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»Du siehst müde aus, Ratgeber«, bemerkte Leiard.

»Das bin ich auch«, gab Danjin zu. »Meine Frau und ich hatten gehofft, dass ich ein wenig mehr freie Zeit haben würde, solange Auraya in Si ist, aber ich fürchte, es ist genau das Gegenteil eingetreten. Wie ist es dir ergangen?«

»Ich verwende all meine Zeit darauf, Jayim zu unterrichten.«

Nur des Nachts nicht, wenn du in verbotenen erotischen Traumvernetzungen mit einer der Weißen schwelgst, wisperte Mirar. Was er wohl davon halten würde? Die Frau, die er liebt wie eine Tochter, teilt das Bett mit einem Traumweber...

Tanara kam mit zwei dampfenden Bechern mit heißem, gewürztem Tintra in den Raum zurück. Danjin nahm einen Schluck und lächelte.

»Ah, vielen Dank, Ma-Bäcker. Das tut gut. Es ist sehr kalt draußen.«

»Ja, nicht wahr?«, erwiderte sie und warf Leiard einen bedeutungsvollen Blick zu. »An einem Tag wie diesem sollte niemand draußen auf einem Dach sitzen.«

»Mutter!« Jayims Protest wehte durch die Tür. »Ich habe es dir schon hundert Mal gesagt; er hat mir beigebracht, wie ich mich mit Magie warm halten kann.«

Sie rümpfte die Nase, dann wandte sie sich mit einem Lächeln an Danjin. »Ruf einfach nach mir, wenn du irgendetwas brauchst.«

Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, sah Leiard Danjin nachdenklich an. Mirars Bemerkung hatte ihn daran erinnert, dass er nur wenig darüber wusste, wie Aurayas Arbeit sich entwickelte. In ihren Traumvernetzungen hatten sie kaum über dieses Thema gesprochen. Ihre Aufmerksamkeit hatte... anderen Dingen gegolten.

»Also, wie geht es Auraya?«, fragte er.

Danjin lächelte. »Sie unterhält sich blendend. Ob sie bei ihrer Aufgabe Erfolg haben wird, steht noch nicht fest«, fügte er kopfschüttelnd hinzu. »Die Führer der Siyee, die Sprecher, wollen, dass alle Stämme einer Allianz zustimmen, bevor sie irgend etwas unterzeichnen, und während der ersten Versammlung haben sich einige Stämme gegen ein Bündnis ausgesprochen. Auraya hofft allerdings, dass sie ihre Meinung aufgrund einiger neuer Entwicklungen ändern werden. Die Gefahr eines Krieges ist eine dieser Entwicklungen, die andere ist ein glücklicher Zufall. Einer der Siyee hat eine neue Waffe erfunden, die es ihnen ermöglichen wird, Feinde von der Luft aus anzugreifen, was ihnen im Kampf einen entscheidenden Vorteil verschaffen würde. In einer Woche soll eine weitere Versammlung stattfinden, bei der darüber entschieden werden wird.«

Was ist das für eine Waffe?, fragte sich Leiard. Die Vorstellung, dass die Siyee sich zu einem kriegerischen Volk entwickeln könnten, entsetzte ihn. Es hatte ihm immer gutgetan zu wissen, dass es zumindest eine gewaltfreie Rasse auf der Welt gab.

Ein gewaltfreies Volk, das von Huan geschaffen wurde. Also, wenn das keine Ironie ist, murmelte Mirar.

»Sie hat mich gebeten, dich zu besuchen«, fügte Danjin hinzu, nachdem er seinen Becher geleert hatte.

Leiard lächelte. »Dann hat sie uns also noch nicht vergessen.«

»Nein.« Danjin lachte leise. »Ich habe den Verdacht, dass sie sich in Si niederlassen würde, wenn ihre Position es zuließe.«

»Sie hat sich in das Land verliebt«, sagte Leiard. »Das passiert manchmal, wenn Menschen das erste Mal auf Reisen gehen. Sie entdecken ein Land und glauben, dort sei alles so, wie es sein sollte. Irgendwann werden sie diesen Ort dann so sehen, wie er ist – mit seinen Vorzügen und seinen Nachteilen.«

Danjin musterte Leiard mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck. Leiard spürte Überraschung und einen widerstrebenden Respekt. »In meinen frühen Jahren als Kaufmann und später als Höfling und Unterhändler habe ich das gleiche Phänomen wahrgenommen.« Danjin betrachtete den leeren Becher in seinen Händen und stellte ihn dann beiseite. »Ich muss langsam nach Hause gehen. Es ist schon spät, und meine Frau erwartet mich.« Er erhob sich. »Bitte danke Ma-Bäcker in meinem Namen für das heiße Getränk.«

»Das werde ich tun«, versicherte ihm Leiard.

