Die unerwünschte totale Auslöschung wurde noch oft beobachtet, bevor die Wissenschaftler das Problem zu lösen vermochten: Ihre vergleichsweise winzigen Computer waren nicht in der Lage, zwischen Materie und Energie richtig zu unterscheiden, und der violette Strahl konnte nicht ganz exakt gesteuert werden. Das Gerät war von Zinder zur Umwandlung und Wiedererschaffung, nicht als Zerstrahlungswaffe konstruiert worden. Ohne Zinders Großcomputer war die Trägerwelle nicht ausreichend zu kontrollieren; sie vernichtete alles, was sie traf. Alles.
»Wir reißen ein Loch in das Gefüge der Raum-Zeit selbst!«entfuhr es einem der Wissenschaftler. »Dank dem gepulsten Feld sind wir in der Lage gewesen, eine Selbstreparatur der Dinge zuzulassen — aber anhaltende Totalaufhebung in großem Maßstab könnte die Kräfte der Natur, damit fertigzuwerden, übersteigen!«
»Das markovische Gehirn ist möglicherweise nicht in der Lage, eine derart riesige Lücke zu bewältigen«, bestätigte ein anderer. »Es könnte unmöglich werden, den Riß zu beheben!«
Sie stürzten zu Funkanlagen, um die militärische Führung zu warnen, erhielten jedoch eine unerwartete Antwort.
»Wir haben bereits ein Drittel des Kom-Gebietes verloren; wir stehen vor dem sicheren Untergang. Hier handelt es sich um die einzige wirksame und einsatzfähige Waffe, die ihr habt entwickeln können. Es trifft zwar zu, daß wir möglicherweise unseren Untergang herbeiführen, wenn wir sie gebrauchen, aber wenn wir es nicht tun, ist er Gewißheit. Wir machen weiter!«
Als die Streitkräfte einfach erloschen, tat die Dreel-Sippe, was jedes intelligente Wesen getan hätte. Sie leitete einen Rückzug ein und nahm ihre Streitkräfte zurück, so rasch das ging. Bei den meisten Raumfahrzeugen war das einfach, weil sie schneller waren als alles, was der Kom-Bund einzusetzen vermochte. Für das Mutterschiff, einen künstlichen Planetoiden von mehr als zehntausend Kilometern Durchmesser, kam ein derartiges Flugvermögen aber nicht in Frage. Es konnte die erforderlichen Geschwindigkeiten zwar erzielen, aber die Zufuhr der Energiemengen und die notwendigen Vorbereitungen, um zu verhindern, daß alle, die sich an Bord befanden, getötet wurden, würden mindestens drei Tage in Anspruch nehmen.
Wegen der Beschränkung ihrer Energiequellen besaßen die Zinder-Vernichter eine wirksame Reichweite von knapp unter einem Lichtjahr; sie waren bis auf ein Parsec an ihr Ziel herangekommen, als es sich in Bewegung setzte.
Die Dreel wußten, daß sie den Vernichtern nicht entkommen konnten, aber in der Einsatzgruppe wußte man es nicht.
»Vordere Scheibe einschalten und in Betrieb halten, auf das Dreel-Mutterschiff gezielt, falls es nicht zur Abwehr gebraucht wird«, befahlen die Militärs.
Vor der Einsatzgruppe des Kom-Bundes öffnete sich ein Loch, ein Riß in der Raum-Zeit. Da die Flottenoffiziere nicht genug Erfahrung besaßen, um die Wirkung der Vernichtungsgeräte richtig zu beurteilen, entdeckten sie plötzlich, daß sie ihr Ziel auf der anderen Seite des Loches nicht mehr sehen konnten. Selbst das Licht wurde ausgelöscht — und sie flogen in eben das Loch hinein, das sie erzeugt hatten!
Alle Wissenschaftler innerhalb der Einsatzgruppe hielten den Atem an.
Ein Blinken, das ganz kurz den Eindruck eines Fotonegativs erweckte, dann gab es nichts mehr, nicht einmal mehr Vernichtungsgeräte.
Das Loch dagegen hörte nicht auf, sich in alle Richtungen auszudehnen und alles zu verschlingen, was ihm in den Weg kam. Das Dreel-Mutterschiff wurde erfaßt, als das Loch knapp ein Lichtjahr maß; innerhalb von fünf Tagen verschlang das Loch zwei Sterne und die dazugehörigen Planetensysteme. Und es wuchs weiter. In seinem Mittelpunkt war — nichts.
