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»Wenn ich nicht in Si gewesen wäre, hätte ich es getan.« Auraya hielt Mairaes Blick fest.

»Glaubst du, er würde es widerrufen?«

»Vielleicht.« Mairae runzelte die Stirn. »Wenn ihm der Gedanke widerstrebt, schlag ihm vor, das Verbot nach der Schlacht für eine bestimmte Zeit auszusetzen.«

»Das werde ich tun. Ich würde ein wenig besser schlafen, wenn ich wüsste, dass diejenigen, die die Schlacht überleben, nicht an ihren Verletzungen sterben werden.«

»Ich glaube nicht, dass es mir helfen würde, besser zu schlafen«, bemerkte Mairae düster.

Auraya lächelte. »Das klingt ganz so, als müsstest du dir eine Ablenkung suchen, Mairae. Gewiss sollte es in der größten Armee, die Nordithania je gesehen hat, doch ein oder zwei Männer geben, die deine Aufmerksamkeit erregt haben.«

Mairaes Miene hellte sich auf. »Da wäre tatsächlich der eine oder andere, aber da auch so viele meiner ehemaligen Geliebten hier sind, muss ich mich von meiner besten Seite zeigen. Es würde nicht angehen, wenn ich einen Verbündeten einem anderen vorzöge.«

Sie hielt inne, dann legte sich ein nachdenklicher Ausdruck über ihre Züge. »Obwohl es ein Volk gibt, das ich noch nicht ausprobiert habe...«

Ein Stich des Entsetzens durchzuckte Auraya, als ihr klar wurde, woran Mairae dachte.

»Nein!«

Mairae grinste. »Warum nicht? Sie mögen klein sein, aber...«

»Es ist verboten«, erklärte Auraya energisch. »Von Huan. Aus der Paarung mit Landgehern entspringen missgebildete Kinder.«

»Ich werde kein Kind empfangen.«

»Nein, aber wenn du einen von ihnen dazu verleitest, eins ihrer ernstesten Gesetze zu brechen, würdest du diese neue Freundschaft zwischen den Siyee und den Landgehern besudeln und vielleicht sogar zerstören.«

Mairae seufzte. »Ich fand die Idee ohnehin nicht allzu verlockend.« Sie setzte ihren Kelch an die Lippen, dann zögerte sie. »Glaubst du, irgendjemand hätte etwas dagegen, wenn ich mir einen Mann suchte, der nicht dem Adel entspringt? In der genrianischen Armee gibt es einen sehr gutaussehenden Mann, der einen Kriegsplattan fährt. Ein Krieger, wie er im Buche steht.«

Auraya unterdrückte einen Seufzer. Es würde eine lange Nacht werden.

36

Nicht lange, nachdem Danjin eingeschlafen war, wurde er von einer Berührung an seinen Beinen wieder geweckt. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass Unfug sich auf seinen Oberschenkeln zusammengerollt hatte.

Seufzend schüttelte er den Kopf. Wie sorgfältig er den Käfig des Veez auch verschließen mochte, es gelang dem Tier stets, zu entkommen. Er hätte Unfug zurückbringen sollen, aber der Käfig stand unter der gegenüberliegenden Bank, hinter den Beinen von Lanren Liedmacher. Der Militärratgeber lag in tiefem Schlaf, und Danjin wollte ihn nicht stören.

Außerdem war der Veez eine willkommene Wärmequelle. Wäre mein Vater nicht begeistert, wenn er mich jetzt sehen könnte? Ich bin aufgrund meiner Intelligenz und meines Wissens über die Welt eingestellt worden, aber bisher bestand mein einziger Nutzen darin, auf ein Schoßtier aufzupassen.

Er sah sich in dem Tarn um. Alle anderen, die hier Quartier genommen hatten, schliefen, selbst die neue Traumweberratgeberin, Raeli. Ihr Gesicht hatte viel von seiner starren Wachsamkeit verloren. Sie war keine schöne Frau, aber ohne die Sorgenfalten, die normalerweise zwischen ihren Brauen standen, wirkte sie auch keineswegs unattraktiv.

