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Seine Mutter zog eine Augenbraue hoch. »Gib nur Acht, wie du sie jetztbehandelst. Man wird dir eine Menge Aufmerksamkeit schenken, und die beiden werden dir das verübeln. Es ist immer besser, sich keine Feinde zu schaffen...«

»Hallo? Ist schon jemand wach?«

Die Worte waren leise gesprochen worden und kamen von jenseits der Laube. Tryss erkannte Sprecherin Sirris Stimme und tauschte hastig einen Blick mit seiner Mutter.

»Ja. Komm herein, Sprecherin Sirri«, rief seine Mutter.

Die Türlasche wurde beiseitegezogen, und die ältere Frau trat ein. Sie begrüßte Tryss’

Mutter mit einem respektvollen Nicken und schenkte Tryss ein Lächeln.

»Die Sprecher werden heute Morgen zusammenkommen, um die Unterzeichnung der Allianz zu bezeugen. Ich möchte, dass auch Tryss zugegen ist.«

Seine Mutter wirkte erstaunt. »Wirklich? Nun, ich wüsste nicht, was dagegen spräche. Hat er noch genug Zeit, etwas zu essen?«

Sirri zuckte die Achseln. »Ja, wenn er nicht zu lange braucht.« »Und du?«

Die ältere Frau blinzelte überrascht. »Ich?«

»Möchtest du eine Portion Nussbrei? Er ist schon fertig, und ich habe mehr als genug.«

Sirri betrachtete die Schale. »Nun, wenn es keine Mühe macht...«

Tryss’ Mutter antwortete mit einem Lächeln und löffelte den heißen Brei in vier Schalen. Sirri setzte sich, um zu essen. Der Erleichterung in ihren Zügen entnahm Tryss, dass die Sprecherin vermutlich noch keine Zeit gefunden hatte, etwas zu sich zu nehmen. Der Vorhang vor der Tür zum Zimmer seiner Eltern wurde aufgezogen, und sein Vater, dem das Haar in alle Richtungen vom Kopf abstand, trat hindurch. Er sah Sirri überrascht an.

»Sprecherin«, sagte er.

»Tiss«, erwiderte sie.

»Ist das das Frühstück, das ich da rieche?«, fragte er, an Tryss’ Mutter gewandt.

»Ja«, erwiderte sie und reichte ihm eine Schale.

»Ihr müsst sehr stolz auf Tryss sein«, sagte Sirri.

Tryss’ Herz schwoll an vor Freude, als seine Eltern nickten. »Er war schon immer ein kluger Junge«, erklärte seine Mutter. »Ich dachte, dass er einen guten Beruf erlernen und vielleicht Bogenmacher oder Pfeilschmied werden würde. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass er helfen würde, solche Veränderungen für unser Volk herbeizuführen.«

»So, wie es war, konnte es nicht bleiben«, ergänzte sein Vater. »Mein Großvater hat immer gesagt, die größte Stärke der Siyee liege darin, Veränderungen willkommen zu heißen und sich entsprechend anzupassen.«

»Dein Großvater war ein weiser Mann«, erwiderte Sirri.

Tryss’ Mutter nickte zustimmend, dann sah sie zu ihrem Sohn hinüber. »Ich fürchte nur, was jede Mutter fürchtet: dass solche Veränderungen einen furchtbaren Preis fordern.«

Sirri verzog das Gesicht. »Diese Furcht kenne ich gut. Wenn wir mit den Weißen in den Krieg ziehen, wie ich es vermute, bezweifle ich, dass ich Sreil hier halten kann. Was ich auch nicht tun sollte. Es wird eine schwierige Zeit werden.«

Tryss’ Eltern nickten abermals. Sie verzehrten schweigend ihr Frühstück, dann stellte Sirri ihre leere Schale beiseite und sah Tryss an.

»Veränderungen warten auf niemanden, aber die Unterzeichnung der Allianz kann ohne die Erste Sprecherin nicht vonstattengehen. Wir müssen aufbrechen. Vielen Dank für das Essen, Trilli. Es hat mir gutgetan.«

Tryss’ Mutter sammelte die leeren Schalen ein und begleitete Tryss und Sirri hinaus. Als sie ins Sonnenlicht traten, bemerkte Tryss eine Bewegung vor der benachbarten Laube. Ein Gefühl des Jubels stieg in ihm auf, als Drilli herauskam. Sie sah ihn und grinste, aber das Lächeln verblasste, als ihr Vater neben ihr erschien. Er bedachte Tryss mit einem warnenden Blick, dann schritt er davon, und Drilli folgte ihm.

Seufzend drehte Tryss sich wieder zu Sirri um, die ihn beobachtet hatte.