Gramanch, ein Planet in der Galaxis M51
Die blauweiße Weite von Gramanch dehnte sich unter der Fährrakete, die zu einem kleinen und nicht sehr eindrucksvollen Mond hinaufstieg. Gramanch besaß mehrere Monde, die meisten nicht mehr als Kratergestein und luftleere Ödnisse, keiner mit einem größeren Umfang als dreitausend Kilometer. Das Ziel der Fährrakete war kleiner, unterschied sich von den anderen aber darin, daß es sich um einen für seine Besitzer klimatisierten Privatmond handelte, an dem kaum etwas natürlich war. Man behauptete, sie hätten einen Steroiden eingefangen, ihn wie ein altes Raumschiff renoviert, einen Antrieb hinzugefügt und ihn in eine Umlaufbahn gebracht. Ganz gewiß gab es ihn noch kein volles Jahr.
Bei der Annäherung vermochte man die Unterschiede leicht festzustellen. Eine Halbkugel wurde geschützt von einer Art Energieschild, die ihr das Aussehen von ein wenig glanzlosem Kunststoff verlieh; darunter gab es Anzeichen für Grünwachstum und Wolken.
Die andere Halbkugel war schwerer zu erkennen, aber als die Fährrakete näher kam, konnte man die Oberfläche sehen. Sie war genarbt, aber nicht wie andere Monde mit Kratern übersät. Lediglich eine riesige, konkave Scheibe, deren metallene Rippen im Sonnenlicht glänzten, deutete darauf hin, daß das der Bereich des Raumantriebs sein mußte.
Die Gramanch waren eine raumfahrende Rasse; sie breiteten sich aus und hatten das ohne Konflikte zu tun vermocht, auch wenn es beim Zusammentreffen mit einigen der nicht-menschlichen Raumfahrerrassen einige unbehagliche Augenblicke gegeben hatte. Die Bewohner von Gramanch waren klein, kaum einen Meter groß, umwickelt von langem Zobelpelz, aus dem Gesichter wie Mini-Löwen oder Pekinesenhündchen guckten. Sie waren insoweit ungewöhnlich, als sie auf allen vieren gingen, sich aber auf die Hinterbeine stellten, wenn sie ihre dünnen, zarten Affenfinger mit opponierendem Daumen gebrauchen wollten. Sie glichen unglaublich dickpelzigen Känguruhs mit dicken Schenkeln und geringelten Pelzschwänzen.
Das Schiff dockte an, und die Passagiere kamen sich leichter vor als bisher. Der Unterschied war so groß, daß ihr Gang federnd wurde, aber nicht so stark, daß dies unbehaglich war.
Ihre Gastgeberin, ein auffälliges, weibliches Wesen, deren flammend orangeroter Pelz grau und weiß gefleckt war, begrüßte sie, als sie ausstiegen.
»Willkommen, willkommen auf Nautilus«, sagte sie freundlich. »Ich bin Sri Khat, Ihre Gastgeberin und die Direktorin dieser Anlage. Bitte, sorgen Sie sich nicht um Ihr Gepäck; es wird zu Ihren Zimmern gebracht. Wenn Sie mir folgen wollen.«
Sie trabten glücklich hinter ihr her, insgesamt vierunddreißig an der Zahl, und betrachteten die seltsame, kleine Welt außerhalb des winzigen Terminals.
Sie war grün und wunderschön. Überall wuchs Gras, und sie konnten auf der linken Seite Wäldchen von fremdartigen Bäumen sehen. Auch die Gebäude wirkten fremd, aber angenehm und keineswegs protzig. Fremdartige Vögel huschten durch eine ungewöhnlich belebende und angenehme Luft; Blumen, vertraute und fremde, wuchsen überall; hier und dort liefen kleine Tiere umher. Man kam an herrlichen, gepflegten Gärten und Springbrunnen mit kristallklarem Wasser vorbei. Inmitten dieser Idylle blieb die Hosteß stehen, drehte sich um, setzte sich auf und sah die Leute an.
»Ich heiße Sie auf Nautilus noch einmal willkommen«, wiederholte sie. »Diese Welt, das einzige bekannte Produkt der Zusammenarbeit von privaten Interessen fremder Wesen, ist zu Ihrer Bequemlichkeit und Freude da, ein Ferienort ohne Belastung und Ängste. Kommen und gehen Sie, wie es Ihnen genehm ist, wandern Sie in unseren Feldern und Wäldern, fischen Sie in unseren Flüssen und Bächen — springen Sie in einen Brunnen, wenn Sie wollen.«
Man lachte leise darüber, wie üblich, und sie setzte ihren Vortrag fort.
»Geschäfte und Läden sind nur für Ihre Einkäufe da; keine Steuerbeamten werden Ihre Muße stören. Wir haben Gesundheitsprogramme, Sportanlagen, Restaurants, Klubs und Aufenthaltsräume, sogar ein Spielkasino. Alles auf Nautilus soll Ihnen helfen zu genießen, wofür Sie bezahlt haben und hier noch bezahlen werden. In jedem Gästezimmer finden Sie Landkarten.«