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Ich träume. Das ist nicht gut. Ich sollte bewusstlos sein...

Sie versuchte, sich aus dem Trugbild zu befreien, aber der Traum ließ sie nicht los. Plötzlich ragte wieder der hohe, weiße Turm über ihr auf, noch bedrohlicher als zuvor. Sie wollte fliehen, konnte sich aber nicht bewegen. Wieder wusste sie, dass man sie sehen würde, wenn sie blieb. Sie konnte den Blick nicht abwenden. Sie brauchten sie nur zu sehen, und...

»Was ist los mit ihr?«

... Und sie würden wissen, wer sie war...

»Sie hat Formtane genommen. Ihr wird übel, wenn sie reist. Ich glaube, ihre Dosis war ein wenig zu stark.«

... Und wenn sie es herausfanden...

»Das ist wohl eindeutig. Sie sollte bewusstlos sein, aber stattdessen ist sie in einem Traum gefangen.«

... Dann würden sie sie töten...

»Gefangen? Das kannst du sehen?«

»Ja, ich bin ein Priester.«

»In der Uniform eines Wachsoldaten?«

»Ja.«

»Wird sie aufwachen?«

... Der Turm ragte über ihr auf. Er schien sich vorzubeugen. Angst durchzuckte sie, als die ersten Risse über seine Oberfläche liefen...

»Ja. Wenn die Droge ihre Wirkung verliert, wird sie sich aus dem Traum befreien.«

... Und der Turm begann, auf sie herabzufallen...

»Vielen Dank, Priester...?«

»Ikaro.«

Emerahl nahm die Stimmen kaum wahr. Der Traum war zu real. Vielleicht waren die Stimmen ein Traum, und der Traum war Wirklichkeit. Sie hörte das Krachen des einstürzenden Turms, spürte den Schmerz in ihren zerschmetterten Gliedern und in ihrer Lunge, während sie langsam erstickte. Es ging immer weiter und weiter, eine Ewigkeit, die nur aus Schmerz bestand.

»Jade?«

Mir gefällt diese Wirklichkeit nicht, dachte Emerahl. Ich will den Traum. Wenn ich mir einrede, dass der Traum real ist, kann ich diesem Schmerz vielleicht entkommen. Sie versuchte krampfhaft, die Stimme besser zu hören, konzentrierte sich auf die Worte. Der Schmerz ebbte ab.

»Jade. Wach auf.«

Jemand drückte ihr die Lider auf. Sie erkannte Gesichter. Spürte Sorge aus dem Geist vertrauter Menschen strömen. Klammerte sich daran fest und zog sich aus dem Traum empor.

Sie sog mit tiefen Zügen die herrlich klare Luft in ihre Lunge und sah die fünf jungen Frauen an, die sich über sie beugten. Ihre Namen gingen ihr durch den Sinn. Sie konnte die Bewegung des Tarns spüren. Sie lag auf einer Bank. Der Turmtraum, dachte sie. Er ist wiedergekommen. Diesmal waren Stimmen da. Ein weiterer Traum innerhalb des Traums.

»Was ist passiert?«

Die Erleichterung in den Zügen der Mädchen war rührend. Sie hatten gute Herzen, befand Emerahl. Sie würde sie vermissen, wenn sie fortging.

»Du hast zu viel Formtane genommen«, erklärte Brand. »Du bist bewusstlos geworden.«

»Ein Priester, der an den Toren postiert war, ist zu uns gekommen, um nachzusehen«, ergänzte Barmherzigkeit. »Ich weiß nicht, woher er es gewusst hat.«

Furcht regte sich in Emerahl, und sie richtete sich auf. Ein Priester! Also war der Traum innerhalb des Traums Wirklichkeit gewesen? »Was hat er gesagt?«

Flut lächelte. »Er hat einen Blick auf dich geworfen und gemeint, es sei alles in Ordnung mit dir, du würdest nur träumen.«

»Ich denke, er konnte Gedanken lesen«, fügte Stern hinzu.

Er konnte sehen, dass ich geträumt habe? Sie runzelte die Stirn. Ich muss unvorsichtig gewesen sein.

»Wir haben uns Sorgen gemacht, dass dir ein Fehler mit der Dosis unterlaufen sein könnte«, bemerkte Brand. »Oder dass du versucht hättest, dich umzubringen.«

»Du hast doch nicht versucht, dich umzubringen, oder?«, fragte Flut ängstlich.

»Nein.« Emerahl zuckte die Achseln. »Ich dachte nur, es würde länger anhalten, wenn ich mehr nehme.«

»Dummes Mädchen«, tadelte Brand sie. »Diesen Fehler wirst du nicht noch einmal machen.«

Emerahl schüttelte kläglich den Kopf, dann schwang sie die Beine über die Kante der Bank. Brand setzte sich neben sie.

»Du siehst immer noch ein wenig verträumt aus«, sagte Brand. »Lehn dich an mich und schlaf ein bisschen – falls du bei dieser Schaukelei ein Auge zu tun kannst.«

Emerahl lächelte dankbar. Sie lehnte den Kopf an die Schulter des größeren Mädchens und schloss die Augen.

