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Die Zinder-Vernichter waren zu überstürzt entwickelt worden. Weder sie noch ihre Herkunft konnte lange verborgen bleiben. Als man die Daten mit ihren Zusammenhängen veröffentlichen mußte, schien alles bestätigt zu werden, was die Sekte immer schon behauptet hatte. Sogar die nicht-menschlichen Rassen schienen interessiert zu sein, auch wenn sie die Vorstellung eines Gottes in Menschenform zurückwiesen.

So hielten also ungeheuer viele Menschen Ausschau nach Nathan Brazil. Wenn er tatsächlich so echt war, wie Zigeuner behauptete, konnte Marquoz nur hoffen, daß er sich gut versteckt hatte.

Marquoz und Zigeuner waren nicht anwesend, um die Zeremonie zu beobachten oder die Reden zu verfolgen, sondern, um sich mit der Hohepriesterin zu treffen, die zur Menge sprechen sollte. Die Olympierinnen hatten den Rat um Zugang zu den neuerdings freigegebenen Computerarchiven gebeten. Marquoz war hier, um diesen Punkt zu besprechen.

Auch der Rat hatte Angst.

Zigeuner starrte die Menschenmassen bewundernd an.

»Was für eine Masche!«stieß er hervor. »Was für eine großartige Masche!«

»Warum wundert dich das?«fragte der Chugach belustigt. »In der Geschichte deiner Rasse hat niemand mehr Geld eingesackt oder mehr Menschen umgebracht als die Religion, und trotz des ganzen Mummenschanzes spricht für diese hier mehr als für die meisten. Wenn zwei Dutzend nüchterne Astrophysiker ernsthaft um die wahre Natur Gottes streiten, dann haben wir wahrlich alle den falschen Beruf ergriffen.«

Zigeuner lachte.

»Und wie kommen wir durch das Gedränge? Wir brauchen ein Jahr, um überhaupt bis zum Staatshaus zu kommen.«

»Eine Religion deines Volkes kennt die Geschichte eines fliehenden Volkes mit dem Rücken zum Meer, bedrängt von einem feindlichen Heer. Im letzten Augenblick teilte sich das Meer. Das macht man so.«Der Drache zog eine Flasche aus seinem Gürtel, leerte sie und steckte sie wieder in die Halterung. Dann öffnete er den großen Mund, atmete ein und blies den Atem langsam hinaus. Es roch nach Schwefel, und Feuer schoß wie eine lange Zunge heraus. Marquoz hatte keinerlei Schwierigkeiten, sich eine Gasse durch die Menschenmassen zu bahnen und Zigeuner mitzunehmen.

Ein größeres Hindernis war der Schwarm von Sicherheits-Akoluthen um die Eingänge zu dem Gebäude, von dessen Treppenstufen aus die Hohepriesterin Yua zur Menge sprechen sollte. Ihre Elektrostäbe und strengen Mienen verrieten, daß sie mit ein wenig Höllenfeuer nicht einzuschüchtern waren.

Zigeuner blickte nervös auf die Bewacher, die man eigens nach Größe und Schulterbreite ausgesucht hatte, aber Marquoz nahm sich den größten, härtesten, am gefährlichsten aussehenden Burschen und ging auf ihn zu. Der Elektrostab hob sich ein wenig.

»Keiner darf hindurch!«verkündete der Akoluth mit der tiefsten Stimme, die Zigeuner je gehört hatte. Zigeuner glaubte ihm.

»Geh beiseite, Mann!«erwiderte Marquoz, dessen Brummbaßstimme keineswegs eingeschüchtert klang. »Wir vertreten den Kom-Rat.«

»Keiner darf hindurch!«wiederholte der Aufpasser und hob, um das zu unterstreichen, den Elektrostab ein wenig höher.

»Habe ich nicht gesagt, daß wir vom Kom-Rat sind?«wiederholte Marquoz geduldig. »Ich bin von der Kom-Polizei, und jeder Versuch, mich an der Ausübung meiner Pflicht zu hindern, wird mit dem Tode bestraft.«

Der große Mann war nicht beeindruckt.

»Keiner darf hindurch.«Diesmal fügte er hinzu:»Nicht einmal der Kom-Bund steht über dem Willen Gottes.«

»Deine Herrin hat mich rufen lassen«, erklärte Marquoz. »Deine Gruppe wünscht im Hinblick auf eure Suche unsere Mitarbeit. Wir waren so gütig, darüber diskutieren zu wollen, und deine Herrin hat diesen Ort als geeigneten Treffpunkt bestimmt. Nun ist es so, daß ihr etwas von uns wollt und nicht umgekehrt. Du kannst uns durchlassen und deiner Herrin sagen, daß wir hier sind, oder uns fortschicken. Wir werden ihr indirekt klarmachen, wer das Zusammentreffen verhindert hat. Ganz wie du willst. In zehn Sekunden gehe ich.«

Der kleine Drache hatte einen taktischen Fehler begangen. Er hatte dem Aufpasser eine Wahlmöglichkeit zuviel zugestanden. Er kannte sich nicht mehr aus und zog sich auf seine Befehle zurück.

