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Sie seufzte. Und gerade dafür habe ich keine Zeit.

»Landgeherin.«

Der Klang einer schroffen Stimme ließ sie zusammenzucken, und sie drehte sich um. Der Anführer des Arbeitstrupps kam auf sie zu. Sie stand auf und ging ihm entgegen.

»Der König hat eine Antwort auf deine Nachricht geschickt«, sagte er zögernd. Mit einigem Entsetzen begriff sie, dass er all seinen Mut zusammennehmen musste. Er erwartete, dass sie zornig sein würde, und er hatte Angst davor, wie dieser Zorn sich ausdrücken würde. »Er hat gesagt: ›Der König von Elai hat nicht die Absicht, mit der Landgeherin zu reden, die behauptet, für die Götter zu sprechen. Landgeher sind hier nicht willkommen – wir wollen sie nicht einmal auf der kleinsten Insel sehen. Geh nach Hause.«‹

Sie nickte langsam. In seinem Geist war keine Spur von Betrug zu erkennen. Er mochte den Wortlaut der Nachricht ein wenig verändert haben, aber nicht die grundsätzliche Bedeutung. Der Mann musterte sie wachsam, dann eilte er davon.

Juran?

Auraya?, antwortete Juran sofort.

Der König von Elai hat mein Audienzgesuch abgelehnt. Ich denke, er glaubt nicht, dass ich bin, was ich zu sein behaupte. Sie wiederholte die Nachricht. Das ist noch nicht alles. Der Hass dieser Leute auf die Landgeher ist sehr stark. Ich denke, wir werden uns als vertrauenswürdig erweisen müssen. Ich wünschte, wir könnten etwas tun, was diese Plünderer betrifft...

Damit würden wir ihnen einen machtvollen Anreiz für ein Bündnis mit uns nehmen. Ich glaube nicht, dass es sie auch nur im Geringsten beeindrucken wird, wenn wir ihnen versprechen, sie zu einem späteren Zeitpunkt von den Plünderern zu befreien. Anders als bei den Siyee werden wir hier helfen müssen, bevor wir uns mit ihnen verbünden, nicht danach.

Dessen kannst du dir erst sicher sein, wenn du dem König begegnet bist. Sei beharrlich. Kehre morgen zurück und an jedem der nächsten Tage. Du kannst sie zumindest mit deiner Entschlossenheit beeindrucken.

Sie lächelte. Das werde ich tun.

Sie blickte auf die Arbeiter hinab und sah, dass sie sich jetzt große Bündel Seegras auf den Rücken schnallten. Einige wateten ins Wasser und schwammen davon. Auraya fing bruchstückhafte Gedanken auf, die besagten, dass sie früher als sonst aufbrachen, und einige argwöhnten, dies geschehe, weil die Anwesenheit der Landgeherin ihrem Anführer Angst machte.

Sie seufzte. Wie sollte sie die Elai jemals auf ihre Seite ziehen, wenn ihre bloße Anwesenheit am Strand eine solche Wirkung auf diese Leute hatte?

Huan hat gesagt, dass dieses Unterfangen eine echte Herausforderung werden würde, rief sie sich ins Gedächtnis.

Mit einem schiefen Lächeln sammelte sie ihre Magie und erhob sich gen Himmel.

29

Während sie langsam aus der dunklen Umarmung des Schlafs auftauchte, drangen Stimmen in Emerahls Bewusstsein.

»Jade. Wach auf.«

»Das ist wahrscheinlich nicht ihr richtiger Name.« »Ich kenne ihren richtigen Namen nicht. Du vielleicht?« »Nein, sie wollte es mir nicht sagen.« »Du hast sie gefragt?« »Du nicht?«

»Nein. Das ist unhöflich.«

»Ich kannte mal ein Mädchen namens Jade.«

»Es ist ein hübscher Name. Anders als Brand. Wer würde seine Tochter schon Brand nennen? Ich hasse meinen Namen.«

Wer sind diese Frauen? Während sie die letzten Reste des Schlafs abschüttelte, kehrte Emerahls Erinnerung zurück. Es sind nur die Frauen, die sich mit mir ein Zimmer teilen. Sie runzelte die Stirn. Sie sind vor mir wach geworden ? Das ist ungewöhnlich ...

»Wer würde seine Tochter Flut nennen? Oder Mondschein?«, fragte Flut.

Brand kicherte. »Mein kleiner Bruder hatte früher einen zahmen Moohook namens Mondschein.«

Flut lachte leise. »Mondschein. Diamant. Unschuld. Namen, die am besten zu Huren oder Haustieren passen. Nur ein Narr würde sein Kind mit solchen Namen verfluchen. Jade ist nicht allzu schlimm, denke ich. Sieh mal, sie ist endlich wach.«

Emerahl musterte die beiden hübschen jungen Frauen, dann gähnte sie und richtete sich auf.

