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Je schneller ich von dieser Frau wegkomme, umso besser, ging es Emerahl durch den Kopf.

»Wenn ich ihre Wunde genäht habe, darf sie nicht mehr bewegt werden, daher müssen wir sie zuerst irgendwo hinbringen, wo sie es warm und bequem hat.« Sie sah die Wachen an. »Legt sie in den Wagen.«

Die Männer gehorchten ihr. Als sie wieder herauskamen, trat Rozea in die Tür. Emerahl hielt sie am Arm fest.

»Nein«, sagte sie. »Ich arbeite allein.«

»Ich werde nicht zulassen, dass du...«

»O doch, das wirst du«, knurrte Emerahl. »Der letzte Mensch, den sie wird sehen wollen, wenn sie aufwacht, bist du.«

Rozea zuckte zusammen. »Sie wäre so oder so gestorben.«

»Ich weiß, aber sie wird Zeit brauchen, um das zu akzeptieren. Für den Augenblick würdest du sie nur aufregen, und das würde ihr schaden.«

Rozea runzelte die Stirn, dann trat sie beiseite. Emerahl stieg in den Wagen und ging neben Stern in die Hocke. Kurz darauf brachten die Diener eine große Schale mit Wasser und Stoff streifen herbei und legten dann einen jämmerlich kleinen Lederbeutel in die Nähe des Eingangs.

Emerahl rührte nichts davon an. Stattdessen legte sie die Hände wieder auf Sterns Verletzung.

»Niemand darf mich stören«, rief sie. »Hast du mich gehört?«

»Ja«, antwortete Rozea.

Emerahl schloss die Augen, verlangsamte ihre Atmung und richtete ihre Aufmerksamkeit nach innen.

Es dauerte nicht lange, bis sie sich in Trance versetzt hatte. Diese Heiltechnik ähnelte ihrer eigenen Methode, ihr Äußeres zu verändern, kostete aber weniger Zeit und Magie. Ihr Geist musste seine Denkweise verändern, um die Welt von Fleisch und Knochen zu erfassen. In diesem Bewusstseinszustand war alles – Fleisch, Stein, Luft – wie ein gewaltiges, aus einer Vielzahl einzelner Teile bestehendes Mosaik. Diese Teile bildeten Muster. Sie taten es praktisch aus eigenem Antrieb. Wenn sie heilte, brauchte sie die Teile nur grob zu dem richtigen Muster zusammenzufügen, dann stellte sich der ursprüngliche Zustand von selbst wieder her.

Zumindest war das die Art, wie sie am liebsten arbeitete. Mirar hatte versucht, sie dazu zu bringen, ihre Fähigkeiten über das Notwendige hinaus zu verfeinern. Er hatte diese Heilmethode zur Kunst erhoben und das Ziel verfolgt, die Patienten vollkommen wiederherzustellen, ohne dass Narben – welcher Art auch immer – zurückblieben und möglichst so, dass keine weitere Zeit mehr für die Genesung benötigt wurde. Emerahl hatte keinen Sinn darin gesehen, so viel Zeit und Mühe auf reine Äußerlichkeiten zu vergeuden. In diesem Fall gab es noch einen anderen Grund zu bedenken: Wenn Stern keine Narbe davontrug, würde den anderen klarwerden, dass Emerahl etwas Außerordentliches getan hatte. Die Geschichten über ihre Arbeit würden gewiss die Aufmerksamkeit der Priester erregen.

Langsam fügte sich das zerrissene Gewebe der Wunde wieder zusammen. Die Körperflüssigkeiten drangen nicht länger nach außen, sondern flössen durch die dafür vorgesehenen Bahnen. Als nichts mehr übrig war außer einer flachen Wunde, öffnete Emerahl die Augen.

Schließlich griff sie nach dem Wasser und dem Verbandszeug, erwärmte Ersteres und benutzte Letzteres, um die Wunde zu reinigen. Aus dem Beutel nahm sie eine Nadel und Faden. Mithilfe von ein klein wenig Magie erwärmte sie die Nadel, wie Mirar es sie gelehrt hatte, um einer Entzündung vorzubeugen. Der Faden roch nach einem Kräuteröl, das gegen eine Vereiterung von Verletzungen eingesetzt wurde. Der Beutel mochte klein sein, aber sein Inhalt war von guter Qualität.

Als Emerahl sich wieder umdrehte, sah Stern sie mit weit aufgerissenen Augen an.