»Deine Nachbarn haben viel Zeit mit den Vertretern des Stamms vom Gegabelten Fluss verbracht. Ich habe mir nichts Besonderes dabei gedacht, bis mir wieder eingefallen ist, dass eine Familie von ihrem eigenen Stamm sich mit den Leuten vom Gegabelten Fluss zusammengetan hat. Ich vermute, Zyll hofft, seine Tochter dazu überreden zu können, in diese andere Familie vom Schlangenfluss einzuheiraten. Es ist ihm sehr wichtig, zu verhindern, dass der Schlangenflussstamm in anderen Stämmen aufgeht.«

Tryss hatte das Gefühl, als verwelke ihm das Herz im Leib. Als Sirri ihn ansah, zuckte er nur die Achseln, weil er befürchtete, dass seine Stimme seine Gefühle verraten würde, wenn er auch nur ein Wort sagte.

»Er kann sie natürlich nicht dazu zwingen, wenn sie bereits einem anderen versprochen sein sollte.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich fand dieses Gesetz schon immer töricht. Es zwingt junge Menschen, zu früh einen Partner zu wählen. Genauso wenig gefällt mir der Gedanke, dass Väter ihre Töchter zu jung an Männer verheiraten, die sie kaum kennen.« Wieder musterte sie Tryss. »Lass uns gehen.«

Gemeinsam rannten sie los, schwangen sich mit einem Sprung in die Luft und breiteten die Arme weit aus. Als Sirris Flügel den Wind einfingen und sie gen Himmel flog, folgte Tryss ihr. Während sie zum oberen Teil des Offenen Dorfs flogen, gingen ihre Worte ihm wieder und wieder durch den Kopf.

»Er kann sie natürlich nicht dazu zwingen, wenn sie bereits einem anderen versprochen sein sollte.«

Wusste sie, dass er und Drilli häufig zusammen gewesen waren, bis Drillis Vater eingegriffen hatte? Offensichtlich missbilligte sie, was Zyll tat. Wollte sie mit ihrer Bemerkung andeuten, dass er und Drilli einander ein Eheversprechen geben sollten? Es könnte die einzige Möglichkeit sein, Drilli wiederzusehen.

Aber... Ehe. Das klang so erwachsen. Er würde aus der Laube seiner Eltern ausziehen müssen. Der Stamm würde ihnen eine eigene Laube bauen. Er dachte darüber nach, wie es wohl sein würde, mit Drilli zu leben.

Er lächelte. Es würde schön sein. Eine Laube nur für sie beide. Gemeinsame Zeit. Ungestörtheit.

War sie das richtige Mädchen für ihn? Er dachte an die anderen Mädchen, die er kannte. Diejenigen in seinem Stamm, mit denen er aufgewachsen war, waren wie Familienmitglieder für ihn. Einige waren freundlich, aber sie konnten Drilli nicht das Wasser reichen. Sie war... etwas Besonderes.

Sirri landete vor ihm und hielt inne, um auf ihn zu warten.

Er ließ sich neben ihr zu Boden fallen, dann folgte er ihr zu der Sprecherlaube. Alle Gedanken an Drilli waren verflogen, als ihm klar wurde, dass er gleich an einem Ereignis teilhaben würde, das wahrscheinlich in die Geschichte der Siyee eingehen würde.

»Was... was werde ich tun müssen?«, fragte er.

»Nichts. Setz dich einfach nach hinten und schweige, bis man dich anspricht«, erklärte ihm Sirri.

Plötzlich war sein Mund trocken. Sein Magen begann beunruhigend zu flattern. Sirri schritt auf den Eingang zu und zog den Vorhang beiseite. Als sie hindurchtrat, schluckte Tryss und folgte ihr.

In dem Raum drängten sich dicht an dicht die Siyee. Alle hatten aufgeblickt, als Sirri eintrat, und nun betrachteten sie Tryss mit einigem Interesse. Die Priesterin war ebenfalls zugegen und wirkte in dem engen Raum größer denn je. Sie sah ihm in die Augen und lächelte, und er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Sirri trat zu einem freien Hocker. Als sie sich setzte, blickte sich Tryss im Raum um. Weitere Hocker gab es nicht. Er setzte sich auf den Boden, wo er Sirri zwischen zweien der Sprecher sehen konnte.

»Gestern Abend hat jeder Stamm noch einmal den Vorschlag der Weißen zu einer Allianz erwogen«, sagte Sirri. »Gestern Abend haben alle Stämme eine Entscheidung getroffen, und die Entscheidungen sind alle gleich ausgefallen. Wir, die Siyee, werden diesen Pakt mit den Weißen schließen. Wir werden uns mit den Zirklern verbünden. Wir haben bis spät in die Nacht über den genauen Wortlaut des Vertrages debattiert.«

Sie sah Auraya an. »Heute Morgen hat Auraya von den Weißen diese Worte in den Sprachen sowohl von Si als auch von Hania auf Pergament geschrieben. Diese beiden Schriftrollen sind von allen begutachtet worden.«