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Sie zog die Augenbrauen hoch. »Das ist also der Grund. Ich dachte, es sei etwas anderes.«

Er sah sie stirnrunzelnd an, aber sie hatte sich von ihm abgewandt. Dann flackerte ihr Blick wieder zu ihm hinüber, und sie nickte ihm bedeutungsvoll zu, bevor sie erneut wegschaute. Als er ihrem Blick folgte, entdeckte er ein Mädchen mit Schmetterlingsgesicht und wusste sofort, dass es Drilli war. Kein anderes Mädchen hatte einen solchen Gang, überlegte er. Voller Selbstvertrauen, aber nicht angeberisch. Ihre Anmut war vollkommen unbewusst.

Er wandte sich wieder seiner Mutter zu und dachte über ihre Andeutung nach, dass Drilli der Grund für die Spötteleien seiner Vettern sei. Wahrscheinlich hatte sie recht. Die beiden waren eifersüchtig, wozu sie jedoch keinen Anlass hatten. Drilli mochte ihn und half ihm bei seinen Erfindungen, aber er hatte keine Ahnung, ob sie irgendetwas anderes als einen Freund in ihm sah.

Nur dass sie ihn, nun ja, dazu gebracht hatte, sie zu fragen, ob sie heute Abend seine Partnerin sein wolle, und das taten die Mädchen nicht, wenn sie von einem Jungen nicht mehr wollten als nur Freundschaft.

Inzwischen waren die letzten Strahlen der Sonne verschwunden. Als Drilli und ihre Familie ihre Plätze einnahmen, fügten sich die Klänge der einzelnen Musikinstrumente auf dem Platz zu einer Melodie zusammen. Alle Gespräche brachen ab. Der Sprecher eines anderen Stammes trat, bekleidet mit der traditionellen, leuchtend bunten Gewandung des Mustermachers, in den Kreis. Er würde die Festlichkeiten leiten, die Anordnung der Flugmuster festlegen und die Preise vergeben.

»Seit Huan vor Jahrhunderten ihr Werk für vollendet erklärt und verfügt hat, dass wir uns selbst regieren sollten, sind wir in jedem Winter und in jedem Sommer zusammengekommen, um zu feiern und unseren Dank in Worte zu fassen«, rief er aus. »Wir verfeinern unsere Talente und erproben unsere Fähigkeiten, auf dass sie auf uns hinabblicken und stolz auf uns sein möge. Im Frühling feiern wir die Ältesten und die Jüngsten unter uns. Im Sommer stimmen wir unseren Jubel über die Partnerschaft von Mann und Frau an, ob sie nun gerade erst zueinandergefunden haben oder Gefährten in einer Familie sein mögen.« Er hob die Arme. »Lasst die Paare das Trei-Trei beginnen!«

Als die Musikanten eine lebhafte, alte Melodie anstimmten, tauschten Tryss’ Eltern ein Lächeln und nahmen ihre Masken ab. Sie liefen nach vorn, vollführten Luftsprünge und gesellten sich zu den anderen Paaren, um sich in den traditionellen Schritten des Musters zu drehen. Tryss wandte sich ab und blickte zu Drillis Stamm hinüber. Sie beobachtete ihn erwartungsvoll.

Er machte einige Schritte auf sie zu, blieb jedoch jäh stehen, als zwei vertraute Gestalten sich ihr von beiden Seiten näherten. Als Ziss ihr Handgelenk ergriff, verwandelte sich ihr Lächeln in ein Stirnrunzeln. Ihre Worte gingen im Gelärme der Stimmen um sie herum unter, aber das Kopfschütteln, mit dem sie reagierte, ließ keinen Zweifel zu. Ziss machte ein finsteres Gesicht, ließ sie jedoch nicht los. Sie wandte sich abrupt von ihm ab, um Trinn anzustarren, und Ärger trat in ihre Züge. Dann schüttelte sie Ziss’ Hand ab und stolzierte davon.

Tryss fiel auf, dass ihr Vater sie forschend musterte. Seine Miene verfinsterte sich, als sie sich zu Tryss gesellte.

Ist das ein Ausdruck von Missbilligung?, fragte er sich.

»Tryss«, sagte sie. »Du wolltest es mir doch nicht etwa ganz Hein überlassen, deine Vettern abzuwehren, oder?«

Er lächelte. »Du bist recht gut imstande, dich zu verteidigen, Drilli.«

»Es ist schön, dass du das denkst, aber es wäre viel schmeichelhafter gewesen, wenn du mir galant zu Hilfe geeilt wärst«, schnaubte sie.

»Dann musst du mir auch genug Zeit geben, zu dir zu kommen, bevor du das Problem selbst löst«, entgegnete er.

Die Musik veränderte sich, und Drilli blickte mit vor Eifer leuchtenden Augen zu den Fliegern über ihr empor.