»Weshalb seid ihr beiden schon so früh auf den Beinen?«

Brand lächelte kläglich. »Rozea hat eine Versammlung einberufen. Du solltest dich besser schnell anziehen.«

Emerahl streifte ihre Decken ab und reckte sich. Die beiden anderen Mädchen trugen alte Tuniken statt ihrer besten Gewänder. Emerahl entschied sich für die abgetragene, schlichte Tunika, die Blatt ihr für die Zeit außerhalb ihrer Dienststunden und den Unterricht gegeben hatte.

Während sie sich ankleidete, sah sie andere Mädchen den Flur hinuntergehen. Brand und Flut wartete geduldig im Raum, aber sie konnte ihre Erregung spüren.

»Also, worum geht es bei dieser Versammlung?«, fragte sie, während sie sich schnell das Haar kämmte.

»Keine Ahnung«, antwortete Brand.

»Es hat wahrscheinlich mit dem Krieg zu tun.«

»Beeil dich, umso eher werden wir es herausfinden«, drängte Brand sie.

Emerahl lächelte, und kurz darauf gingen sie, angeführt von Brand, den Flur hinunter. Emerahl merkte sich die Stellen, an denen sie abbogen, und nachdem sie die dritte Treppe hinaufgestiegen waren, vermutete sie, dass sich der Versammlungsort im oberen Stockwerk des Bordells befand.

Nach einigen weiteren Schritten folgte sie ihren Begleiterinnen durch eine große, offene Doppeltür in einen riesigen Raum. Die gegenüberliegenden Wände waren von Fenstern durchsetzt, und auf einem erhöhten Podest am Ende des Raums standen auf einer Staffelei mehrere Bilder mit erotischen Szenen.

Emerahl war überrascht, dass sich so viele Mädchen in dem Raum befanden. Einigen war sie seit ihrer Ankunft im Bordell nur kurz begegnet, andere hatten sich ihr vorgestellt und sie herzlich willkommen geheißen. Einige Mädchen hatte sie noch nie gesehen. Dann stach ihr ein eindeutig männlich wirkendes Gesicht ins Auge, und ihr wurde klar, dass sich neben den Frauen auch junge Männer im Raum befanden. Männlichen Huren war sie in dem Bordell bisher nicht begegnet.

»Das ist der Tanzsaal«, murmelte Flut. »Rozea veranstaltet hier jedes Jahr zwei oder drei große Feste. Manchmal kommt sogar der König her. Im letzten Jahr hat er...«

Ihre Worte gingen im Läuten einer Glocke unter, und alle Gesichter wandten sich dem Podest zu. Rozea war erschienen. Die Bordellbesitzerin wartete, bis Stille eingekehrt war, bevor sie Blatt eine große, goldene Glocke reichte.

»Es ist schön, euch wieder einmal alle zusammenzuhaben«, sagte sie lächelnd. »So viele hübsche Gesichter in einem einzigen Raum versammelt.« Sie blickte kurz in die Runde, dann wurde ihre Miene ernster.

»Ihr werdet mittlerweile alle gehört haben, dass die torenische Armee in einer Woche aufbrechen wird, um sich an den Kämpfen gegen die pentadrianischen Eindringlinge zu beteiligen. Viele unserer Kunden werden in den Krieg ziehen und für uns ihr Leben aufs Spiel setzen.« Sie zögerte kurz, dann lächelte sie abermals. »Und wir werden sie begleiten.«

Diese Nachricht traf Emerahl wie ein Schlag. Sie wollte auf keinen Fall hinter ebenden Priestern herlaufen, die nach ihr suchten, was bedeutete, dass sie das Bordell würde verlassen müssen.

»Nun, nicht wir alle«, verbesserte sich Rozea. »Einige von euch werden hierbleiben. Die Entscheidung darüber überlasse ich euch. Wir werden so bequem wie nur möglich reisen. Ich habe bereits veranlasst, dass Tarns und Zelte für uns angefertigt werden. Unsere Kunden werden nach wie vor wohl habende Männer sein, und sie erwarten für ihr Geld ein gewisses Maß an Luxus.«

Sie gab ihnen einen Moment Zeit, das Gehörte zu verarbeiten, dann fuhr sie fort: »Für einige von euch wird dies eine seltene Gelegenheit sein, Reisen außerhalb von Porin zu unternehmen. Außerdem werdet ihr Zeugen eines großen Ereignisses werden. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ihr die Möglichkeit habt, die Weißen in der Schlacht zu sehen. Wenn ihr Glück habt, werdet ihr vielleicht sogar einem von ihnen persönlich begegnen.«