Выбрать главу

»Wartet, ihr beiden«, rief Millo.

Er trat von der Tür weg. Eine Frau ging an ihm vorbei, und als Leiard die Traumweberroben und das vertraute Gesicht sah, blinzelte er überrascht.

»Traumweberälteste Arleej«, sagte er und berührte Herz, Mund und Stirn. Sie lächelte und erwiderte die Geste. »Traumweberratgeber Leiard.«

»Es ist schön, dich wiederzusehen. Geht es dir gut?«

Sie zuckte die Achseln. »Ich bin nur ein wenig müde, da ich gerade erst angekommen bin.«

»Dann möchtest du sicher etwas zu essen und ein heißes Getränk«, sagte Tanara. »Setz dich.«

Tanara geleitete Arleej zu einem Stuhl, dann verließ sie emsig den Raum. Leiard setzte sich neben die Traumweberälteste und bedeutete Jayim, der unsicher an der Treppe stehen geblieben war, sich zu ihnen zu gesellen. Millo schlurfte in sein Zimmer davon.

»Was führt dich nach Jarime?«, fragte Leiard.

Arleej lächelte schief. »Hast du es noch nicht gehört? Es wird Krieg geben. Du und Auraya, ihr habt uns anscheinend gerade rechtzeitig zu einem Bündnis überredet.«

Leiards Mundwinkel zuckten. Es hatte kein Groll in ihrer Stimme gelegen, nur Ironie.

»Kein Wunder, dass du müde bist. Hast du dir mit hunderten von Soldaten ein Schiff geteilt, oder ist es den somreyanischen Traumwebern gelungen, ein Schiff für sich zu fordern?«

Sie schüttelte den Kopf. »Wir reisen in kleinen Gruppen auf Handelsschiffen, die vor oder nach dem Eintreffen der somreyanischen Armee ankommen. Die Erinnerungen an die Massaker unter Traumwebern auf dem Festland sind noch sehr stark. Auf diese Weise werden wir weniger Aufmerksamkeit auf uns lenken.«

»Ich glaube nicht, dass euch Gefahr gedroht hätte, wenn ihr mit den somreyanischen Truppen gekommen wärt.«

»Du hast vermutlich recht. Der Anblick von Truppen eines anderen Landes, das Traumweber schätzt, könnte die Hanianer zum Nachdenken bringen. Alte Gewohnheiten und Ängste haben jedoch tiefe Wurzeln, besonders bei uns.« Arleej sah ihn an, und ihr direkter Blick brachte ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht. »Wie geht es dir, Leiard? Haben die Vernetzungen mit Jayim dir geholfen, Kontrolle über deine Netzerinnerungen zu gewinnen?«

Leiard spürte Jayims Überraschung und auch sein Erschrecken. »Ich habe einige Fortschritte gemacht, was meine...«

»Er vernetzt sich nicht mit mir«, unterbrach ihn Jayim. »Er bringt mir alles bei, bis auf Gedanken- oder Traumvernetzungen.«

Arleej blickte stirnrunzelnd zwischen Jayim und Leiard hin und her.

»Und ständig murmelt er vor sich hin«, fügte Jayim mit gepresster Stimme hinzu. »Manchmal ist es so, als nehme er mich gar nicht wahr. Dann spricht er mit der Stimme eines Fremden und sagt ganz eigenartige Dinge.«

»Leiard«, begann Arleej leise, aber mit unterdrücktem Erschrecken. »Weißt du...? Bist du...?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass dir klar ist, was du da riskierst. Ist dein Geheimnis so gewaltig, dass du dafür deine Identität opfern würdest – und deinen Verstand?«

Er schauderte. Meinen Verstand. Vielleicht habe ich ihn bereits verloren. Ich höre Stimmen – zumindest eine Stimme.

Du denkst, dass du verrückt wirst?, warf Mirar ein. In deinem Kopf leben zu müssen, ist genug, um jeden in den Wahnsinn zu treiben.

Wenn es dir nicht gefällt, dann geh doch.

»Leiard?«

Er blickte auf. Arleej musterte ihn mit besorgter Miene. Er seufzte und schüttelte den Kopf.