»Es wäre mir eine Ehre, wenn du mit mir fliegen würdest«, sagte er, doch die formellen Worte klangen ein wenig steif aus seinem Mund.

Sie grinste, dann nahm sie ihre Maske ab. Er tat es ihr gleich und legte seine Maske neben ihre auf den Boden. Als sie sich zu dem Kreis umwandte, blickte Tryss zu seinen Vettern hinüber. Beide funkelten ihn wütend an.

Dann begannen er und Drilli zu rennen. Sie bewegten sich voneinander fort und sprangen hoch in die Luft. Er spürte, wie die Wärme eines Feuers unter seine Flügel griff und ihn, mit Drilli an seiner Seite, emportrug. Einen Moment später hatten sie einen Platz unter den Paaren gefunden und folgten den einfachen Bewegungen eines unkomplizierten, öffentlichen Musters.

Er war schon viele Male Muster geflogen, aber nicht auf diese Art. In seinen frühen Jahren war er mit seiner Mutter geflogen und hatte vorsichtig jede ihrer Bewegungen nachgeahmt. Später hatte er jüngeren Vettern und Cousinen Anleitung geben müssen. Drilli gab weder Anleitungen, noch folgte sie ihm. Er konnte selbst die kleinste Veränderung ihrer Haltung deuten und wusste, was sie von ihm erwartete, und sie reagierte in gleicher Weise auf ihn. Es war gleichzeitig erregend und beruhigend, befreiend und fesselnd.

Sie flogen Muster um Muster, einzig auf die Frage konzentriert, ob die Musik lebhaft oder langsam war. Er stellte fest, dass er komplizierte Muster zustande brachte, die auszuprobieren er sich noch nie zuvor die Mühe gemacht hatte. Schließlich endete die Musik, und während unten bereits Reifen und Pfosten für die akrobatischen Prüfungen aufgestellt wurden, schwebten sie langsam zu Boden. Schon bald zeigten die ersten Siyee ihre Kunstfertigkeit, begleitet vom Jubel der Zuschauer.

Als der Applaus einmal besonders laut aufbrandete, beugte Drilli sich zu ihm vor.

»Lass uns verschwinden«, flüsterte sie.

Er sah sie überrascht an. Sie nahm seine Hand und führte ihn langsam durch die Menge zu dem dunklen Wald am Rand des Dorfes. Ab und zu blieben sie stehen, manchmal, um zuzuschauen, einmal, um mit einem alten Freund zu reden.

Schließlich sah Drilli sich genau um, dann beugte sie sich wieder zu ihm. »Du gehst fünfzig Schritte weit den Hügel hinauf in den Wald, dann bleibst du stehen und wartest auf mich. Ich werde bis hundert zählen und dir dann folgen.«

Er nickte. Nachdem er sich noch einmal umgeblickt hatte, um sich davon zu überzeugen, dass niemand sie beobachtete, wartete er, bis einer der Akrobaten eine komplizierte Schrittfolge begann, bevor er in den Wald hinüberging. Es war sehr dunkel zwischen den Bäumen. Die gewaltigen Stämme hatten etwas Bedrohliches an sich, das ihm tagsüber noch nie aufgefallen war. Er verstand nicht, warum das so war:

Die Siyee hatten fast drei Jahrhunderte hier gelebt, ohne den Bäumen Schaden zuzufügen.

Als ihm bewusst wurde, dass er vergessen hatte, seine Schritte zu zählen, blieb er stehen. Nach einer Weile hörte er eine leise Bewegung. Der Schatten einer weiblichen Gestalt wurde sichtbar, und als er Drillis Gang erkannte, seufzte er vor Erleichterung.

»Ich glaube, deine Vettern haben uns weggehen sehen«, sagte sie.

Er drehte sich um und fluchte, als er die beiden durch den Wald auf sie zulaufen sah.

»Ich wette, sie haben uns den ganzen Abend beobachtet.«

»Narren«, murmelte sie. »Wer glaubt, er könne ein Mädchen mit Grausamkeiten anderen gegenüber gewinnen, ist ein Dummkopf. Folge mir. Und versuch, kein Geräusch zu machen.«

Sie schlichen durch den Wald. In der Dunkelheit ließ es sich unmöglich verhindern, auf Zweige oder trockene Blätter zu treten, aber nach vielen Jahren der Benutzung war der Boden weitgehend frei von Vegetation. Tryss konzentrierte sich darauf, Drilli zu folgen, und als sie nach einer Weile stehen blieb, brauchte er einen Moment, um zu begreifen, wo sie waren.

Am Ende des Wegs befand sich eine große Laube. Die Wände wurden von einem Licht im Innern angestrahlt.

»Das ist die Sprecherlaube!«, rief er. »Wir dürfen dort nicht hingehen.«