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»Meine Güte«, sagte Elaine, »machen denn jetzt alle auf Häuslichkeit in diesem Scheißkaff? Sind Sie jetzt seit neuestem Babysitter oder was?«

»Eine Art Notfall, sagt Marguerite.« Er erhob sich.

»Na, dann gehen Sie.« Sie verdrehte die Augen. Sebastian nickte freundlich.

»War nett, Sie kennenzulernen«, sagte Chris zu Sue.

»Ebenfalls.« Er schien wirklich ganz nett zu sein, wenn auch ein bisschen unruhig und abgelenkt. Jedenfalls war er eine angenehmere Gesellschaft als Elaine mit ihrem Röntgenblick.

Den Elaine auch sofort wieder auf sie richtete, als Chris sich vom Tisch entfernte. »Dann ist es also wahr? Ray betreibt verbotene Hackerei?«

»Ob verboten, weiß ich nicht. Er hat die Absicht, es öffentlich bekanntzugeben. Die Idee ist, dass Nachrichten, die vor der Abriegelung auf den Servern eingegangen sind, uns Aufschluss über die Ursache geben könnten.«

»Falls irgendwelche Nachrichten vor der Abriegelung eingegangen sind, wieso hat dann Ray keine bekommen?«

»Bevor all die Leitungskräfte zur Konferenz nach Cancun aufgebrochen sind, war er nicht hoch genug platziert auf dem Management-Totempfahl. Außerdem ist er relativ neu hier. Er hatte Kontakte in Crossbank, aber nicht das, was man Freunde nennen würde. Ray schließt keine Freundschaften.«

»Das gibt ihm das Recht, in gesicherte Server einzubrechen?«

»Das glaubt er, ja.«

»Er glaubt es, aber hat er auch entsprechend gehandelt?«

Sue überdachte ihre Lage. Mit der Presse zu reden, wäre ein ausgezeichneter Grund, gefeuert zu werden. Zweifellos würde Elaine ihr vollständige Anonymität zusichern. (Oder Geld, wenn sie danach verlangte. Oder den Mond.) Aber Versprechungen waren wie faule Schecks, leicht auszustellen und schwer einzulösen. Ich mag blöd sein, dachte Sue, aber ich bin nicht annähernd so blöd, wie diese Frau anscheinend glaubt.

Sie dachte an Sebastian. Wollte Sebastian, dass er über diese Dinge redete? Sie sah ihn fragend an. Sebastian saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, die Hände auf dem Bauch gefaltet; ein Spritzer Senf schmückte seinen Bart. Er tat geheimnisvoll wie eine ausgestopfte Eule. Aber er nickte ihr zu.

Okay?

Okay. Sie würde es für ihn tun. Nicht für Elaine.

Sie leckte sich die Lippen. »Schulgin war gestern im Gebäude, zusammen mit einem Computermenschen.«

»Um die Server zu knacken?«

»Was glauben Sie? Aber ich hab sie nicht auf frischer Tat ertappt oder so.«

»Was haben sie erreicht?«

»Nichts, soweit ich weiß. Sie waren immer noch zugange, als ich am Freitag nach Hause gegangen bin.« Vielleicht sind sie immer noch da, dachte Sue, und durchsieben das Silizium nach Gold.

»Falls sie irgendwas Interessantes finden, würde diese Information über Ihren Schreibtisch gehen?«

»Nein.« Sie lächelte. »Aber über Rays.«

Sebastian wirkte plötzlich beunruhigt. »Ist ja alles sehr interessant«, sagte er. »Aber lass dich nicht von Elaine beschwatzen, irgendetwas Gefährliches zu tun.« Seine Hand lag wieder auf ihrem Schenkel, übermittelte ihr eine Nachricht, die sie nicht entschlüsseln konnte. »Es sind in erster Linie ihre eigenen Interessen, die Elaine am Herzen liegen.«

»Ach, halten Sie die Klappe, Sebastian«, giftete Elaine.

Sue war ein bisschen schockiert. Umso mehr, als Sebastian einfach nur nickte und erneut sein Buddha-Lächeln aufsetzte.

»Könnte sein, dass ich so etwas sehe«, sagte Sue. »Vielleicht aber auch nicht.«

»Falls Sie es tun …«

»Elaine, Elaine«, sagte Sebastian. »Überspannen Sie den Bogen nicht.«

»Ich denk drüber nach«, sagte Sue. »Okay? Reicht das? Können wir jetzt über etwas anderes reden?«

Sie hatten ihre Karaffe mit Kaffee geleert und die Kellnerin war nicht gekommen, um nachzuschenken. Elaine schickte sich an, in ihre Jacke zu schlüpfen. Sebastian sagte: »Übrigens, ich bin gebeten worden, einen kleinen Vortrag im Gemeindezentrum zu halten, im Rahmen von Aris Gesellschaftsabenden.«

»Reklame für Ihr Buch machen?«, fragte Elaine.

