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Ist... ist das eine Erinnerung? Es fühlt sich so an, als wärst du es, der jetzt zu mir spricht, und gleichzeitig ist es ganz anders.

Ja und nein. Ich bin es, der zu dir spricht, eingehüllt in deine Erinnerung an mich. Dein Geist gibt dem meinen eine Form. Du lernst schnell. Mir scheint, du hast eine natürliche Begabung dafür.

Vielleicht hätte ich Traumweberin werden sollen. Aber dein Herz gehört den Göttern. Meine Seele gehört den Göttern; mein Herz gehört dir. Leiard lächelte – ein hinterhältiges, heimlichtuerisches Lächeln. Es war ein Ausdruck, den sie noch nie zuvor in seinen Zügen gesehen hatte. War das nur ihr Verstand, der die Stimmung ausschmückte, die sie bei ihm wahrnahm?

Ich hatte schon immer den Verdacht, dass Seelen etwas sind, das die Götter erfunden haben, um die Menschen dazu zu bringen, ihnen zu dienen. Tatsächlich habe ich einmal ein Gespräch mit einem Gott geführt, bei dem er zugegeben hat, dass...

Sie war plötzlich hellwach und starrte zum Dach der Laube empor. Tageslicht drang durch die Wände. »Auraya?«

Die Stimme kam vom Eingang. Auraya stand auf, legte sich eine Decke um die Schultern und trat in den Hauptraum. Dann schlug sie die Lasche zurück, die die Tür bedeckte, und stand im nächsten Moment Sprecherin Sirri gegenüber.

»Ja, Sprecherin?«

Die Frau lächelte. »Entschuldige bitte, dass ich dich so früh wecke. Wir haben soeben eine Nachricht bekommen, die wir dringend mit dir erörtern müssen.«

Auraya nickte. »Komm herein. Ich werde gleich bei dir sein.«

Sie eilte in ihr Zimmer und schloss den Vorhang, der die beiden Räume voneinander teilte. Darm zog sie sich aus, wusch sich flüchtig mit Wasser aus einer Holzschale und trocknete sich mithilfe von Magie eilends ab. Sobald sie wieder angezogen war, fuhr sie sich mit einem Kamm durchs Haar, das sie sich zu einem Zopf flocht, während sie in den Hauptraum zurückkehrte.

Sprecherin Sirri stand neben dem Eingang und klopfte mit dem Zeigefinger auf den Rahmen der Laube. Allein aus dem Gesichtsausdruck der Frau hätte Auraya niemals ihre Stimmung erahnen können, aber diese kleine Geste der Ungeduld brachte sie dazu, näher hinzusehen. Sofort spürte sie, dass die Sprecherin mit einem Gefühl wachsender Angst kämpfte: Sie hatte von einer Landgeherin erfahren, die in Si gesehen worden war. Sirri hatte Auraya von dem Angriff schwarzer Vögel auf einen der Stämme der Siyee erzählt, und die Landgeherin hatte sich für diesen Angriff entschuldigt.

»Es wird bei unserer Zusammenkunft etwas zu essen geben«, sagte Sirri, als Auraya aus der Laube trat.

Die Sprecherin erhob sich in die Luft, und Auraya folgte ihr bis zum Offenen Dorf, wo sie leichtfüßig landete. Der Wald war an dieser Stelle von Unterholz überwuchert, so dass die Laube vor neugierigen Blicken geschützt war.

Auraya hatte die Sprecherlaube bereits einige Male besucht, war sich aber sicher, dass man sie jedes Mal über einen anderen Waldweg dorthin geführt hatte. Sie widerstand der Versuchung, die Gedanken der Sprecherin zu lesen, denn sie spürte, dass Sirri warten wollte, bis die anderen Sprecher versammelt waren. Erst dann wollte sie den Inhalt der Botschaft offenbaren, die sie so sehr beunruhigt hatte.

Ich vertraue ihr, ging es Auraya durch den Kopf. Ich weiß einfach, dass sie nichts vor mir verbirgt und ihre Gründe hat, warum sie warten will.

An der Laube angekommen, trat Sirri wortlos in den Eingang. Die Sprecher der anderen vierzehn Stämme erwarteten sie schon. Jetzt standen sie auf, um Auraya zu begrüßen, und sie spürte eine neue Vorsicht in der Art, wie sie ihr gegenübertraten. Sirri führte sie zu einem der niedrigen Hocker, dann nahm sie ebenfalls Platz.