Während des Essens am vergangenen Abend hatte Auraya ihm erklärt, dass Raelis herablassende Art ihren Grund in Furcht und Argwohn hatte. Die Frau hatte Angst davor, schlecht behandelt zu werden und Fehler zu machen, die ihren Leuten schaden könnten. Sie wagte es nicht, sich mit jemandem anzufreunden, weil die Möglichkeit bestand, dass derjenige sie verraten würde. Auraya hatte ihm versichert, dass Raeli für jede freundliche Geste ihr gegenüber durchaus dankbar war. Außerdem hatte sie durchblicken lassen, dass er es leichter haben würde, sich mit der Traumweberin anzufreunden, als sie selbst, da sie eine der Weißen war. Er hatte den verborgenen Fingerzeig verstanden; sie wollte, dass er sich für sie mit Raeli anfreundete. Es würde nicht einfach sein. Raeli beantwortete die meisten Fragen so knapp wie möglich. Als er an diesem Morgen mit Unfug in den Tarn gekommen war, hatte er einen Anflug von Wärme in Raelis Blick wahrgenommen und darüber nachgedacht, ob der Veez vielleicht eine Brücke zwischen ihm und der Traumweberin darstellen könnte. Sie kam aus Somrey, und in ihrem Land war die Haltung von Veez als Haustieren weit verbreitet. Obwohl er nicht die leiseste Ahnung hatte, wann er die Zeit finden sollte, sich mit ihr anzufreunden, da jeder Augenblick seines Tages voll ausgefüllt war und es außerdem eine unausgesprochene Vorschrift gab, die Gespräche im Tarn der Ratgeber untersagte.

Danjin schloss die Augen und seufzte. Es wäre alles so viel leichter, wenn Leiard nicht zurückgetretenwäre. Seit dem Tag, an dem er den Traumweber in Jarime aufgesucht hatte, hatte er Leiard nicht mehr gesehen. Gestern hatte Auraya ihm erzählt, dass sie in der Nacht zuvor Leiard in einem Traumweberlager in einiger Entfernung gefunden und mit ihm gesprochen hatte.

Das muss nach dem Kriegsrat gewesen sein. Braucht sie denn überhaupt keinen Schlaf?

Er gähnte. Vielleicht braucht sie keinen, aber für mich gilt das nicht.

Eine Weile wanderten seine Gedanken ziellos umher. Obwohl es ausgesprochen unbequem war, im Sitzen zu schlafen, während der Wagen über die Straße holperte, nickte er schließlich ein. Dann versetzte ihm etwas einen Tritt, so dass er zunächst einmal nur Dankbarkeit für das schwere Lederwams verspürte, das seine Lenden schützte. Fluchend schreckte er hoch und sah gerade noch den Veez unter der Wagenlasche verschwinden. Als Nächstes fiel ihm auf, dass mehrere Ratgeber ihn vorwurfsvoll musterten. Er schüttelte den letzten Rest Schläfrigkeit ab, sprang auf und machte sich an die Verfolgung des kleinen Tieres.

Draußen regnete es. Die Armee war ein langer Zug von Männern, Frauen, Tieren und Wagen.

Er konnte keine Spur von Unfug entdecken, wusste aber aus Erfahrung, dass er am besten dort suchte, wo sich Auraya gerade aufhielt. Wenn ich doch nur noch ihren Ring hätte, dachte er. Dann könnte ich sie fragen. Sie hatte ihm den Ring abgenommen, um ihn dem Anführer der Späher aus Si zu geben. Es war sehr wichtig zu erfahren, was die Himmelsleute sahen; dagegen war es von minderer Bedeutung, dass der Ring es ihm ermöglichte, ihr launisches Schoßtier ein wenig schneller zu finden.

Ah, aber erst nachdem ich den Ring wieder abgegeben hatte, ist mir klargeworden, wie nützlich er war.

Stirnrunzelnd überlegte er, was er tun sollte. Wenn Auraya bereits von ihrem Erkundungsflug mit den Siyee zurück war, war sie wahrscheinlich bei den anderen Weißen. Er machte sich im Laufschritt auf den Weg zu dem weißen Tarn.

Als er näher kam, sah er, dass Juran auf einem der berühmten Träger neben dem Wagen herritt. Der Anführer der Weißen verbrachte fast den ganzen Tag im Sattel. Er war immer irgendwo in der langen Kolonne unterwegs und unterhielt sich mit den Menschen. Danjin hatte einige Stallburschen bemerkt, die sich um die anderen vier Träger kümmerten, aber abgesehen von Juran waren Dyara und Rian die einzigen anderen Weißen, die er bisher hatte reiten sehen. Mairae schien die Annehmlichkeiten des Tarns zu bevorzugen, und Auraya hatte, wie er wusste, niemals reiten gelernt. Danjin war sich nicht sicher, warum man überhaupt einen Träger für sie mitgenommen hatte. Das Fliegen war inzwischen ihre bevorzugte Art zu reisen. Gestern war sie zusammen mit den Siyee der Armee weit vorausgeflogen, einerseits, um sie zu schützen, andererseits, um mit den Hirten zu sprechen, falls diese zurückschlagen sollten, wenn die Siyee Jagd auf ihre Herden machten. Außerdem sorgte sie so dafür, dass die Weißen eine Verbindung zu dem Himmelsvolk hatten, da es unter den Siyee keine Priester gab, die Nachrichten auf telepathischem Wege übermitteln konnten.