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Sie widerstand der Versuchung, die Gedanken des Jungen zu lesen, und konzentrierte sich stattdessen auf die Siyee. Die Zeit verging, und die Sprecher verließen einer nach dem anderen ihre Stämme und kehrten zu ihren früheren Plätzen zurück. Als die letzten von ihnen gelandet waren, trat Sirri wieder auf den Felsvorsprung, und Stille legte sich über die Versammlung.

Die Sprecher ergriffen der Reihe nach das Wort und legten die Meinung ihres Stammes dar. Die meisten der Stämme hatten sich für eine Allianz ausgesprochen, doch einige wenige verweigerten ihre Zustimmung.

»Alle Stämme müssen sich in dieser Angelegenheit einig sein«, erklärte Sprecherin Sirri.

»Wir konnten jedoch keine Einigkeit erzielen. Bevor ich diese Versammlung für beendet erkläre, bitte ich euch, mir zuzuhören. Ich glaube, dass wir unser Territorium den Landgehern deshalb nicht öffnen wollen, weil wir außerstande wären, gegen sie zu kämpfen. Warum sollten wir unser Leben im Krieg aufs Spiel setzen, wenn wir unseren Feinden keinen Schaden zufügen können? Warum sollten wir Landgehern Zutritt zu unseren Bergen gewähren, wenn wir sie nicht wieder vertreiben können, sollten sich ihre Absichten als böse erweisen?«

Auraya betrachtete die Sprecherin nachdenklich. Sie wusste, dass Sirri die Allianz wollte, aber diese beiden Punkte würden die Siyee nur gegen eine Allianz einnehmen. Sirri hob die Arme. »Wir können kämpfen. Wir können uns verteidigen. Wie? Ich will es euch zeigen.«

Sie blickte zu dem Baum auf, in dem der Junge wartete, dann schaute sie zum Waldrand hinüber und nickte.

Von hoch oben in seinem Baum konnte Tryss die Stimmen der Leute unter ihm hören, aber er konnte ihre Worte nicht verstehen. Er hatte inzwischen aufgegeben, es zu versuchen, und hielt stattdessen in der Menge nach Drilli Ausschau. Schließlich entdeckte er sie neben ihren Eltern.

Er hatte seit über einer Woche nicht mehr mit ihr gesprochen. Ihr Vater hatte Tryss aufgesucht und ihm befohlen, sich von ihr fernzuhalten. Sie würde keinen Jungen aus einem anderen Stamm heiraten, hatte er erklärt, und gewiss nicht einen Jungen mit eigenartigen Ideen, der seine Zeit mit müßigen Tagträumen verschwendete. Sie konnte einen besseren Partner finden.

Seine Vettern hatten deutlich gemacht, wer Drillis Vater von ihrer gegenseitigen Zuneigung berichtet hatte, aber es war möglich, dass sie logen, nur um ihn zu ärgern. Jeder, der Tryss und Drilli beim Trei-Trei beobachtet hatte, musste Verdacht geschöpft haben, dass sie einander sehr nahestanden.

Tryss blickte auf seine Erfindung hinab. Würden Drillis Eltern ihre Meinung über ihn ändern, wenn er sich von seinen Erfindungen abwandte und sich mehr wie andere Jungen seines Volkes benahm? Würde er die Arbeit aufgeben, wenn dies die einzige Möglichkeit war, sich weiter mit Drilli zu treffen?

Die Frage quälte ihn. Er drängte sie beiseite, ertappte sich aber immer wieder dabei, dass er darüber nachdachte. Er blickte zu Drilli hinüber. Sie war schön und klug. Gewiss würde er alles tun... Als er wieder Sprecherin Sirris Stimme hörte, riss er sich von Drillis Anblick los. Die Sprecherin schaute zu ihm auf, dann sah sie zu den Siyee hinab, die die Käfige mit Brems hielten, und nickte.

Das Signal. Tryss’ Herz machte einen Satz und begann zu hämmern. Er hielt Ausschau nach Bewegungen auf dem Boden. Dort!

Er sprang. Entschlossen ignorierte er seine Zuschauer und konzentrierte sich einzig auf das kleine Tier, das er erspäht hatte. Er musste mit allen Sinnen bei der Sache sein. Sein Geschirr war neu und ein wenig steif; er hatte nur das Licht der Lampen, um die Tiere zu sehen, und Brems waren schnell.

Blätter zischten an seinen Ohren vorbei. Er breitete die Arme aus und tauchte zwischen den Zweigen des Baums hervor. Dann zog er einen Pfeil in sein Blasrohr, zielte und schoss.