Der Priester hat also meine Gedanken gelesen, ging es ihr durch den Kopf. Und er hat alles, was er darin gesehen hat, als Traum abgetan. Sie dachte an die Angst, entdeckt zu werden, die in dem Turm immer auf sie lauerte. Eine Angst, die ihrer eigenen Angst vor Entdeckung sehr ähnlich war. Im Stillen dankte sie dem Traumweber, der diese Träume aussandte. Er oder sie hatte ihr wahrscheinlich das Leben gerettet.

Als Auraya erwachte, wurde ihr bewusst, dass sie nicht von Leiard geträumt hatte, und sie stieß einen Seufzer der Enttäuschung aus.

Seit ihrer Abreise aus Si hatte er sie in ihren Träumen nicht mehr besucht. Sie hatte die schwache Hoffnung gehegt, es könnte etwas damit zu tun haben, dass sie auf Reisen und deshalb schwer zu finden war und dass er sich wieder mit ihr vernetzen würde, wenn sie in das Offene Dorf zurückkehrte, aber in der vergangenen Nacht hatte nichts ihren Schlaf gestört.

Das war nur eine einzige Nacht, dachte sie. Er wird nicht wissen, dass ich schon zurückgekehrt bin, und jetzt muss ich wieder aufbrechen.

Sie stand auf und begann sich zu waschen. Gewiss überprüft er jede Nacht, ob ich zurückgekehrt bin. Vielleicht hat er einfach zu viel zu tun – oder die Traumvernetzung ist zu anstrengend, um sie jede Nacht durchzuführen.

Ich sollte überhaupt nicht darüber nachdenken. Ich sollte darübernachdenken, die Siyee in den Krieg zuführen.

Es hatte eine Menge vorzubereiten gegeben. Sie hatte gestern bis spät in die Nacht mit den Sprechern erörtert, was sie mitnehmen mussten und in welchen Dingen sie sich auf die Vorräte der Landgeherarmee würden stützen müssen. Die Siyee konnten nicht viel Gewicht mit sich tragen. Sie würden ihre Waffen und genug Nahrung mitnehmen müssen, um bis zu den Goldebenen zu kommen, mehr jedoch nicht. Auraya hatte sich bei Juran versichert, dass die Siyee zu essen bekommen würden, sobald sie sich der Armee angeschlossen hatten.

Auraya unterzog ihre Kleidung einer genauen Musterung und machte sich mithilfe von Magie daran, so viele Flecken wie nur möglich zu entfernen. Sie kämmte sich die Knoten aus ihrem Haar, die sich während des Fluges gestern angesammelt hatten. Die Siyee haben eindeutig recht damit, ihr Haar kurz zu halten, überlegte sie. Ich frage mich, wie ich mit kurzem Haar aussehen würde...

Sie flocht die Haare zu einem langen Zopf, dann ging sie in den Hauptraum der Laube. Eine Siyee hatte ihr am Abend zuvor einen kleinen Korb mit einigen Speisen gebracht. Auraya trank ein wenig Wasser, dann begann sie zu essen.

Dies könnte für viele Monate meine letzte Nacht hier sein. Nach dem Krieg wird Juran wollen, dass ich nach Jarime zurückkehre.Der Gedanke machte sie traurig. Sie wollte nicht fortgehen. Aber gleichzeitig regte sich auch Neugier in ihr. Was wird meine nächste Herausforderung sein? Eine weitere Allianz, die ich aushandeln muss? Werde ich nach Borra zurückkehren, um dem König von Elai noch einmal meine Bitte vorzutragen?

Es würde mehr dazu gehören als Worte, König Ais dazu zu bewegen, eine Allianz in Erwägung zu ziehen. Sie hatte in den Gedanken des Elai viel Argwohn und Hass auf die Landgeher gesehen. Wenn sie die Plünderer in die Schranken wiesen, würde das vielleicht helfen, das Vertrauen des Meeresvolkes zu gewinnen. Wenn nicht, würde es zumindest den Hauptgrund dafür beseitigen, warum die Elai die Landgeher hassten. In einigen Generationen würde ihr Hass sich vielleicht so weit verringert haben, dass sie einen Kontakt mit der Außenwelt nicht mehr für allzu gefährlich halten würden. Etwas in der Art hatte sie auch zu Juran gesagt, und er hatte ihr recht gegeben. Wenn ihre nächste Aufgabe nicht die Elai waren, was dann? Sie erwog die möglichen Konsequenzen des Krieges. Sennon unterstützte die Pentadrianer. Wenn die Götter noch immer wünschten, dass Sennon sich friedlich mit dem Rest von Nordithania verbündete, würde es dort nach dem Krieg einiges an Arbeit geben; nicht zuletzt würden sie die übrigen Verbündeten der Weißen zur Versöhnlichkeit überreden müssen. Indem sie sich mit dem Feind zusammentaten, würden die Sennoner den Tod vieler Bewohner Nordithanias verursachen. Viele Menschen würden Sennon bestraft sehen wollen, aber damit würden sie nur zusätzlichen Groll und weiteren Hass schüren.