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Ich binschwach und dürr, überlegte sie. Ein Skelett, das aus dem Schoß eines Sargs wiedergeboren wurde. Wenn mich heute jemand für ein unheiliges, grauenerregendes Geschöpf hielte, könnte ich es ihm nicht verübeln.

Endlich gelang es ihr, sich zu erheben. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass sie genug Kraft hatte, um zu stehen und, wie sie vermutete, auch um sich fortzubewegen. Sie trat aus ihrem Grab heraus, drehte sich um und betrachtete die Dinge, die Zeugnis von ihrer Auferstehung von den Toten ablegten.

Das hier sollte ich besser in Ordnung bringen.

Sie zog Magie in sich hinein und bearbeitete die Erde, bis das Loch wieder gefüllt und alle Spuren ihres Tuns verwischt waren. Mit einem traurigen Lächeln betrachtete sie die verwelkten Blumen, die auf dem Boden lagen. Sie wünschte, sie hätte mehr für die Kinder tun können, aber jetzt musste sie vor allem an ihr eigenes Überleben denken.

Was nun?

Sie blickte an sich hinab. Ihre Hände und Arme waren mit Erde bedeckt, und sie trug nur ein fleckiges Hemd am Leib. Das Haar hing ihr über die Schultern und war immer noch steif und weiß wie das einer alten Frau. Sie musste sich waschen, dann benötigte sie Kleider und Essen und irgendetwas, womit sie ihre Haare färben konnte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass die Börse, die sie am Leib festgeschnallt getragen hatte, verschwunden war. Sie war nicht überrascht; sie hatte gewusst, dass die Kinder sie wahrscheinlich finden würden. Schließlich konnte sie nicht alles in ihrem Leib verstecken.

Einen Moment lang erwog sie die Möglichkeit, sich ins Haus zu stehlen und nach der Börse zu suchen, aber dann verwarf sie den Gedanken wieder. Es war ein zu großes Risiko, und außerdem hatten die Kinder den größten Teil des Geldes wahrscheinlich bereits ausgegeben. Also kehrte sie ihrem »Grab« den Rücken zu und ging leise an dem Haus vorbei ins Armenviertel. Das dünne, graue Licht des Morgens wurde langsam heller. Die Straßen waren still, aber nicht menschenleer. Sie kam an zwei älteren Wäscherinnen vorbei, die sie voller Abscheu betrachteten, und kurz darauf blieb ein jüngerer Mann mit einem Holzbein vor ihr stehen, um sie lüstern anzustarren. Zum ersten Mal seit über hundert Jahren geriet sie in Verlegenheit.

Und da fragen die Leute mich, warum ich, die so jung sein kann, wie sie will, mich dafür entscheide, alt zu sein?, dachte Emerahl ironisch.

Aber andererseits hatte es eindeutig auch seine Vorzüge, wieder jung zu sein. In ihrer jüngeren Gestalt war sie für Männer stets anziehend gewesen. Manchmal auch für Frauen. Obwohl sie sich gegenwärtig in einem denkbar schlechten Zustand befand, war ein wenig von ihrer Schönheit noch immer zu erkennen. Sie brauchte nur einige regelmäßige, gesunde Mahlzeiten, um ihre Kurven zurückzugewinnen.

Aber Essen kostete Geld. Stirnrunzelnd dachte sie über die unmittelbare Zukunft nach. Nachdem sie ihre Börse und auch ihr Körperfett eingebüßt hatte, musste sie schnell eine Einkommensquelle auftun. Diebstahl war eine Möglichkeit, aber sie war seit langem aus der Übung und hätte nicht die Kraft, wegzulaufen, falls sie ertappt wurde. Wenn man sie bei einem solchen Vergehen entdeckte, würde sie damit nur die Aufmerksamkeit der Priester auf sich ziehen.

Die Priester hielten Ausschau nach einer Frau, die Heilmittel verkaufte, daher blieb ihr auch dieser Weg versperrt. Sie ging weiter hügelabwärts, auf das Meer zu. Die Richtung, die sie gewählt hatte, erheiterte sie. Sie war am Ozean zur Welt gekommen und hatte sich in Notzeiten stets zum Wasser hingezogen gefühlt. Als der flache, flüssig erscheinende Horizont schließlich in Sicht kam, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus und beschleunigte ihre Schritte.

