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Er glaubte, daß er auf jede Möglichkeit vorbereitet wäre. Aber als der Angriff kam, war es doch überraschend.

Eine leichte Brise rührte die schwüle Luft. Sie ließ nach und wiederholte sich, diesmal stärker, und kühlte die heißen Straßen.

Ein Wind durchfuhr die Straßen von Tetrahyde; er kam von den Bergen des Landinneren. Barrent fühlte, wie der Schweiß auf seinem Körper antrocknete.

Ein paar Minuten lang fühlte er sich bei diesem Klima sehr wohl.

Dann begann die Temperatur plötzlich zu fallen.

Sie fiel mit rasender Geschwindigkeit. Eisige Luft drang ein.

Das ist lächerlich, dachte Barrent, ich mache lieber, daß ich auf dem schnellsten Weg den Coven erreiche.

Er beschleunigte seine Schritte, während es immer kälter wurde. Die ersten Anzeichen von Frost machten sich in den Straßen bemerkbar.

Kälter kann es ja wohl kaum noch werden, dachte Barrent.

Aber er täuschte sich. Ein heftiger Wind fegte durch die Straßen, und die Temperatur sank immer tiefer. Die Feuchtigkeit in der Luft verwandelte sich in Eiskörnchen

Durchgefroren bis auf die Knochen, rannte Barrent durch die leeren Straßen; der Wind, der jetzt mehr einem Sturm glich, zerrte von allen Seiten an ihm. Die Straßen glitzerten von Eis und waren spiegelglatt. Er rutschte aus und fiel hin; er mußte sich langsam vortasten, um nicht auszugleiten. Und die Temperatur fiel noch weiter ab; der Wind heulte und pfiff wie ein wütendes Raubtier.

Durch ein fest verschlossenes Fenster fiel ein Lichtschein auf die Straße. Er hielt an und hämmerte dagegen, aber von innen kam keine Antwort. Ihm wurde bewußt, daß die Bewohner von Tetrahyde niemals jemandem halfen. Je mehr starben, um so größer war die Chance, selbst zu überleben. Barrent stolperte weiter, seine Füße fühlten sich wie Holzklötze an.

Der Wind heulte ihm in den Ohren, Hagelkörner, so groß wie eine Faust, prasselten zu Boden. Bald war er zu erschöpft, um zu laufen. Er schleppte sich nur noch mühsam voran - durch eine gefrorene weiße Welt. Seine einzige Hoffnung war der Wee Coven.

Ging er stunden- oder jahrelang? An einer Ecke kam er an zwei Gestalten vorbei, die sich an die Mauer kauerten und schon völlig mit Rauhreif überzogen waren. Sie waren nicht

weitergelaufen und zu Tode erstarrt.

Barrent zwang sich wieder zu schnellerem Tempo. Ein Stechen in der Seite schmerzte ihn wie die Wunde eines Messerstichs; die Kälte kroch immer tiefer in Arme und Beine. Bald würde sie die Brust erreichen, und das würde das Ende bedeuten.

Ein Prasseln von Hagelkörnern betäubte sein Gefühl. Er wurde sich bewußt, daß er auf dem Boden lag, die wenige Wärme, die sein Körper noch zu erzeugen vermochte, trug ein heftiger Sturm davon

Am anderen Ende des Häuserblocks konnte er das winzige rote Licht des Covens erkennen. Auf Händen und Knien kroch er darauf zu; er bewegte sich rein mechanisch und erwartete eigentlich nicht mehr, je dort hinzugelangen. Er kroch eine Ewigkeit, aber das rote Licht wurde nicht größer.

Trotzdem bewegte er sich weiter und erreichte endlich die Tür des Covens. Er zog sich an ihr hoch und drehte den Türknauf.

Die Tür war verriegelt.

Schwach klopfte er dagegen. Nach einem Moment glitt ein Spalt auf. Ein Mann starrte ihn an; dann glitt der Spalt wieder zu.

Er wartete darauf, daß die Tür sich öffnete. Sie öffnete sich nicht..

Minuten vergingen, aber nichts geschah. Worauf warteten sie da drinnen noch? Barrent versuchte noch einmal, gegen die Türfüllung zu klopfen, verlor dabei das Gleichgewicht und fiel zu Boden

Er rutschte ein Stückchen weiter und starrte verzweifelt gegen die verschlossene Tür. Dann verlor er das Bewußtsein.

Als er wieder zu sich kam, lag er auf einer Couch. Zwei Männer massierten ihm Arme und Beine, unter sich spürte er die Wärme von heißen Tüchern und Flaschen. Über sich erkannte er das breite dunkle Gesicht von Onkel Ingemar, der ihn ängstlich anstarrte.

»Fühlen Sie sich besser?« fragte Onkel Ingemar.

