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Barrent nickte. Es fiel ihm schwer wachzubleiben. Onkel Ingemars monotone Stimme, die einen Vortrag über etwas so Alltägliches wie das Böse hielt, hatte auf ihn die Wirkung eines Schlafmittels. Er mußte dagegen ankämpfen, daß ihm die Augen zufielen.

»Man darf sehr wohl fragen«, dröhnte Onkel Ingemars Stimme weiter, »ob das Böse das Höchste ist, was die Natur des Menschen erreichen kann. Warum hat dann der Schwarze die Existenz von irgend etwas Gutem im Universum zugelassen?

Das Problem des Guten hat den nicht Erleuchteten generationenlang Kopfzerbrechen bereitet. Ich will es Ihnen erklären.«

»Bitte«, ermunterte ihn Barrent und kniff sich heimlich in den Oberschenkel, um nicht völlig einzuschlafen.

»Aber zuerst wollen wir uns über die Begriffe im klaren sein«, fuhr Onkel Ingemar fort. »Untersuchen wir doch einmal das Wesen des Guten. Blicken wir unserem großen Opponenten starr und furchtlos ins Gesicht und studieren wir die wahren Züge seines Antlitzes!«

»Ja, tun wir das«, murmelte Barrent und fragte sich, ob er nicht lieber ein Fenster öffnen sollte. Seine Augenlider fühlten sich unbeschreiblich schwer an. Er rieb sie kräftig und versuchte aufzupassen.

»Das Gute ist eine Illusion«, erklärte Onkel Ingemar mit seiner gleichmäßigen, monotonen Stimme, »das dem Menschen die nichtexistenten Attribute des Altruismus, der Demut und der Frömmigkeit zuschreibt. Wie können wir das Gute als eine Illusion erkennen? Weil es im ganzen Universum nur den Menschen und den Bösen gibt; und den Schwarzen zu verehren, ist der letzte Ausdruck unserer selbst. Da wir also somit bewiesen haben, daß das Gute eine Illusion ist, erkennen wir seine Attribute auch als nichtexistent an. Verstanden?« Barrent antwortete nicht.

»Haben Sie das verstanden?« fragte der Priester nun schärfer.

»Wie?« machte Barrent. Er hatte mit offenen Augen gedöst. Er zwang sich aufzuwachen und sagte: »Ja, Onkel, das verstehe ich. «

»Ausgezeichnet. Nachdem wir das begriffen haben, fragen wir, warum der Schwarze auch nur der Ilusion des Guten in einem Universum des Bösen einen Platz einräumte. Die Antwort finden wir in dem Gesetz der notwendigen Gegensätzlichkeit; denn das Böse könnte nicht als solches erkannt werden, gäbe es keinen Kontrast dazu. Der beste Kontrast ist der Gegensatz. Und der Gegensatz des Bösen ist das Gute.« Der Priester lächelte triumphierend. »Das ist so einfach und klar, nicht wahr?«

»Das ist es allerdings«, sagte Barrent. »Möchten Sie noch ein bißchen Wein?«

»Nur einen winzigen Schluck«, antwortete der Priester.

Er sprach noch weitere zehn Minuten über das natürliche und bewundernswürdige Böse, das den wilden Tieren der Felder und Wälder innewohnte, und riet Barrent, das Benehmen dieser einfachen, geradlinigen Kreaturen nachzuahmen. Schließlich stand er auf, um zu gehen.

»Ich bin sehr froh, daß ich diese kleine Unterredung mit Ihnen führen konnte«, sagte er und schüttelte herzlich Barrents Hand.

»Kann ich auf Ihr Erscheinen beim Montagsdienst rechnen?«

»Montagsdienst?«

»Natürlich«, sagte Onkel Ingemar. »Jeden Montagabend - um Mitternacht - halten wir am Wee Coven in der Kirkwood Drive eine Schwarze Messe ab. Nach dem Dienst richten die Hilfstruppen der Damen meistens einen kleinen Imbiß her, und dann wird getanzt und gesungen. Es ist sehr vergnüglich.« Er setzte ein breites Grinsen auf. »Wie Sie sehen, kann die Verehrung des Bösen ein netter Spaß sein.«

»Dessen bin ich sicher«, antwortete Barrent. »Ich werde dort sein, Onkel.«

Er geleitete den Priester zur Tür. Nachdem er sie wieder verschlossen hatte, dachte er sorgfältig über das nach, was Onkel Ingemar ihm gesagt hatte. Ohne Zweifel war der Besuch der Messe notwendig. Ja, er war geradezu zwingend. Er hoffte nur, daß die Schwarze Messe nicht so höllisch langweilig war wie Onkel Ingemars Ausführungen über das Böse.

