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Flieh, flüsterte Auraya, obwohl sie wusste, dass es kein Entkommen für ihn gab. Tireel blickte hinab und sah den Feind. Hunderte von Gesichtern, die ihn beobachteten. Dann zerrissen scharfe Krallen seine Flügel. Er schrie gequält auf und stürzte. Das Wissen, dass er nie wieder fliegen würde, war wie eine zusätzliche Last, die ihn in die Tiefe zerrte. Er schloss die Augen und betete, dass der Tod schnell kommen würde. Aber so war es nicht. Der Boden gab unter ihm nach, und in diesem Moment regte sich unwillkürlich Hoffnung in ihm. Er lebte. Seine Flügel mochten zerrissen sein, aber er lebte...

Dann öffnete er die Augen und sah den Ring schwarzgewandeter Männer und Frauen um sich herum. Das ist nicht gut, wiederholte Juran.

Nein, pflichtete Dyara ihm bei. Sie werden von ihm viel über uns erfahren.

Was können wir tun?, fragte Mairae. Nichts.

Vielleicht werden die anderen Siyee ihn töten.

Wenn sie es versuchen, werden sie ebenfalls gefangen, erwiderte Auraya unglücklich. Es ist meine Schuld. Ich hätte sie begleiten sollen. Ich hätte an ihrer Stelle fliegen sollen...

Nein, Auraya, widersprach Juran energisch. Wenn du hingeflogen wärst, hätten wir anstelle von Tireel eine Weiße verloren.

Er hat recht, Auraya, fügte Mairae hinzu.

Wir wussten nicht, dass diese Vögel dort sein würden oder dass sie Tireel sehen und in der Lage sein würden, die Zauberin auf ihn aufmerksam zu machen, warf Dyara ein.

Ich weiß, es ist schwer mit anzusehen, aber wir müssen in Erfahrung bringen, was Tireel preisgibt, sagte Rian. Halte die Verbindung aufrecht, Auraya.

Sie konzentrierte sich auf Tireels Geist. Seine Sicht war verschwommen, und er verlor viel Blut. Die Zauberin stand neben ihm. Sie nahm seine Hand und zog daran. Durch die Bewegung wurde seine Flügelmembran gedehnt, und eine neue Welle des Schmerzes schlug über ihm zusammen. Er spürte, wie etwas von seinem Finger glitt.

Der Ring!, rief Dyara erschrocken. Sie nimmt ihm den Ring ab.

Das ist ein Verlust, an dem wir nichts ändern können, murmelte Juran. Aber vielleicht lohnt es sich, wenn wir einen Blick in ihre Gedanken werfen...

Nachdem die Zauberin Tireel den Ring vom Finger gezogen hatte, brach die Verbindung zu seinem Geist ab. An seine Stelle trat ein Gefühl von Bedauern, das durchmischt war von einer skrupellosen Entschlossenheit. Die Siyee haben sich dafür entschieden, sich mit den Heiden zu verbünden, dachte die Frau. Das sollte ich nicht vergessen.

Was ist das für ein Ring? Ein hübscher Tand oder mehr? Vielleicht ist es ein magischer Gegenstand. Was wäre, wenn ich...? Nein!

Die Verbindung zu ihren Gedanken brach jäh ab, als sie den Ring wegwarf. Auraya öffnete die Augen. Einen Moment lang starrte sie orientierungslos auf die grasbewachsenen Hügel um sie herum. Dyara stand neben ihr.

Haben wir etwas Nützliches erfahren?, fragte Mairae hoffnungsvoll.

Nein, antwortete Juran müde. Zumindest nicht von ihr. Tireel hat uns vieles gezeigt, was wir nicht wussten. Die Größe ihrer Armee. Wie nahe sie dem Pass bereits sind. Wir werden uns beeilen müssen, wenn wir ihnen dort entgegentreten wollen. Dann wäre da noch die neue Bedrohung, die von diesen Vögeln ausgeht und die vor allem für die Siyee eine Gefahr darstellt.

Wir haben heute Abend viel zu besprechen. Ich werde dir deinen Träger schicken, Dyara. Und was ist mit dir, Auraya?

Ich werde fliegen.

Dann werden wir uns in Kürze treffen.

Als der andere Weiße seine Verbindung zu ihr abbrach, blickte Auraya zu dem Gebirge im Osten hinüber und seufzte.

»Ich hätte nicht gedacht, dass das erste Opfer ein Siyee sein würde«, murmelte Dyara.