»Ich glaube, ja«, antwortete Barrent. »Warum haben Sie so lange gebraucht, um die Tür zu öffnen?«

»Fast hätten wir sie überhaupt nicht aufgemacht«, erklärte der Priester. »Es ist gegen das Gesetz, Fremden in Not zu helfen: Da Sie unserer Gemeinschaft noch nicht angehörten, bedeuten Sie für uns einen Fremden.«

»Und warum haben Sie mich dann überhaupt hereingelassen?«

»Mein Assistent stellte fest, daß eine gerade Anzahl von Anbetern zugegen war. Wir benötigen aber eine ungerade Zahl, vorzugsweise eine, die mit drei endet. Wo die heiligen mit den weltlichen Problemen in Konflikt stehen, müssen die weltlichen nachgeben. Deshalb haben wir Sie trotz des Gesetzes der Regierung eingelassen.«

»Eine alberne Bestimmung«, knurrte Barrent.

»Eigentlich gar nicht. Wie die meisten Gesetze auf Omega besteht sie, um die Bevölkerungszahl möglichst niedrig zu halten.

Omega ist ein äußerst unfruchtbarer Planet, müssen Sie wissen.

Das ständige Eintreffen neuer Gefangener läßt die Bevölkerungszahl ständig ansteigen, und zwar zum enormen Nachteil der älteren Einwohner. Es müssen Wege und Mittel gefunden werden, um sich des Überschusses an Neuankömmlingen zu entledigen. «

»Das ist nicht gerecht«, meinte Barrent.

»Sie werden Ihre Meinung noch ändern, wenn Sie zu den älteren Einwohnern zählen«, sagte Ingemar. »Und bei Ihrer Zähigkeit bin ich überzeugt, daß Sie es so weit bringen werden.«

»Vielleicht«, sagte Barrent. »Aber was war eigentlich los? Die Temperatur muß innerhalb von fünfzehn Minuten um etwa dreißig Grad gesunken sein.«

»Dreiunddreißig Grad, um genau zu sein«, antwortete Onkel Ingemar. »Das ist ganz einfach. Omega ist ein Planet, der sich exzentrisch um ein doppeltes Sternensystem dreht. Eine weitere Instabilität, so habe ich mir sagen lassen, kommt von dem seltsamen geologischen Aufbau - dazu die Lage der Berge und Seen.

Das Ergebnis ist ein schlechtes Klima, das sich unter anderem in plötzlichen heftigen Temperaturschwankungen ausdrückt.«

Der Assistent, ein kleiner, wichtigtuerischer Bursche, erklärte:

»Es ist ausgerechnet worden, daß Omega an der äußersten Grenze der Planeten liegt, die menschliches Leben ermöglichen, ohne große künstliche Hilfe zu erfordern. Wenn die Schwankungen von kalt zu heiß und umgekehrt nur noch ein wenig stärker wären, so würden sie jedes menschliche Leben auslöschen.«

»Es ist eine perfekte Strafkolonie«, bemerkte Onkel Ingemar voller Stolz. »Erfahrene Einwohner spüren, wenn eine Temperaturschwankung im Anzug ist, und begeben «ich in die Häuser.«

»Es ist - höllisch«, sagte Barrent, in Ermangelung eines anderen Begriffs.

»Das beschreibt es auf das vollkommenste«, antwortete der Priester. »Es ist in der Tat höllisch, und deshalb auch wunderbar geeignet, um den Schwarzen anzubeten. Wenn Sie sich jetzt wohler fühlen, Bürger Barrent, können wir mit der Zeremonie fortfahren.«

Außer ein paar Frostbeulen an Zehen und Fingerspitzen fühlte sich Barrent schon wieder munter. Er nickte und folgte dem Priester und den Gläubigen in den Hauptteil des Covens.

Nach dem, was er gerade durchgemacht harte, war die Schwarze Messe eher enttäuschend. Barrent döste in seinem gut gewärmten Kirchenstuhl, während Onkel Ingemar eine Predigt über die Notwendigkeit des Bösen im Alltagsleben hielt.

Die Verehrung des Bösen, sagte Onkel Ingemar, sollte nicht nur Montag nachts stattfinden. Im Gegenteil! Das Wissen und Handeln im Bösen sollte das tägliche Leben würzen. Es war nicht jedem gegeben, ein großer Sünder zu sein, aber dadurch sollte sich niemand entmutigen lassen. Auch kleinere schlechte Taten, die sich über ein ganzes Leben erstreckten, setzten sich zu einem sündigen Ganzen zusammen, das den Schwarzen erfreute. Niemand sollte vergessen, daß einige der größten Sünder, selbst die dämonischen Heiligen, oft bescheiden begannen. Hatte nicht Thrastus als ein einfacher Ladenbesitzer angefangen, der seine Kunden um eine Portion Reis betrog? Wer hätte erwartet, daß sich dieser einfache Mann einmal zu dem roten Totschläger von Thorndyke Lane entwickeln würde? Und wer hätte geahnt, daß Dr. Louen, der Sohn eines Hafenarbeiters, eines Tages die größte Autorität der Welt in der praktischen Anwendung von Foltern werden wirde? Ausdauer und Frömmigkeit hatten es diesen Männern erlaubt, sich über ihre natürlichen Beschränkungen zu erheben - zu einer hervorragenden Position zur Rechten des Schwarzen. Und es bewies auch, daß das Böse für die Armen genauso da war wie für die Reichen, versicherte Onkel Ingemar.