»In gewisser Weise. Ari hat Schwierigkeiten, diese Samstagstermine zu besetzen. Wahrscheinlich wird er als Nächstes Sie fragen.«

Sue freute sich zu sehen, dass Elaine dies mit einigem Schrecken hörte. »Danke, aber ich hab Besseres zu tun.«

»Ich überlasse es Ihnen, Ari das mitzuteilen.«

»Ich geb's ihm schriftlich, wenn er möchte.«

Sebastian entschuldigte sich und steuerte die Toilette an. Nach einigen Augenblicken verlegenen Schweigens sagte Sue, noch immer verärgert: »Es mag Ihnen nicht gefallen, was Sebastian schreibt, aber trotzdem verdient er ein wenig Respekt.«

»Haben Sie sein Buch gelesen?«

»Ja.«

»Im Ernst? Wovon handelt es?«

Sue wurde unversehens rot. »Es handelt vom Quantenvakuum. Das Quantenvakuum ist ein Medium für … äh … eine Art Intelligenz …« Und das, was wir als menschliches Bewusstsein bezeichnen, ist nämlich in Wirklichkeit unsere Fähigkeit, einen winzig kleinen Teil von diesem universellen Geist anzuzapfen. Es war jedoch ausgeschlossen, dass sie darüber mit Elaine sprach. Sie kam sich schon jetzt furchtbar töricht vor.

»Nein«, sagte Elaine. »Tut mir leid, aber das ist falsch. Es geht darum, den Leuten etwas ganz Schlichtes und Beruhigendes zu sagen, es aber mit pseudowissenschaftlichem Schwachsinn aufzumotzen. Es handelt von einem Akademiker im Quasiruhestand, der einen Haufen Geld verdient und zwar auf die denkbar zynischste Weise. Oh …«

Sebastian war plötzlich hinter ihr aufgetaucht, und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er alles mitgehört. »Ernsthaft, Elaine, das geht jetzt wirklich zu weit.«

»Spielen Sie nicht den Beleidigten, Sebastian. Hat Ihr Verleger schon mal wegen einer Fortsetzung bei Ihnen angeklopft? Wie soll sie denn heißen? Das Zwölf-Punkte-Programm für das Quantenvakuum? Finanzielle Sicherheit mit dem Quantenvakuum?«

Sebastian öffnete den Mund, sagte aber nichts. Er sah nicht wütend aus, fand Sue. Sondern verletzt.

»Ganz im Ernst«, wiederholte er.

Elaine stand auf, knöpfte ihre Jacke zu. »Amüsiert euch noch, Kinder.« Sie zögerte, dann drehte sie sich um und legte Sue eine Hand auf die Schulter. »Okay, ich weiß, ich bin ein furchtbares Miststück. Tut mir leid. Danke, dass ihr mich ertragen habt. Ich bin Ihnen wirklich dankbar für das, was Sie über Ray gesagt haben.«

Sue zuckte die Achseln — ihr fiel keine Antwort ein.

Auf der Rückfahrt war Sebastian sehr still. Fast eingeschnappt. Sie konnte es gar nicht erwarten, nach Hause zu kommen und ihm einen Joint zu drehen.

Sechzehn

Chris fand Marguerite in ihrem Arbeitszimmer im ersten Stock, sie telefonierte lautstark. Die Direktübertragung aus dem Auge füllte den Wandmonitor aus.

Das Bild sah nicht gut aus. Irgendwie angegriffen — von falschen Linien und flüchtigen weißen Punkten durchzogen. Schlimmer noch, das Subjekt kämpfte sich durch haarsträubend schlechtes Wetter, ocker- und rostfarbene Fetzen, ein Staubsturm von solcher Heftigkeit, dass es darin ganz zu verschwinden drohte.

»Nein«, sagte Marguerite, »es ist mir egal, was sie in der Plaza sagen. Kommen Sie, Charlie, Sie wissen, was das bedeutet! Nein! Ich werde da sein. Bald.« Als sie Chris sah, fügte sie hinzu: »In fünfzehn Minuten.«

Die gleich nach seiner Entdeckung erstellte kartographische Darstellung des Planeten hatte jahreszeitlich bedingte Staubstürme von nahezu marsianischer Intensität gezeigt, vorwiegend in der südlichen Hemisphäre. Dieser Sturm hier musste anomal sein, dachte Chris, denn das Subjekt hatte sich noch nicht weiter als hundertfünfzig Kilometer von Hummerhausen entfernt, und Hummerhausen befand sich ein gutes Stück nördlich des Äquators. Vielleicht aber war es auch ein ganz natürlicher Sturm, Teil eines langfristigen Zyklus, der von der Beobachtung nicht erfasst worden war.