Выбрать главу

Langsam standen die Siyee auf und blickten voller Ehrfurcht zu der Göttin empor.

Es freut mich zu sehen, dass ihr heute hier zusammengekommen seid. Ihr seid stark und zahlreich geworden. Ihr seid bereit, euren Platz unter den Völkern Nordithanias einzunehmen. Ihr habt große Klugheit bei der Wahl eurer Verbündeten bewiesen. Und in Auraya werdet ihr nicht nur eine Verbündete haben, sondern auch eine treue Freundin. Sie liebt euch mehr, als es die Pflicht von ihr verlangt. Alle Weißen werden euch schützen, so gut sie können. Aber eure Zähigkeit als Volk ist es, die euer Überleben in der Zukunft sichern wird, nicht Auraya oder ich. Seid stark, aber seid auch weise, Volk von Si. Wisset um eure Stärken und eure Schwächen und haltet aus.

Die Göttin lächelte, dann verblasste ihre leuchtende Gestalt und verschwand. Sirri sah mit immer noch geweiteten Augen zuerst Auraya an, dann die versammelten Siyee.

»Wir haben die Worte der Göttin Huan gehört. Lasst uns nicht länger warten. Lasst uns in den Krieg fliegen!«

Sie nickte den Sprechern zu, die unverzüglich an den Rand des Felsvorsprungs traten und zu ihren Stämmen hinunterflogen. Dann drehte sich Sirri wieder zu Auraya um.

»Ich hatte eine flammende Abschiedsrede geplant, aber jetzt habe ich vollkommen vergessen, was ich sagen wollte«, gestand sie leise.

Auraya lächelte und zuckte die Achseln. »Ein Besuch der Götter kann durchaus eine solche Wirkung haben.«

»Es spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass wir voller Zuversicht in den Kampf ziehen, und gerade diese Zuversicht hat Huan uns eben vermittelt. Also, es sieht so aus, als würde mein Stamm darauf brennen, endlich in die Luft zu kommen. Möchtest du mit uns fliegen?«

Auraya nickte. »Sehr gern, vielen Dank.«

Sirri lächelte und gab ihr ein Zeichen, dann sprangen sie beide vom Felsvorsprung. Der Stamm der Sprecherin gesellte sich unverzüglich zu ihnen, und ein Stamm nach dem anderen folgte ihrem Beispiel. Auraya betrachtete die Wolke fliegender Geschöpfe, und Staunen machte sich in ihr breit.

Aber dem Staunen folgte ein Stich der Sorge. Dies wird ihr erster Krieg sein, dachte sie. Sie können unmöglich wirklich auf das vorbereitet sein, was ihnen bevorsteht. Sie seufzte. Und für mich gilt dasselbe.

Teil 3

33

Ebenen sollten doch eigentlich flaches Land sein, nicht wahr?, dachte Danjin, als er den Hügel erklomm. Die Goldebenen ließen sich am besten mit dem Ausdruck »gewellt« beschreiben. Im westlichen Teil war die Landschaft weniger hügelig, aber hier im Osten konnte man sie nur im Vergleich zu den zerklüfteten Bergen am Rand der Ebene als flach bezeichnen.

Auch dem anderen Teil ihres Namens wurde die Landschaft nicht gerecht. Die Ebenen waren nur im Sommer golden, wenn die Gräser gelb wurden. Jetzt, direkt nach dem Winter, konnte man eine Mischung gesunder, grüner neuer Setzlinge unter den alten, dunkleren Pflanzen sprießen sehen.

Auf dem Kamm des Hügels angekommen, blieb Danjin stehen. Sein schwerer Atem klang seltsam laut an diesem ruhigen Ort. Er drehte sich um, und sein Unbehagen war schlagartig vergessen. Unter ihm erstreckte sich das größte Armeelager, das er je gesehen hatte.

Das einzige Armeelager, das ich je gesehen habe, korrigierte er sich. Aber dieses hier ist gewiss größer als jedes Lager, von dem ich je gelesen habe.

In einem großen, von niedrigen Hügeln gesäumten Tal konnte er Männer, Frauen, Tiere, Tarns, Plattans und Zelte erkennen. Das Gras, das den Ebenen ihren hübschen Namen eingetragen hatte, war inzwischen zu Schlamm zertrampelt. Das Licht der späten Nachmittagssonne berührte eine braune Linie, die auf der einen Seite in das Tal führte und sich auf der anderen in die Berge fortsetzte. Ein breiterer Streifen zertretenen Grases am westlichen Rand dieser Straße verriet, aus welcher Richtung die Armee gekommen war. In der Mitte des Tals stand ein großes Zelt, das, obwohl es jeden Abend neben der schlammigen Hauptdurchgangsstraße des Lagers aufgeschlagen worden war, seine weiße Farbe bewahrt hatte. Dies war der Ort, an dem der Kriegsrat der Weißen zu tagen pflegte.

Es war schwer, sich vorzustellen, dass irgendeine Armee dieser hier etwas entgegenzusetzen haben könnte. Danjin betrachtete die Berge im Osten. Selbst aus dieser Entfernung wirkten sie wild und unpassierbar. Er war zu weit entfernt, um die Straße sehen zu können, die sich den Pass hinauf schlängelte. Aber irgendwo jenseits dieser Gipfel befand sich eine weitere Armee, und nach allen Berichten war sie noch größer als die, die er vor sich hatte.