Leiard begleitete Danjin zum Haupteingang. Als sie dort ankamen, zögerte Danjin, runzelte die Stirn und sah Leiard beinahe verstohlen an. Leiard spürte eine plötzliche Veränderung in der Stimmung des Mannes. Danjin wollte irgendetwas sagen. Vielleicht wollte er ihn warnen.

Frag ihn, ob es noch irgendetwas anderes zu besprechen gibt, sagte Mirar.

Nein, erwiderte Leiard. Wenn er es mir erzählen könnte, hätte er es bereits getan.

Dessen kannst du dir nicht sicher sein. Wir wissen beide, dass seine Familie Traumweber schon immer gehasst hat. Wenn du ihn nicht fragst, werde ich es tun.

Leiard spürte, wie ihm etwas entglitt; es fühlte sich an, als versuche er, einen fallenden Gegenstand rechtzeitig aufzufangen, nur um dann erleben zu müssen, dass er ihm im letzten Moment durch die Finger rutschte. Sein Mund öffnete sich, obwohl er ihm nicht den Befehl dazu gegeben hatte. »Da ist noch etwas, nicht wahr?« Danjin drehte sich überrascht zu Leiard um. Seine Überraschung ist bei weitem nicht so groß wie meine eigene!, dachte Leiard. Er rang um Kontrolle über seinen Körper, etwas, das er noch nie zuvor hatte tun müssen, so dass er keine Ahnung hatte, wie er es anstellen sollte.

»Irgendetwas bekümmert dich«, erklärte Mirar und hielt Danjins Blick mit Leiards Augen fest. »Etwas Wichtiges. Eine mögliche Bedrohung für meine Leute.«

Danjin schwieg einen Moment lang; er dachte offensichtlich darüber nach, was er sagen sollte. Schließlich stieß er einen leisen Seufzer aus und blickte auf.

»Wenn deine Leute Grund haben sollten, die Pentadrianer zu fürchten, würde ich an deiner Stelle die Traumweber dazu überreden, Sennon zu verlassen«, murmelte Danjin.

»Das ist alles, was ich dazu sagen kann.«

Mirar nickte. »Ich danke dir. Für die Warnung und für deinen Besuch.«

Danjin hob die Schultern. »Ich wäre eher gekommen, wenn es mir möglich gewesen wäre.« Er neigte den Kopf. »Gute Nacht, Traumweberratgeber Leiard.«

Als Leiard seinen Namen hörte, spürte er, dass Mirar den Zugriff über seinen Körper verlor. Als er wieder die Kontrolle über sich hatte, taumelte er leicht. Danjin sah ihn erwartungsvoll an.

»Gute Nacht«, sagte er.

Leiard beobachtete, wie Aurayas Ratgeber zu einem geschlossenen Plattan ging und einstieg. Als sich der Wagen in Bewegung setzte, schloss Leiard die Tür. Er lehnte sich an die Wand und atmete tief durch. Sein Herz raste.

Was ist da gerade passiert?

Mirar erwiderte nichts.

Ich habe soeben die Kontrolle über meinen Körper an ein Erinnerungsecho verloren, beantwortete Leiard sich seine Frage selbst. Kann so etwas noch einmal geschehen? Kann Mirar dauerhaft die Kontrolle über mich gewinnen? Ihm wurde klar, dass er es nicht wusste.

Dann muss ich jemanden finden, der es weiß. Aber an wen könnte ich mich wenden? Er lächelte grimmig. Traumweberin Arleej. Wenn die Anführerin der Traumweber mir keine Antwort geben kann, dann kann es niemand.

Eine Bewegung an der Tür ließ ihn zusammenzucken, aber es war nur Tanara. Sie musterte ihn besorgt. »Geht es dir gut, Leiard?«

Er atmete tief durch. »Ja. Ich bin nur müde. Ich... ich werde jetzt zu Bett gehen.«

Sie nickte lächelnd. »Ich werde Jayim Bescheid sagen. Dann bleibt mir nur, dir angenehme Träume zu wünschen.«

Leiard erwartete eine freche Erwiderung von Mirar, aber die fremde Persönlichkeit in seinem Geist schwieg. Als er an Tanara vorbeiging, blieb er noch einmal kurz stehen.

»Danjin hat mich gebeten, dir für den Tintra zu danken«, sagte er.

Sie lächelte. »Er scheint ein netter Mensch zu sein. Ganz im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern seiner Familie, über die ich nicht viel Gutes gehört habe.« »Das ist richtig«, stimmte Leiard ihr zu. »Gute Nacht.«

Er trat in sein Zimmer, zog sein Wams aus und legte sich aufs Bett.