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»Ja. Ich weiß, es ist noch zu früh, aber ich muss es einfach versuchen. Ich wünschte, Mutter wäre hier. Sie würde mit mir reden.«

»Vielleicht würde sie es auch nicht tun. Dann würdest du dich noch elender fühlen.«

»Nein«, widersprach sie ihm mit Überzeugung. »Sie würde mit mir reden. Sie weiß, dass es Dinge gibt, die wichtiger sein können als... als...«

»Was für Dinge?«, fragte er geistesabwesend.

»Einfach... Dinge. Ah, da kommt Sirri.«

Als er sich umdrehte, sah er Sprecherin Sirri auf einem Felsvorsprung über ihrem Lagerplatz landen. Sie lächelte.

»Hallo, Drilli. Das riecht ja köstlich.«

Drilli erhob sich. »Hallo, Sirri. Du lässt doch nicht wieder deine Mahlzeiten aus, oder?«

Sirri lachte. »Ich habe vorhin etwas gegessen.« »Hier.« Drilli warf Sirri etwas zu. Die Sprecherin fing es geschickt auf. »Ein Gewürzkuchen. Vielen Dank.«

»Ihre Kuchen sind immer ziemlich scharf«, warnte Tryss die Sprecherin.

Sirri nahm einen Bissen, kaute und zuckte dann zusammen.

»Das stimmt. Nun, wir sollten jetzt losfliegen, sonst fängt die Versammlung ohne uns an.«

Tryss nickte. Als Sirri sich in die Luft schwang, erhob er sich, hielt dann jedoch inne, als er Drillis Arme um seinen Leib spürte. Er drehte sich zu ihr um. Ihr Kuss war warm und verlockend, und er löste sich nur widerstrebend von ihr.

»Bald«, versprach er.

»Dann geh«, erwiderte sie. »Bevor sie zurückkommt und nach dir sucht.«

Grinsend wandte er sich ab und flog Sirri hinterher.

Sie lagerten auf einem kleinen Felsvorsprung mit Blick auf die Straße. Die meisten der Siyee hatten ihre Lauben in luftiger Höhe errichtet, während die Landgeher auf der Straße lagerten, da sie keine Möglichkeit hatten, in die Anhöhen hinauf-zugelangen. Aus der Luft betrachtet wirkten die vielen Lampen und Feuer der Landgeher wie riesige Larven von Leuchtwürmern.

Tryss eilte Sirri mit kräftigen Flügelschlägen hinterher, und als er sie fast erreicht hatte, drehte sie sich zu ihm um. »Wie entwickeln sich deine Treffen mit Liedmacher?«

»Ich lerne schneller als er. Er hat mir gegenüber einen großen Nachteil, wie du dir denken kannst. Unsere gesprochene Sprache ähnelt seiner, aber unsere Pfeiflaute sind vollkommen neu für ihn.«

»Wie viel hast du inzwischen von der Sprache der Landgeher gelernt?«

Er zuckte bedauernd die Achseln. »Ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Manchmal erkenne ich einige Wörter und kann ihnen zumindest entnehmen, wovon sie reden.«

»Das könnte nützlich sein.«

An einer Biegung der Straße wurde das weiße Zelt sichtbar, und sie schwebten darauf zu. Von den Menschen, die normalerweise dort standen, war nichts zu sehen. Als sie landeten, hörten sie Stimmen aus dem Innern des Zelts.

»Nun, besser spät als gar nicht«, murmelte Sirri.

Er folgte ihr in das Zelt, wo das Gespräch bei ihrem Eintreten verstummte.

»Bitte, verzeiht uns unsere späte Ankunft«, sagte Sirri.

»Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen«, erwiderte Juran. »Wir haben uns gerade erst miteinander bekannt gemacht.« Er deutete auf die vier Dunweger, auf die Tryss bisher nur einen flüchtigen Blick hatte werfen können. Sie waren relativ klein für Landgeher, aber ihre Muskeln weckten den Eindruck von beträchtlicher Stärke, und die Muster, die auf ihre Gesichter gezeichnet waren, verliehen ihnen eine zusätzliche Wildheit. Als Juran sie vorstellte, schoss Tryss der Gedanke durch den Kopf, dass es wahrscheinlich ein glücklicher Umstand war, dass Dunwegen nicht in direkter Nachbarschaft zu Si lag. Wenn diese Leute jemals das Bedürfnis nach zusätzlichem Land entwickelten, bezweifelte er, dass man sie mit vergifteten Pfeilen würde aufhalten können. Als alle miteinander bekannt gemacht waren, ging Sirri zu ihrem gewohnten Platz hinüber. Tryss setzte sich auf den Hocker neben ihrem und sah sich im Raum um. Bis auf Auraya waren alle Weißen zugegen. Als Juran nun wieder in die Sprache der Landgeher verfiel, trat Dyara zwischen Tryss und Sirri, um leise zu übersetzen.