Er schöpfte einen gewissen Trost aus der Tatsache, dass sich das Heer der Zirkler noch nicht zur Gänze versammelt hatte. Bisher bestand es nur aus drei Nationen: Hania, Somrey und Genria – wobei Letztere sich der Truppe einige Tagesreisen von Jarime entfernt angeschlossen hatte. Die torenische Armee sollte ebenfalls in einigen Tagen zu ihnen stoßen, die Dunweger waren nicht viel weiter entfernt, und die Siyee... die Siyee wurden jeden Augenblick erwartet. Danjin wandte der Armee den Rücken zu und schaute nach Süden. Der Himmel war wolkenlos, abgesehen von einem dunklen Fleck in der Nähe des Horizonts. Sie hat gesagt, sie hätten die Ebenen erreicht, dachte er. Also, wo sind sie?

Er starrte in den Himmel, bis das grelle Licht ihm Tränen in die Augen trieb. Schließlich wandte er den Blick ab und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Leise Schritte holten ihn jäh in seine Umgebung zurück, und als er sich umdrehte, sah er einen Soldaten näher kommen. Es war einer der vielen Wachposten, die in den Hügeln rund um das Lager unterwegs waren.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte der Mann. »Ja, danke«, antwortete Danjin. »Es ist nur das grelle Licht des Himmels.«

Der Mann schaute nach Süden und beschattete die Augen mit der Hand. »Würdest du dir einmal diese Wolke ansehen?«

Danjin folgte dem Blick des Mannes. Der dunkle Fleck war größer geworden und... zersplitterte sich jetzt in viele winzige Punkte. Sein Herz setzte einen Schlag aus.

»Sie sind es«, murmelte er.

Danjin ließ den verwirrten Soldaten stehen und eilte den Hügel hinunter. Als er die ersten Zelte erreichte, verlangsamte er seinen Schritt. Einige Soldaten beobachteten ihn; sie hielten stets Ausschau nach Anzeichen von Nervosität bei den Führern der Armee und ihren Ratgebern.

Als er an die Hauptdurchgangsstraße kam, sah Danjin, dass Juran, Dyara, Rian und Mairae bereits vor dem weißen Zelt standen, den Blick zum Himmel gerichtet. Der alte genrianische König, Guire, stand bei seinem Gefolge. Meeran, der Vermittler des somreyanischen Rats, war zu dem Ältesten der Zirkler, Haleed, getreten. Ein dunwegischer Botschafter, Jen von Rommel, hatte sich zu dem dunwegischen Priester gesellt, der ihn stets begleitete und dessen hauptsächliche Rolle anscheinend darin bestand, den Weißen eine Möglichkeit zu geben, sich mit den abwesenden dunwegischen Führern in Verbindung zu setzen.

Danjin ging auf die kleine Gruppe von Ratgebern zu. Ihm fiel auf, dass die neue Traumweberratgeberin zugegen war. Raeli nahm nur selten an den Zusammenkünften des Kriegsrats teil, und wenn sie es doch einmal tat, wirkte sie unnahbar und desinteressiert. Als sie seinen Blick spürte, drehte sie sich zu ihm um, und er nickte höflich. Sie wandte sich ab. Danjin unterdrückte einen Seufzer.

Ich glaube, ich vermisse Leiard tatsächlich. Er war nicht viel redseliger als diese Frau, aber er war... was genau ? Er war zumindest zugänglich.

Raeli hatte ihre Aufmerksamkeit auf den Himmel gerichtet. Er drehte sich gerade rechtzeitig um, um die ersten Siyee über dem Hügel auftauchen zu sehen, den er soeben erklommen hatte. Zwei von ihnen kreisten einmal über dem Tal, dann ergoss sich plötzlich eine große Zahl der Geflügelten über den Kamm des Hügels. Als tausende von Siyee über dem Tal niedergingen, hörte Danjin überall um sich herum Ausrufe des Erstaunens. Auch sein eigenes Herz schlug schneller vor Aufregung. Die Siyee zogen ein paar Kreise, dann ließen sie sich langsam zu Boden sinken. Das Schlagen ihrer Flügel klang wie ein plötzlich aufkommender Wind, und der Aufprall vieler tausend Füße auf dem Boden erinnerte an das Klatschen von schwerem Regen. Sobald sie gelandet waren, stach ihre Kleinwüchsigkeit plötzlich ins Auge. Ihr kindliches Aussehen wurde jedoch von ihrer Kleidung und ihren Waffen gemildert. Im Gegensatz zu den beiden Boten, die nach Jarime gekommen waren, hatten diese Siyee Bögen, Köcher mit Pfeilen und Messer, und außerdem trugen sie, über ihre ledernen Wämser und Hosen geschnallt, etwas, das wie Blasrohre aussah. Männer wie Frauen hatten kurzes Haar, muskulöse Körper und eine stolze Ausstrahlung. Dies waren Krieger, klein, aber kämpferisch.