälen können, so, wie es Nachachs Bruder mit mir gemacht hat. Ich wünsche niemandem, dass er das erleben muss. Aber genau das wird geschehen, wenn die Dämonen erst so zahlreich sind, dass wir uns nicht mehr vor ihnen schützen können. Tausendfach wird das geschehen. In Bradost, in Suuraj, überall. Es sei denn, wir tun etwas dagegen.«

Es war keine flammende Rede, die Liam hielt. Er sprach ruhig und sachlich, beinahe leidenschaftslos. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – verfehlten seine Worte ihre Wirkung nicht. Jerizhin saß mehrere Minuten schweigend da, sichtlich erschüttert von Liams Erlebnissen. Nach einer Weile sagte sie: »Ihr sollt eure Luftschiffe bekommen.«

Und damit war die Entscheidung gefallen.

Jackon wischte sich abermals mit dem Ärmel das Gesicht ab und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, die er schon den ganzen Tag mit sich herumtrug. Er wünschte, sie würden endlich starten. Er sehnte sich mit allen Fasern seines Körpers nach der Kühle, die bei einer Fahrthöhe von tausendfünfhundert Schritt in der Jaipin herrschte.

Jerizhin erschien auf der Rampe der Landeplattform und trat zu Khoroj, Quindal und Lucien. Sie wirkte besorgt. Die vier redeten ein paar Minuten miteinander, dann kam Lucien zu Jackon.

»Was ist denn los? Gibt es Probleme?«

»Leider ja. Jerizhin hat Ärger mit dem Rat.«

»Welcher Rat?«

»Die Leute, die zusammen mit ihr das Stadtfloß führen. Jemand hat von der Luftschiff Sache Wind bekommen und eine alte Vorschrift ausgegraben. Daraufhin hat der Rat ihr verboten, uns zu helfen. Er hat sogar gedroht, ihr den Befehl über die Luftflotte zu entziehen.«

»Was? Gestern hat sie doch gesagt, dass sie allein entscheidet, was...«

»Ich weiß. Aber so einfach ist es anscheinend nicht. Bei Großeinsätzen weit entfernt von Suuraj braucht sie offenbar die Zustimmung des Rates. Jetzt muss sie eine Versammlung einberufen und hoffen, dass sie die anderen umstimmen kann.«

»Kriegt sie das hin?«

»Schwer zu sagen. Die Astrophilosophen stehen wohl auf ihrer Seite. Aber die Priesterschaft des Assamira kann sie nicht einschätzen, und der Befehlshaber der Aeronauten ist eindeutig gegen sie. Er war es auch, der das Verbot erwirkt hat.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Wir müssen ihr helfen. Deshalb bleibst du in Suuraj.«

»Ich?«, fragte Jackon verblüfft. »Wieso?«

»Weil ich das Gefühl habe, dass Jerizhin bald einen Traumwanderer gebrauchen kann.«

»Aber meine Kräfte sind weg, das weißt du doch!«

»Lüg mich nicht an«, sagte Lucien streng. »Meine Fähigkeiten kehren allmählich zurück. Und ich weiß, dass es dir genauso ergeht.«

Jackon fühlte sich ertappt. Ja, seine Kräfte erholten sich tatsächlich; seit gestern spürte er, dass sie langsam erwachten, wie Knospen nach einem langen und harten Winter. Er hatte mit niemandem darüber gesprochen, denn er stand seiner Gabe nach wie vor sehr zwiespältig gegenüber. Gewiss, sie verlieh ihm große Macht, doch bis jetzt hatte er es nicht verstanden, sie sinnvoll zu nutzen. Manchmal wünschte er, er hätte sie für immer verloren.

»Ist es nicht so?«, hakte Lucien nach.

»Ja«, gab Jackon widerwillig zu. »Aber meine Kräfte sind noch sehr schwach. Es wird mindestens eine Woche dauern, bis ich sie wieder richtig einsetzen kann.«

»Das glaube ich nicht. Noch ein oder zwei Tage, und du bist wieder auf dem Damm.«

»Wieso hilfst du Jerizhin nicht?«

»Ich kann hier nichts ausrichten. Außerdem brauchen mich die anderen in Ilnuur. Also, bist du einverstanden?«

»Was genau soll ich machen?«, fragte Jackon.

»Mit Jerizhin und Vorod zur Ratssitzung gehen. Die Augen offen halten. Die Ratsleute beobachten. Wenn Jerizhin nicht weiterkommt, versuchst du, ihr zu helfen.«