»Auraya von den Weißen«, begann sie schließlich. »Erinnerst du dich daran, dass ich dir von großen, schwarzen Vögeln erzählt habe, die vor einem Monat den Sonnengebirgs-stamm angegriffen haben?«

»Ja. Einer der Jäger behauptete, es sei eine Landgeherin in der Nähe gewesen.«

Sirri nickte. »Die Vögel sind seither nicht mehr gesehen worden, obwohl einige von uns ängstlich nach ihnen Ausschau gehalten haben, aber die Frau ist vor kurzer Zeit wieder aufgetaucht.« Sie blickte zu dem Anführer des Zwillingsberge-Stamms hinüber. »Ein kleines Mädchen ist ihr begegnet. Wir haben keinen Grund, an der Geschichte dieses Mädchens zu zweifeln; sie neigt nicht dazu, sich fantastische Geschichten auszudenken. Sie sagt, sie sei der Frau in der Nähe ihres Dorfes begegnet. Die Frau habe sie gebeten, eine Botschaft zu überbringen; sie hat sich für den Angriff auf die Jäger entschuldigt. Allerdings behauptete sie, es sei ein Unfall gewesen, und sie habe zu spät begriffen, was ihre Vögel taten. In Wahrheit habe sie die Absicht gehabt, unsere Freundschaft zu erringen. Dann hat sie dich vorüberfliegen sehen« – Sirri schaute Auraya in die Augen -, »woraufhin sie ihre Meinung geändert hat. Sie hat beschlossen, Si zu verlassen, und dem Mädchen zuvor noch eine andere Botschaft für den Anführer ihres Stammes gegeben. Sie sagte, wenn die Siyee sich mit den Zirklern verbünden würden, würden sie einen noch mächtigeren Feind gewinnen.«

Auraya fröstelte. »Wie hat diese Landgeherin ausgesehen?«

»Ihre Haut war dunkel. Sie wirkte jung und stark.«

»Ihre Kleidung?«

»Sie war in Schwarz gewandet und trug eine Kette mit einem silbernen Anhänger.«

Aus dem Frösteln wurde ein Schauder, der Auraya kalt über den Rücken lief.

»Ah.«

»Hast du schon einmal von dieser Frau gehört?«

Auraya schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich bin Leuten wie ihr begegnet. Sie könnte ein Mitglied eines Kults aus Südithania sein. Ich muss Juran darüber berichten.«

Sie schloss die Augen und rief Jurans Namen.

Ja?, erwiderte er.

Ich glaube, dass eine Pentadrianerin in Si herumgeschnüffelt hat. Sie erzählte ihm, was sie erfahren hatte.

Eine Frau mit Vögeln, ein Mann mit Worns. Zu den fünf Anführern, die unsere Spione uns genannt haben, gehören auch zwei Frauen.

Ja. Was soll ich den Siyee erzählen?

Alles. Ganz Nordithania wird schon bald von diesen Zauberern erfahren. Dieser Zwischenfall könnte den letzten Ausschlag dafür geben, dass sie eine Allianz unterzeichnen. Auraya unterdrückte ein Seufzen und öffnete die Augen. In was für eine Geschichte ziehe ich diese Leute hinein?, fragte sie sich einmal mehr. Sie blickte in die ängstlichen Gesichter der Sprecher.

»Juran und ich glauben zu wissen, was sie ist, geradeso, wie sie mich als das erkannt hat, was ich bin. Sie ist eine pentadrianische Zauberin«, erklärte sie den Sprechern. »Wir sind bereits zwei anderen von ihrer Art begegnet. Der erste ist mit einem Rudel Worns nach Toren eingedrungen. Die Tiere waren größer und von dunklerer Farbe als ihre wilden Vettern, und sie schienen den Gedankenbefehlen ihres Herrn zu gehorchen. Anscheinend ist ihr Herr nur deshalb nach Toren gekommen, um Angst und Tod zu verbreiten. Rian hat den Mann gefunden und sich ihm in den Weg gestellt, und als dem Zauberer klar wurde, dass er den Kampf nicht gewinnen konnte, ist er geflohen.

Der zweite Zauberer befand sich nicht in Begleitung von Worns«, fuhr sie fort. Die Erinnerung daran, wie sie durch die Magie des schwarzen Zauberers an eine Wand gepresst worden war, brachte einen Nachhall von Furcht mit sich. Auraya holte tief Luft und schob sowohl die Erinnerung selbst als auch das Entsetzen beiseite, das damit einherging. »Er hatte überhaupt keine Tiere bei sich, bis auf ein gewöhnliches Reyna. Soweit wir wissen, hat er niemandem Schaden zugefügt. Man hat mir den Auftrag gegeben, Dyara bei der Suche nach ihm zu helfen, aber auch er ist uns entkommen.«

»Was wollen diese Zauberer?«, fragte einer der Sprecher.

Auraya verzog das Gesicht. »Das weiß ich nicht. Aber eines steht fest, sie hassen die Zirkler. Sie nennen uns Heiden.«