Das Brem stieß ein schrilles Quieken aus, als der Pfeil sein Bein traf. Es humpelte weiter, aber das Gift würde es schon bald lähmen. Tryss hatte ein zweites Brem entdeckt und drehte bei, um ihm zu folgen. Diesmal bohrte sich der Pfeil in den Rücken des Tieres. Eine Welle des Triumphs stieg in ihm auf, und er schlug mit den Flügeln, um ein wenig Höhe zu gewinnen und nach weiteren Brems Ausschau zu halten.

Zwei Tiere kamen zu beiden Seiten des flachen Felsens aus der Menge gerannt. Das erste verfehlte er, aber beim zweiten hatte er Erfolg. Er flog eine Kurve und schoss einen weiteren Pfeil auf das erste Brem ab, das jedoch im letzten Moment einen Haken schlug, so dass der Pfeil zu Boden fiel. Das Tier verschwand zwischen den Beinen der umstehenden Siyee.

Enttäuscht stieg Tryss wieder höher auf. Er sah die beiden letzten Brem in das Offene Dorf huschen und drehte sich hastig um. Er flog auf sie zu und packte die Daumengurte der neuen Flügelvergrößerung, die er eingebaut hatte, noch fester. Er hatte nur wenige Stunden Zeit gehabt, um damit zu üben, und es war deutlich schwieriger, mit dieser Vorrichtung zu zielen.

Die beiden Brem hielten mitten im Dorf inne und nahmen nur die Siyee wahr, die um sie herumstanden. Tryss zielte, bog die Daumen durch und spürte, wie die Gelenke auseinandergingen. Zu spät wurde ihm klar, dass er unbeabsichtigt beide gelöst hatte. Kleine Pfeile schnellten durch die Luft. Einer bohrte sich in ein Brem, der andere rutschte über den Boden und verkeilte sich in der Wand des Felsvorsprungs... Der jetzt unmittelbar vor ihm lag. Er drückte den Rücken durch und spürte, wie scharfe Steine über seine Hüfte kratzten, als es ihm mit knapper Not gelang, einen Zusammenprall zu vermeiden. Das Manöver hatte ihn jedoch einiges an Höhe gekostet, und er musste abrupt landen; er konnte nur hoffen, dass es für die anderen so aussah, als sei diese Landung beabsichtigt gewesen.

Tiefes Schweigen lag über den versammelten Siyee. Dann begann jemand in der Menge, begeistert zu pfeifen, wie die Zuschauer es bei den akrobatischen Wettbewerben des Trei-Trei taten. Andere fielen ein, bis der Applaus der Menge im ganzen Dorf widerhallte. Tryss blickte mit einem breiten Grinsen zu Sprecherin Sirri auf, die mit einem anerkennenden Nicken antwortete.

Die Sprecherin hob die Arme, und die Pfiffe verklangen.

»Volk der Berge. Stämme der Siyee. Ich glaube, ihr habt genau wie ich die Möglichkeiten dessen erkannt, was Tryss uns heute Abend gezeigt hat. Was er erfunden hat, ist eine Waffe. Nicht die Art Waffe, die für Landgeher geeignet wäre, die Art, die wir vor langer Zeit als nutzlos abgeschafft haben. Dies ist eine Waffe, die für uns geschaffen wurde. Sie ist nicht nur ein hervorragendes Jagdinstrument, sie ist auch eine Waffe, die es uns gestatten wird, voller Stolz erfolgreich zu kämpfen, sei es zu unserem eigenen Schutz oder dem unserer Verbündeten. Es ist heute Abend schon ein wenig spät, um die Möglichkeiten dieser Waffe zu erörtern und darüber zu reden, auf welche Weise ihre Existenz unsere Einstellung zu der vorgeschlagenen Allianz verändern könnte. Ich schlage vor, dass wir in sieben Tagen noch einmal zusammenkommen und dann unsere Entscheidung treffen. Seid ihr damit einverstanden?«

In der Menge wurden zustimmende Rufe laut. Sirri sah die anderen Sprecher an. Alle nickten.

»Dann soll es so sein. Diese Versammlung ist beendet. Möget ihr sicher in eure Lauben zurückkehren.«

Sofort flammten überall erregte Gespräche auf. Tryss blickte zu der Priesterin, denn er war plötzlich neugierig zu sehen, wie sie auf das Geschehene reagierte. Sie war jedoch ganz in die Beobachtung Sirris vertieft, die Stirn nachdenklich in Falten gelegt, ein Ausdruck, der jedoch schnell verschwand, als einer der anderen Sprecher sich ihr zuwandte.

Jemand zupfte an seinem Arm, und als Tryss sich umdrehte, stand Sreil mit einem breiten Grinsen vor ihm.

»Das war fantastisch! Warum machst du nicht bei den akrobatischen Wettbewerben bei den Trei-Treis mit?«

»Ich, ahm...«