»Mil, Talm von Larrik, hat berichtet, dass die dunwegische Streitmacht sich an einer für die Verteidigung gut geeigneten Stelle im Pass niedergelassen hat«, sagte Juran. »Es sind hunderte von Fallen entlang der Straße aufgestellt worden, um den Feind aufzuhalten und zu schwächen. Die Späher melden, dass die Pentadrianer bisher noch nicht zu den ersten Fallen vorgestoßen sind. Anscheinend ist der Feind weit zurückgefallen.« Juran hielt inne. »Unerwartet weit.« Er wandte sich zu Mil um. »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?«

Mil sah einen Priester an, der in seiner Nähe stand und offenkundig demselben Volk angehörte. Der Mann schüttelte den Kopf.

»Unsere Späher haben noch nichts von ihnen gesehen.«

»Es weist auch nichts darauf hin, dass die Armee nach Norden abgeschwenkt ist«, fügte Mil hinzu.

Nach Norden? Tryss runzelte die Stirn, dann begriff er plötzlich. Die Dunweger befürchteten, dass die Pentadrianer sich nach Norden wenden könnten, um sie anzugreifen. Ihre Truppen befanden sich schließlich im Pass statt zu Hause, um dort ihr Land zu verteidigen.

»Man hat überhaupt nichts mehr von der Armee gesehen«, fügte der Priester hinzu.

»Die Siyee waren die Letzten, die sie beobachtet haben.«

Es folgte eine Pause, und viele der Anwesenden blickten besorgt drein.

»Sie können sich doch nicht immer noch in den Minen aufhalten«, bemerkte Guire.

»Vielleicht warten sie auf etwas«, murmelte der somreyanische Anführer. »Aber worauf?« Er wandte sich an Juran. »Bist du dir sicher, dass sie keine Tunnel durch die Berge graben können.«

Juran nickte lächelnd. »Ganz sicher.«

Mil hob die Hände. »Ich mache mir eher Sorgen, dass die Pentadrianer einen anderen Weg über die Berge nehmen könnten.«

Juran runzelte die Stirn. »Gibt es denn einen solchen Weg?«

»Es gibt keine Straße«, antwortete Mil. »Allerdings sind die Berge durchzogen von schmalen Pfaden, die die Gaut-Hirten benutzen. Der Weg über diese Pfade wäre lang und schwierig, aber nicht unmöglich.«

»Wir müssen wissen, was sie tun«, erklärte Juran entschieden. »Wenn die Pentadrianer auf den Ebenen auftauchen, während wir auf dem Pass sind, werden wir sie quer durch Hania und über die Landesgrenzen hinaus jagen müssen.«

»Falls sie die Berge überqueren, wird mein Volk sie finden«, sagte Sirri. Juran drehte sich zu ihr um. »Das wäre gefährlich – gefährlicher als zuvor.«

Sie zuckte die Achseln. »Wir wissen jetzt über die schwarzen Vögel Bescheid. Wir werden vorsichtig sein. Ich werde um Freiwillige bitten -und diesmal werden sie bewaffnet sein.«

Juran zögerte, dann nickte er. »Vielen Dank.«

Sirri lächelte. »Sie werden mit dem ersten Tageslicht aufbrechen. Möchtest du, dass einer von ihnen einen Verbindungsring trägt?«

Juran tauschte einen schnellen Blick mit Dyara. »Ja. Man wird dem Anführer deiner Freiwilligen einen Ring bringen, bevor er aufbricht.« Er hielt inne, dann sah er sich im Raum um. »Gibt es sonst noch etwas, über das wir sprechen müssen?«

Der Themenwechsel kam Tryss ein wenig abrupt vor, aber vielleicht bildete er sich das nur ein. Er musterte die vier Weißen eingehend, wobei er sich besonders auf Mairae und Rian konzentrierte. Rian wirkte heute Abend... nun ja... unglücklich. Gelegentlich blickte er durch den Zelteingang hinaus und machte dabei ein Gesicht, als ärgere er sich über irgendetwas. Oder als sei er enttäuscht.

Ihm war schon früher aufgefallen, dass Mairae eher dazu neigte, etwas von ihren Gefühlen preiszugeben. Jetzt trat ein geistesabwesender Ausdruck in ihre Züge, und sie runzelte die Stirn. Tryss biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht waren sie alle nervös wegen der bevorstehenden Schlacht und des Verschwindens der pentadrianischen Armee. Er konnte jedoch nicht umhin, sich über Aurayas Abwesenheit zu wundern. Es war seltsam, dass niemand ein Wort darüber verloren hatte, wo sie war. Dann begriff er plötzlich.

Natürlich! Auraya fehlt, weil sie sich bereits auf die Suche nach der pentadrianischen Armee gemacht hat! Mairae machte sich Sorgen um sie. Rian war verärgert, weil... vielleicht hatte er an ihrer Stelle die Suche übernehmen wollen. Oder vielleicht hielt er das ganze Unterfangen für zu gefährlich.