Das war am Freitag. Während der nächsten Tage war Barrent ziemlich beschäftigt. Er erhielt eine Ladung homöopathischer Kräuter und Wurzeln von seinem Agenten aus dem Bloddpit-Distrikt. Es kostete ihn fast einen ganzen Tag, sie auszusortieren und einzuordnen, und einen weiteren Tag, sie in Gläser und Behälter zu füllen.

Als er am Montag nach dem Essen in seinen Laden zurückkehrte, glaubte Barrent das Mädchen zu sehen. Er eilte ihr nach, verlor sie aber in der Menge aus den Augen

Als er dann später zu seinem Laden kam, fand er dort einen Brief unter der Türschwelle. Es war eine Einladung seines benachbarten Traumladens. Darauf stand :

Lieber Bürger, wir ergreifen diese Gelegenheit, um Sie in unserer Nachbarschaft willkommen zu heißen, und weisen Sie auf unsere Dienste als die des besten Traumladens auf Omega hin.

Alle Arten und Typen von Träumen stehen Ihnen bei uns zur Verfügung - zu einem erstaunlich niedrigen Preis. Wir sind auf Erinnerungsträume von der Erde spezialisiert. Sie können versichert sein, daß Ihr Ihnen benachbarter Traumladen nur das Beste, dem Leben fast Ähnliche an Träumen anbietet. Als freier Bürger werden Sie sich bald unserer Dienste bedienen wollen.

Dürfen wir noch innerhalb der nächsten Wochen auf Ihren Besuch rechnen?

Die Besitzer.

Barrent legte den Brief aus der Hand. Er hatte keine Ahnung, was ein Traumladen war oder wie die Träume produziert wurden. Er würde es herausfinden müssen. Obgleich die Einladung sehr höflich abgefaßt war, so hatte sie doch einen ziemlich drohenden Unterton. Ganz ohne Zweifel war der Besuch eines Traumladens eine der Pflichten eines freien Bürgers.

Natürlich konnte eine Pflicht auch zugleich ein Vergnügen bedeuten. Der Traumladen erschien ihm interessant. Und ein Traum, der eine Erinnerung, ganz gleich welcher Art, an die Erde heraufbeschwor, war jeden Preis, den die Besitzer fordern mochten, wert.

Aber dieser Besuch mußte noch etwas warten. Heute abend war Schwarze Messe, und dort war sein Erscheinen unumgänglich.

Barrent verließ seinen Laden gegen elf Uhr nachts. Er wollte noch ein wenig durch die Straßen von Tetrahyde schlendern, bevor er die Messe aufsuchte, die um zwölf Uhr begann.

Er begann seinen Spaziergang wohlgelaunt und mit dem Gefühl des Wohlergehens. Aber wegen des irrationalen und kaum kalkulierbaren Lebens von Omega wäre er fast, noch bevor er Wee Coven auf dem Kirkwood Drive erreichte, eine Leiche gewesen.

Es war heiß und fast erstickend feucht, als sich Barrent auf den Weg machte. Nicht das kleinste Lüftchen regte sich in den dunklen Straßen. Obgleich er nur ein schwarzes Netzhemd, Shorts, Pistolengürtel und Sandalen trug, fühlte sich Barrent wie in ein dickes Laken gewickelt. Die meisten Einwohner von Tetrahyde, ausgenommen jene, die schon bei den Coven waren, hatten sich in die Kühle ihrer Kellerräume zurückgezogen. Die

dunklen Straßen lagen fast verlassen da.

Barrent schlenderte langsam dahin. Die wenigen Leute, die ihm begegneten, eilten nach Hause. Ein Gefühl von Panik lag in dieser Eile. Barrent bemühte sich, den Grund dafür herauszufinden, aber niemand hielt an. Ein alter Mann rief ihm über die Schulter zu: »Machen Sie, daß Sie von der Straße verschwinden, Sie Idiot!«

»Warum?« fragte Barrent.

Der alte Mann brummte etwas Unverständliches und rannte weiter.

Barrent ging nervös weiter und nestelte am Lauf seiner Strahlenwaffe. Irgend etwas stimmte nicht, aber er hätte nicht sagen können, was es war. Der nächste Unterschlupf war der Wee Coven, eine halbe Meile von ihm entfernt. Es erschien am klügsten, darauf zuzusteuern, wachsam zu bleiben und abzuwarten.

Nach wenigen Minuten befand sich Barrent allein in einer Stadt mit fest verriegelten Türen und Fenstern. Er bewegte sich in der Mitte der Straße, lockerte die Waffe und bereitete sich auf einen Angriff von jeder Seite vor. Vielleicht war dies eine besondere Art Feiertag wie der Landungstag. Vielleicht waren heute die freien Bürger Freiwild. Alles schien möglich auf Omega.