»Nein.«

»Möchtest du, dass ich es Sprecherin Sirri sage?«

Auraya sah Dyara kurz an, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich werde das tun.«

Dyara nickte. »Dann geh. Ich komme allein zurecht. Um die Wahrheit zu sagen, es wird mir guttun, ein wenig allein zu sein. Und Juran wird sicher nichts dagegen haben, wenn auch du dir Zeit lässt.«

Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich wurde Auraya klar, dass Dyara nicht so hart war, wie sie sich gab. Sie war kalt, aber nicht ohne Mitgefühl. Das Schicksal Tireels hatte sie sehr mitgenommen.

Auraya trat beiseite, holte tief Luft und ließ sich in den Himmel hinaufschweben.

37

Als Tryss erwachte, lag er mit dem Gesicht direkt an der Membran seiner tragbaren Laube. Gedämpfte Stimmen drangen durch die dünnen Wände. Er drehte sich um und spürte einen warmen Körper hinter sich.

»Hm, du bist aufgewacht«, bemerkte Drilli. »Ich hatte schon erwartet, dass ich dich würde schütteln müssen. Du bist gestern Abend so spät zurückgekommen.«

Er lächelte, schob sich näher an sie heran und legte eine Hand auf ihre nackte Taille.

»Ich wache immer früh auf, wenn du neben mir liegst.«

Als seine Finger zu ihrer Brust hinaufwanderten, hielt sie seine Hand fest. Er zog einen Schmollmund, und sie lachte. »So früh ist es nun auch wieder nicht«, sagte sie. »Es überrascht mich, dass Sirri nicht schon hier war, um festzustellen, warum wir noch nicht gepackt haben.« Sie küsste ihn, dann richtete sie sich auf und rieb sich den Bauch.

»Ist dir wieder übel?«, fragte er.

»Ein wenig«, gab sie zu. »Es ist nur das Essen. Zu viel Fleisch und Brot. Nicht genug Obst und Gemüse.« Sie sah sich in der Laube um, die kaum groß genug war, um aufrecht darin zu sitzen. Aber ihre Aufmerksamkeit galt den Geräuschen außerhalb der Wände.

»Es muss irgendetwas passiert sein, das alle aufgeschreckt hat.«

Draußen erklang jetzt ein Ausruf des Entsetzens. Irgendwo vor dem Zelt führten zwei Siyee ein hektisches Gespräch. Tryss konnte die einzelnen Worte nicht verstehen.

»Wir sollten uns anziehen und es herausfinden.«

Drilli hatte bereits nach ihren Kleidern gegriffen. Sie schlüpften hastig in ihre Wämser und Hosen, dann schnallten sie sich Geschirre und Waffen an den Leib. Drilli war als Erste fertig, aber sie wartete auf Tryss, bevor sie sich aus der Laube hinausschob. Die Siyee standen in kleinen Gruppen beisammen, und an ihren Mienen erriet Tryss, dass etwas Ernstes geschehen sein musste. Einige von ihnen wirkten verängstigt, andere wütend.

»Tryss, Drilli«, rief eine vertraute Stimme. Als er sich umdrehte, kam Sirri auf ihn zu, und er ging ihr mit Drilli entgegen.

»Was ist passiert?«, fragte Drilli.

»Die Späher haben die pentadrianische Armee gefunden. Ihr Anführer, Tireel vom Stamm des grünen Sees, ist gefangen genommen worden.«

Tryss’ Herz verkrampfte sich. »Wie?«

»Er ist zu dicht an sie herangeflogen. Es war bereits zu spät, als er sah, dass die Zauberin mit den schwarzen Vögeln – den Vögeln, die die Männer des Sonnengebirgsstamms angegriffen haben – diesen Teil der Armee anführte. Die Vögel haben ihn entdeckt, und die Zauberin hat ihn heruntergeholt.«

»Ist er tot?«, fragte Drilli leise.

Sirri verzog das Gesicht. »Das wissen wir nicht. Er ist bei dem Sturz nicht ums Leben gekommen, war aber in einer sehr schlechten Verfassung, als Aurayas Verbindung zu ihm abbrach.«

»Falls eine Chance besteht, dass er noch lebt, sollten wir es herausfinden.« Hoffnung glomm in Tryss auf. »Wir müssen ihn retten.«

Die Sprecherin seufzte und schüttelte den Kopf. »Wenn das doch nur möglich wäre, Tryss. Er befindet sich in den Händen der pentadrianischen Armee und wird von Zauberern gefangen gehalten. Wir würden nur selbst in Gefangenschaft geraten.«