»Du bist nicht das, was du zu sein scheinst, nicht wahr, Jade?«, flüsterte das Mädchen. Emerahl musterte sie wachsam. »Warum sagst du das?«

»Du hast mich soeben mit Magie geheilt. Ich konnte es fühlen.«

»Das liegt nur an den Heilmitteln, die ich dir zur Stärkung gegeben habe.«

Stern schüttelte den Kopf. »Ich habe dich beobachtet. Du hast nichts anderes getan, als mit geschlossenen Augen dazusitzen, während ich spüren konnte, wie sich etwas in mir bewegte. Der Schmerz ist schwächer geworden, obwohl er eigentlich hätte schlimmer werden müssen.«

Emerahl betrachtete Stern eingehend. Sie bezweifelte, dass das Mädchen ihr glauben würde, wenn sie alles leugnete.

»Ja. Ich habe einen kleinen magischen Trick benutzt, den ich von einem Traumweber gelernt habe. Glaub nur nicht, du seist vollkommen geheilt. Wenn du nicht aufpasst, könnte die Wunde wieder aufreißen. Damit das nicht passiert, muss ich dich jetzt nähen. Möchtest du eine Medizin, damit du das Bewusstsein verlierst?«

Stern besah sich die Nadel und erbleichte. »Ich... ich denke, du solltest mir besser etwas geben.«

Emerahl legte die Nadel beiseite und unterzog den Inhalt des Beutels einer genauen Musterung. Sie fand eine Phiole, auf deren Etikett die Worte »um Schlaf zu erzwingen – drei Tropfen« zu lesen waren. Die Flüssigkeit roch nach Formtane und einigen anderen Beruhigungsmitteln.

»Dies hier dürfte den Zweck erfüllen.« Emerahl sah Stern an und seufzte. »Wirst du mir etwas versprechen?«

Stern zögerte kurz, dann nickte sie. »Es soll niemand erfahren, dass du Magie benutzt hast.«

»Rozea weiß bereits, dass ich über einige Gaben verfüge.

Ich möchte nicht, dass sie erfährt, wie groß diese Gaben sind, sonst wird sie von mir verlangen, mit den Kunden Dinge zu tun, die ich nicht tun will. Also lass uns vorgeben, du wärst nicht so schwer verletzt gewesen, wie es den Anschein hatte, und ich hätte meine Magie lediglich dazu benutzt, den Blutfluss zu stillen und das Gewebe zusammenzuhalten, während ich dich genäht habe.«

Stern nickte. »So werde ich es erzählen.«

»Du versprichst mir, nicht mehr zu sagen?«

»Ich verspreche es.«

Emerahl lächelte. »Danke. Ich vermisse euch alle sehr. Es ist so langweilig, mit Rozea allein im Wagen zu sitzen. Sie erlaubt nicht einmal Brand, mich zu besuchen.«

»Jetzt hast du ja mich zum Reden«, erwiderte Stern lächelnd.

Nicht wenn ich heute Nacht fortgehe, dachte Emerahl.

Sie hob eine Hand über Sterns Kopf, so dass sie dem Mädchen einige Tropfen von der Medizin in den Mund schütten konnte. Stern schluckte, verzog das Gesicht und sprach dann weiter.

»Du hattest recht, diese Reise ist wirklich gefährlich. Wir sind jetzt so weit hinter der Armee zurückgeblieben. Wie viele unserer Wachen sind tot?«

»Das kann ich dir nicht sagen.«

»Einige sind tot. Das weiß ich. Was ist, wenn so etwas noch einmal passiert?« Stern sah Emerahl an, und ihre Augen wurden langsam glasig. »Ich bin so froh, dass du bei uns bist. Du kannst helfen, uns zu beschütz...«

Emerahl wandte den Blick ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Einfädeln der Nadel. Von den Wachen, die sie hatte kämpfen sehen, waren am Ende nur noch zwei am Leben gewesen. Es war möglich, dass einige andere Soldaten außerhalb ihrer Sichtweite Wache gestanden hatten, doch wenn das nicht der Fall war, war die Karawane jetzt nur noch höchst unzureichend geschützt.

Und zwei Männer genügen nicht, um mich zu bewachen.

Sie machte sich daran, die Ränder der Wunde zusammenzunähen. Zuerst gab Stern noch ein leises Wimmern von sich, dann verlangsamte sich ihre Atmung, und sie wurde ruhiger.

Stern hat recht. Die Huren brauchen Schutz, überlegte Emerahl. Vor allem wenn es Tage dauern wird, bis die Karawane wieder zu der Armee aufschließt.

Tage, in denen sie nicht zu fürchten brauchte, dass sie von Priestern entdeckt wurde. Sie murmelte einen Fluch. Als sie mit der Wunde fertig war, legte sie die Nadel und die Garnspule wieder in den Beutel. Dann rief sie Rozeas Namen.

Die Bordellbesitzerin spähte in den Tarn. Sie warf einen Blick auf Stern und zog die Augenbrauen hoch.

»Sie lebt?«

»Im Moment, ja.«

»Gut gemacht.« Rozea stieg in den Wagen und setzte sich dem schlafenden Mädchen gegenüber. »Eine saubere Arbeit. Du steckst voller Überraschungen, Jade.«