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Brand zog die Augenbrauen hoch, dann grinste sie. »Aber sicher.«

Der warme Aufwind von der Schlucht trug den jungen Mann vom Stamm des grünen Sees empor. Er legte die Flügel schräg und landete leichtfüßig auf dem Felsen. Sein Gesicht war gerötet vor Verlegenheit und Ärger.

»Es ist nicht leicht, nicht wahr?«, fragte Tryss den Mann mit einem schiefen Lächeln.

»Denk daran, wie es war, als du gelernt hast, einen Bogen zu benutzen. Dies ist noch schwieriger. Sowohl du als auch dein Ziel sind in Bewegung. Aber wenn du den Eifer hattest, die Benutzung des Bogens zu erlernen, dann kannst du auch dies hier lernen.«

Die Miene des Mannes wurde ein wenig versöhnlicher. Tryss wandte sich dem nächsten jungen Krieger zu, einem verdrossenen Burschen, und runzelte die Stirn.

»Dein Geschirr sitzt zu locker.«

Der Mann blickte finster drein. »Es ist unbequem.«

Tryss sah ihm fest in die Augen. »Das überrascht mich nicht. Wenn es richtig angelegt ist, sollte es sich im Einklang mit dir bewegen. Aber wenn es schlaff herunterhängt, behindert es dich nur. Als du zum ersten Mal einen Bogen getragen hast, musst du sein Gewicht deutlich gespürt haben. Man wird dich gelehrt haben, dass du den Bogen fest an deinen Körper schnallen musst, weil er sonst im Flug eine Gefahr darstellen könnte. Das Gleiche gilt für dieses Geschirr. Du wirst dich schnell daran gewöhnen. Leg es richtig an, dann werde ich...«

Ein lauter Freudenschrei und Gelächter übertönten seine Worte. Tryss drehte sich gerade rechtzeitig um, um eine Gruppe von Jungen unter der Führung von Sreil in der Nähe landen zu sehen. Sie hatten sich kleine Bündel auf den Rücken geschnallt. Bei ihrem Anblick stieß Tryss einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Bündel waren mit Ersatzspitzen und Pfeilen für die Geschirre bepackt. Die Siyee, die zu jung oder zu alt für den Kampf waren, fertigten diese Dinge in großer Zahl an. Er wusste, dass die Männer des Stamms vom grünen See größere Begeisterung für ihr Tun würden aufbringen können, wenn die Aussicht bestand, tatsächlich Tiere zu erlegen. Während die Jungen die Spitzen und Pfeile verteilten, erklärte Tryss, wie man sie an dem Geschirr befestigte. Ihm fiel auf, dass der verdrossene Mann, mit dem er kurz zuvor gesprochen hatte, die Riemen seines Geschirrs als Letzter anlegte. Sreil schickte die Jungen nach Hause, dann trat er neben Tryss.

»Könnte ich dich kurz sprechen?«

Tryss nickte und wandte sich zu den Kriegern um. »Sucht mir etwas, das zu jagen sich lohnt«, sagte er. »Ich werde später nachkommen.«

Einige der Männer grinsten, bevor sie sich umdrehten und sich in die Luft schwangen. Tryss beobachtete sie, um sich davon zu überzeugen, dass alle Geschirre richtig funktionierten. Vor drei Tagen hatte sich ein schlecht gefertigtes Geschirr verfangen. Sein Besitzer war nicht weit über dem Boden gewesen, hatte sich bei dem Sturz aber dennoch beide Beine gebrochen. Seither legte Tryss den Männern nahe, ihre Geschirre jeden Tag von einem Angehörigen ihres Stammes untersuchen zu lassen, der etwas von der Sache verstand.

»Ich habe noch einmal mit Drilli gesprochen«, sagte Sreil.

Tryss’ Herz setzte einen Schlag aus, und er sah Sreil erwartungsvoll an.

»Und?«

»Es war nicht leicht«, erklärte Sreil. »Ihr Vater hält sie inzwischen praktisch in ihrer Laube fest. Ich glaube, er hat Verdacht geschöpft. Meine Mutter hat sich an dem Tag, an dem wir mit dem Schlangenflussstamm zusammengekommen sind, nicht allzu raffiniert ausgedrückt. Es würde mich nicht überraschen, wenn...«

»Sreil! Was hat sie gesagt?«

Der Junge grinste. »Du bist heute aber wirklich angespannt. Man könnte direkt glauben, du stündest kurz davor, dich zu verheiraten.«

Tryss verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Sreil wütend an. Seit Tryss begonnen hatte, den Sohn der Sprecherin auszubilden, hatte er zu seiner Freude festgestellt, dass er gut mit dem Jungen auskam. Nichts konnte Sreils Laune trüben. Er entdeckte an jeder Situation etwas Komisches. Manchmal war sein Sinn für Humor erfrischend düster, dann wieder konnte er einen bis aufs Blut reizen. So wie jetzt.