»Ich kann mich nicht mit Jayim vernetzen.« Er wandte sich zu seinem Schüler um. »Es tut mir leid. Du solltest dir einen anderen Lehrer suchen. Einer der Somreyaner wird sich gewiss...«

»Nein!«, entfuhr es Jayim. »Wenn das, was Ar... Traumweberälteste Arleej sagt, wahr ist, wirst du ohne meine Hilfe den Verstand verlieren.« Er hielt inne, um Atem zu schöpfen. »Was auch immer dein Geheimnis sein mag, ich werde es bewahren. Ich werde niemandem davon erzählen.«

»Du verstehst nicht«, sagte Leiard sanft. »Wenn ich dir dieses Geheimnis anvertraue, darfst du dich nie mehr mit einem anderen Traumweber vernetzen. Ich möchte deine Zukunft nicht auf diese Weise behindern.«

»Wenn es das ist, was ich tun muss, um dich zu retten, dann werde ich es tun.«

Leiard sah Jayim überrascht an. Zu welchem Zeitpunkt während der vergangenen Monate hatte dieser Junge eine solche Treue ihm gegenüber entwickelt?

Arleej gab einen erstickten Laut von sich, dann atmete sie hörbar aus. »Ich weiß nicht, Jayim. Das ist ein hoher Preis, den du da zu zahlen bereit bist.« Sie wandte sich mit gequälter Miene zu Leiard um. »Wie... wie lange würde Jayim dieses Geheimnis hüten müssen?«

Für immer. Leiard schüttelte den Kopf. Es war nicht gerecht, aber er konnte die Vergangenheit nicht ungeschehen machen.

Du weißt, dass diese Affäre nicht von Dauer sein kann, wisperte Mirar. Man wird irgendwann dahinterkommen, daher kannst du Jayim genauso gut davon erzählen.

Warum willst du, dass ich meine Beziehung zu Auraya beende? Ich hatte den Eindruck, dass du die Traumvernetzungen mit ihr genießt.

Sie ist eine der Schachfiguren der Götter. Ich genieße die Ironie des Ganzen. Tatsächlich werde ich beim nächsten Mal vielleicht selbst ein wenig mit ihr spielen.

Leiards Magen krampfte sich zusammen. Konnte Mirar sich in die Traumvernetzung einmischen?

Ich könnte dir einige Dinge zeigen,von denen du dachtest, du wüsstest sie nicht.

Das würdest du nicht wagen. Wenn Auraya wüsste, dass du eine solche Kontrolle über mich hast...

Dann würde sie was tun? Mich töten? Aber das würde bedeuten, dass sie auch dich töten müsste.

Ich nehme an,gar so schwer würde ihr das nicht fallen, wenn sie wüsste, dass ihr Geliebter sich zu einem höchst unpassenden Zeitpunkt in den verhassten Mirar verwandeln kann.

Leiard seufzte. Was willst du von mir? Was soll ich tun?

Verlass Jarime. Such dir irgendwo einen entlegenen Ort, an dem Auraya dich nicht finden wird.

Unterweise Jayim in der Gedankenvernetzung.

Wenn Arleej recht hat, wird das das Ende deiner Existenz bedeuten.

Ich will nicht existieren. Dies ist das Zeitalter der Fünf. Meine Zeit ist die Vergangenheit, als es eine Vielzahl von Göttern gab und die Unsterblichen frei umherstreifen konnten – jene Epoche, die man jetzt das Zeitalter der Vielen nennt – und vielleicht die Zukunft, aber nicht die Gegenwart.

Dieses Eingeständnis erstaunte Leiard. Wenn dieser Schatten Mirars nicht existieren wollte, warum war er dann so besorgt um Leiards Sicherheit?

Die andere Stimme antwortete nicht.

Also schön,dachte er. Aber zuerst werde ich mich den Traumwebern anschließen, die in den Krieg ziehen.

Er erwartete, dass Mirar protestieren würde, denn wenn er der Armee folgte, würde er den Weißen – und Auraya – nahe sein, aber Mirars Stimme blieb still. Erleichtert blickte er zu Arleej auf.

»Ich kann das nur tun, wenn Jayim und ich Jarime verlassen«, sagte er zu ihr. »Nach dem Krieg werde ich mich um die Verwundeten kümmern, und danach werden wir für eine Weile verschwinden. Später, wenn keine Gefahr mehr droht, werden wir uns mit anderen Traumwebern treffen.« Er drehte sich zu Jayim um. »Du darfst niemals in die Nähe der Weißen kommen. Sie verstehen sich besser als jeder Zauberer darauf, Gedanken zu lesen.«

Jayim runzelte die Stirn. »Wenn sie dazu in der Lage sind, können sie dein Geheimnis dann nicht auch aus deinen Gedanken lesen?«

»Ja.«

»Aber du bist der Traumweberratgeber.« »Nicht mehr lange. Ich werde zurücktreten, sobald ich bereit bin, fortzugehen.«