Am Rand des Wassers angekommen, folgte sie der Straße am Ufer entlang und hielt Ausschau nach einer abgelegenen Stelle, um sich zu waschen. Die meisten der kleinen Buchten waren besetzt. Als sie zu einer Bucht mit nur einem einzigen Steg gelangte, blieb sie stehen. Zwei Fischer arbeiteten in ihrem Boot, ein junger und ein alter, die ihren Fang für den Markt zurechtlegten. Einen Moment lang betrachtete sie die beiden Männer, dann ging sie kühn den Steg hinunter.

»Sieht nach einem guten Fang aus«, sagte sie im Vorbeigehen.

Die beiden starrten sie an. Sie lächelte ihnen zu, dann wandte sie sich ab. Am Ende des Stegs sprang sie ins Meer.

Kaltes Wasser umschlang sie, und der Schreck trieb ihr alle Luft aus der Lunge. Sie spürte Sand unter ihren Füßen und stieß sich wieder hoch. Als sie die Oberfläche durchbrach, holte sie tief Luft und machte den ersten Schwimmzug.

»Meine Dame?«

Sie rollte sich herum und lachte über den besorgten Ausdruck der beiden Fischer.

»Keine Sorge«, sagte sie. »Ich wollte nur wieder sauber werden.«

»Du hast uns ziemlich erschreckt«, sagte der jüngere Mann tadelnd. »Ich dachte, du willst dich ertränken.«

»Tut mir leid.« Sie schwamm auf sie zu und bemerkte, dass der Blick der beiden von ihrem Gesicht zu jenen Teilen ihres Körpers wanderte, die unter der Oberfläche des Wassers zu sehen waren. Das Hemd war in seinem durchnässten Zustand fast durchsichtig. »Vielen Dank, dass ihr auf die Idee gekommen seid, mich zu retten.« Sie schwamm unter dem Steg hindurch.

Sie konnte die beiden Männer über die Bretter über ihr gehen hören. Ihr Interesse war unverkennbar. Nachdenklich schürzte sie die Lippen. Eine Möglichkeit, wie sich ihr gegenwärtiges Dilemma lösen ließe, war ihr bereits durch den Kopf gegangen, und nun bot sich ihr eine erste Chance. Es war nicht so, als hätte sie dergleichen Arbeit noch nie getan. Tatsächlich war sie ihrer Meinung nach auf diesem Gebiet immer recht gut gewesen.

Als sie aufblickte, sah sie, dass die Planken des Stegs so dicht lagen, dass man nicht hindurchblicken konnte. Noch im Wasser schob sie eine Hand unter den Unterrock und versuchte dann, in sich etwas zu ertasten.

Das ist einer der Gründe, warum manche Männer diesen Teil des Körpers einer Trau Hurenbörse nennen, dachte sie, während sie einen kleinen Beutel hervorzog. Darin befanden sich unter anderem die Seeglocke, der Anhänger aus Dembar-Saft und einige Münzen. Von den Münzen würde sie nur wenige Mahlzeiten kaufen können, und kein Juwelier würde ihr auch nur den Bruchteil eines angemessenen Preises für eine solch wertvolle Seeglocke zahlen, solange sie so aussah wie jetzt. Nein, damit würde sie noch warten müssen. Sie schob den Beutel auf den schleimschmierigen Steg und kam dann wieder darunter hervor.

Sofort wandten sich die Fischer ihr wieder zu. Während sie sich langsam ihrem Boot näherte, gingen sie auf dem Steg neben ihr her.

»Ist das euer Boot?«, fragte sie.

»Es gehört meinem Vater«, sagte der junge Mann mit einem Blick auf seinen Begleiter.

»Habt ihr etwas dagegen, wenn ich an Bord komme, während ich mich trocknen lasse?«

Die beiden sahen einander kurz an, dann nickte der ältere Mann. »Warum nicht?«

Sie grinste ihnen zu und schwamm zu dem Boot hinüber.

Der jüngere Mann stieg in das Boot, beugte sich vor und griff nach ihrer Hand, um sie auf das Deck zu ziehen. Sie bemerkte, dass der Vater sich verstohlen umsah, um festzustellen, ob jemand sie beobachtete, und sie verkniff sich ein Lächeln. Du denkst an deine Frau, wie?

Als sie im Boot stand, zog sie Magie in sich hinein und sandte Wärme und Luft durch ihr Hemd. Der jüngere Mann trat einen Schritt zurück und betrachtete sie mit neuem Respekt. Obwohl sie wusste, dass sie in nassem Zustand wahrscheinlich aufregender aussah, sollten diese beiden möglichen Kunden doch wissen, dass es nicht leicht sein würde, sie um ihr Entgelt zu betrügen.