Sreil hob die Hand, als wolle er einen Schlag abwehren. »Hör auf, mich so anzustarren. Du machst mir Angst.«

Tryss hatte nicht die Absicht, etwas an seinem Verhalten zu ändern.

»Also schön. Sie hat ja gesagt.«

Zwei Gefühle zuckten gleichzeitig in Tryss auf: Erleichterung und eine geradezu schwindelerregende Furcht. Drilli wollte ihn heiraten. Sie war bereit, ihrem Vater zu trotzen und ihren Stamm zu verlassen, um seine Frau zu werden.

Er würde heiraten.

Es ist ja nicht so, als könnten wir unsere Meinung in einigen Jahren nicht wieder ändern, sagte er sich. Falls sie zu dem Schluss kommt, dass sie mich doch nicht mag.

Trotzdem, es bedeutete das Ende ihrer Kindheit. Sie würden Erwachsene sein und einen vollen Beitrag zum Leben des Stammes leisten müssen. Es würde nicht mehr nur um die einfachen Aufgaben gehen, die er jeden Tag für seine Eltern verrichtete; stattdessen würde er Nahrung sammeln, Bögen anfertigen und kämpfen müssen.

Was ich ohnehin bereits tue. Statt zu meinen Eltern nach Hause zu gehen, werde ich zu Drilli heimkehren... und in ein oder zwei Jahren vielleicht auch zu einem Kind.

Lächelnd stellte er sich vor, wie er mit seinem kleinen Sohn oder seiner Tochter spielte. Der Gedanke hatte tatsächlich etwas Reizvolles. All die Dinge, die er sie würde lehren können ...

Ich muss nur zuerst diesen Krieg überleben – und sie muss die Geburt der Kinder überleben. Er verbannte diese Überlegung aus seinen Gedanken. Er konnte nicht durchs Leben gehen und sich stets vor dem Schlimmsten fürchten. Man musste sich den Dingen stellen, wenn sie einem begegneten. Für den Augenblick brauchte er sich nur um zwei Dinge zu kümmern: Er musste die Krieger ausbilden und Drilli von ihrem Vater fortholen, damit eine Heiratszeremonie stattfinden konnte. Und dafür brauchte er Sreils Hilfe.

»Wer wird das Ritual vollziehen?«, fragte er. »Deine Mutter?«

Sreil grinste. »Nein«, antwortete er. »Sie hat nichts dagegen, wenn die Leute vermuten, dass sie dabei ihre Finger im Spiel hat, aber sie möchte nicht, dass sie es mit Sicherheit wissen. Wenn sie das Ritual vollzöge, wäre es offenkundig, dass sie eure Verbindung geplant hat. Sobald wir Drilli bei uns haben, werde ich einen der anderen Sprecher holen. Das Oberhaupt des Tempelbergstamms hält sich noch immer im Offenen Dorf auf. Ich wette, er hat keine Ahnung, was vorgeht.«

»Was ist, wenn er sich weigert?«

»Das kann er nicht. Er muss es tun. So will es das Gesetz.« Tryss holte tief Luft.

»Wann?«

Sreil verzog das Gesicht. »Das hängt von Drillis Vater ab. Wir werden warten müssen, bis er und ihre Mutter sie in der Laube allein lassen.«

»Können wir nicht irgendetwas arrangieren? Ihnen einen Grund geben, die Laube zu verlassen?«

Sreil lächelte. »Natürlich. Ja, genau das werden wir tun.« Er rieb sich begeistert die Hände. »Das wird ein Riesenspaß.«

»Für dich vielleicht«, erwiderte Tryss. »Ich werde vor Nervosität sterben.« Dann grinste er. »Es freut mich, dass es dir Spaß macht, uns zu helfen, Sreil.«

Der andere Junge zuckte die Achseln. »Ich gehe dann besser mal und fange an, Pläne zu schmieden. Ich denke, deine Schüler haben etwas gefunden, das zu jagen sich lohnt.«

Tryss suchte den Himmel ab, bis er die Krieger des Stamms vom grünen See erblickte. Die Männer drehten ihre Kreise, bis plötzlich einer von ihnen in die Bäume hinabstieß.

»Ich sollte besser dafür sorgen, dass sie vorsichtig sind.« Er nickte Sreil zu, dann sprang er von dem Felsen und flog auf seine jüngste Gruppe angehender Krieger zu.

30

Danjins neue Kleider – die Uniform eines Ratgebers – waren steif und eng. Bisher hatte er es nicht für möglich gehalten, dass etwas unbequemer sein konnte als die elegante Gewandung eines Adligen, die zu tragen man in der Öffentlichkeit von ihm erwartete. Das dicke, lederne Wams der Uniform, das den Eindruck einer Rüstung erwecken sollte, schmiegte sich viel zu eng an die dazugehörige weiße Tunika, die wie eine klägliche Version eines Priesterzirks aussah. Wer auch immer die Uniformen gemacht hatte, hatte sich offensichtlich nicht entscheiden können, ob Ratgeber dem Militär oder dem Priesterstand angehörten, und deshalb verband die Uniform Elemente beider Kleidungsstile.