»Ich weiß von nichts und darf keinen hereinlassen«, erwiderte er.

»Nicht einmal Nathan Brazil?«fuhr ihn Marquoz an.

Der Aufpasser blinzelte ein paarmal.

»Aber — natürlich, wenn es der Herr ist —«

»Aha. Deine Befehle sagen aber, keiner darf hindurch«, unterbrach ihn Marquoz, »und Nathan Brazil würdest du hineinlassen. Entweder machst du Ausnahmen oder du machst keine. Wenn nicht, mußt du sogar Brazil den Zutritt verwehren, wenn doch, laß uns bitte unserer Arbeit nachgehen.«

Das war für den Bewacher zuviel. Er wandte sich an einen jüngeren Akoluthen.

»Bruder, sag der Herrin, hier sei eine Riesenechse, die sich für einen Polizisten ausgibt und mit ihr sprechen möchte.«

Der Bruder nickte, drehte sich um und ging. Marquoz griff in sein Wams und zog ein silbernes Zigarrenetui mit einem sehr sonderbaren Wappen heraus. Er nahm eine Zigarre heraus und zündete sie auf die gewohnte Weise an. Der Aufpasser blinzelte fasziniert. Marquoz zeigte ein Grinsen mit sehr vielen, scharfen Zähnen und hielt ihm das Etui hin.

»Zigarre?«fragte er freundlich.

Der Aufpasser riß nur die Augen auf. Der Chugach zog die Schultern hoch und steckte das Etui ein. Zigeuner verdrehte die Augen und beobachtete die Menschenmassen.

Schließlich kam der andere Akoluth zurück und flüsterte mit dem großen Aufpasser und einigen anderen Kollegen. Schließlich kam er herangeschlendert.

»Die Hohepriesterin empfängt euch«, erklärte er, »aber erst nach dem Gottesdienst, der in wenigen Minuten beginnen wird. Bitte, wartet bis dahin.«

Marquoz seufzte.

»Und wie lange wird der Gottesdienst dauern?«

»In der Regel zwei Stunden«, erwiderte der Akoluth. »Er ist sehr erhebend und sollte sich bei diesen Menschenmassen als ein Erlebnis erweisen, das Berge versetzt.«Seine Augen leuchteten. »Ich bin von Anfang an dabei, wissen Sie«, vertraute er ihm stolz an.

Der Drache schnaubte und wandte sich an Zigeuner.

»Ob es hier noch ein Lokal gibt, wo man etwas trinken kann?«

»Vermutlich nicht, aber versuchen können wir es«, meinte Zigeuner achselzuckend.

»Wir kommen wieder«, versprach Marquoz, »in zwei Stunden oder so.«

Sie hatten Glück und fanden doch eine geöffnete Bar; der Besitzer war ein standhafter Materialist, der sich vor seinen einzigen beiden Gästen erbost darüber ausließ, daß der Sekte eine Verschwörung der herrschenden Klassen zugrunde liege, die Massen noch mehr zu unterdrücken.

Der Drachen-Polizist und sein sonderbarer menschlicher Freund blieben in der Bar noch länger als eine halbe Stunde, nachdem sie die ersten Zuschauer den Platz hatten verlassen sehen, sitzen. Endlich stand Marquoz auf und ging zur Tür.

»Na, dann wollen wir mal«, sagte er heiter.

Der Mann hinter der Theke unterbrach seinen Vortrag.

»He, wartet mal! Ihr habt nicht bezahlt!«

Zigeuner drehte sich um und lächelte.

»Aber, Sir! Das wundert mich. Die Massen unterdrücken, indem man etwas so Gemeines und Abscheuliches wie Geld verlangt? Die Wurzel allen Übels, wissen Sie.«

»Was seid ihr denn, Anarchisten?«fuhr ihn der Wirt an und griff unter die Theke. »Her mit dem Geld, oder die Tür bleibt zu, und wir warten auf die Polizei.«

Der Chugach griff in sein Wams und zog ein Ausweisetui heraus.

»Aber die Polizei bin ich selbst, lieber Herr«, erklärte er.

Sie waren im Freien, bevor der Wirt entscheiden konnte, ob er es riskieren sollte oder nicht.

* * *