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Die Hohepriesterin war höchst aufgebracht, so daß ihre innere Wut unverkennbar blieb, obwohl sie sich um eine ausdruckslose Miene bemühte.

»Ihr hättet längst hier sein sollen«, sagte sie empört und schenkte Zigeuner ihre Anfangsrügen.

Marquoz ließ sie eine Weile reden, und Zigeuner nahm die Vorwürfe hin, während der kleine Drache sie genau betrachtete. Es war nahezu unmöglich festzustellen, ob sie dieselbe Person war, die er auf dem Frachtschiff kennengelernt hatte — sie hatte dieselbe Hautfärbung und war auch sonst ein genaues Abbild. Er kam endlich zu dem Schluß, daß sie eine andere sein mußte. Das Original hätte Zigeuner niemals mit ihm verwechselt.

Als sie endlich Atem holen mußte, trat er vor.

»Bürgerin Yua, wenn Sie damit fertig sind, meinen lieben Freund zu beschimpfen, der sonst weiter keine Verbindung zur Regierung hat, bin ich gerne bereit, die Fragen mit Ihnen zu besprechen.«

Die Olympierin zuckte zusammen.

»Wie können Sie es wagen, mich so zu behandeln?«brauste sie auf, und es hatte ganz den Anschein, als sollten Zigeuner und Marquoz eine Neuauflage der ersten Attacke erleben.

»Halten Sie den Mund und setzten Sie sich«, sagte Marquoz knapp.

»Was?«

»Mund halten und hinsetzen, habe ich gesagt. Sie sind es, die bei mir einen guten Eindruck machen müssen, nicht umgekehrt. Priesterin oder nicht, ich bin kein kleiner Polizist oder Kom-Bürger oder Chugach — ich bin in diesem Augenblick der Rat und der gesamte Kom-Bund! Meine Zeit ist wertvoll. Sie können sich noch zehn Sekunden lang aufregen oder an die Decke gehen, was immer Sie wollen, danach verlasse ich den Raum, wenn wir nicht vernünftig miteinander reden können.«Er zog eine Zigarre heraus und zündete sie an.

Yua schluckte mühsam und sagte tonlos:»Nun gut, Sir. Wir sprechen als Gleichberechtigte miteinander.«Für sie war das ein gewaltiger Kompromiß, aber Marquoz paßte er nicht.

»O nein, Madame, wir sind keine Gleichberechtigten. Ich vertrete vierzehn Rassen auf mehr als tausend Welten. Ich vertrete die bestehende Macht, und zwar eine, die Sie zurückgewiesen haben. Ihr Ratssitz ist nie eingenommen worden, sonst müßten wir dieses Gespräch nicht führen. Ich bin der Kom-Bund, Madame — überzeugen Sie mich. Sagen Sie mir zuerst, was Sie wollen, und dann, warum ich es Ihnen geben soll.«

»Nun gut, Sir«, sagte sie gepreßt. »Die Computerarchive sind während des Krieges geöffnet worden. Wir suchen das Ziel unseres Glaubens und unseres Lebenswerks zu erreichen.«

Marquoz nickte nachdenklich, sog an seiner Zigarre und blies einen dicken Rauchring in ihre Richtung.

»Gut, Sie glauben, Sie können Nathan Brazil darin finden. Gehen wir davon aus, daß das der Fall wäre — weshalb sollten wir es zulassen? Er ist Kom-Bürger, und wenn er sich vergraben will, geht Sie das nichts an. Wir suchen ihn nicht, und ich möchte gewiß nicht von Menschenscharen gesucht werden, wenn ich meine Ruhe haben will.«

»Oh, aber ER will gefunden werden!«protestierte sie. »Denn ER ist Gott, verstehen Sie denn nicht? Es ist das Ziel aller, den wahren Namen Gottes zu finden, den wir bereits wissen, und dann Gott selbst. Wenn uns das gelingt, ist das Paradies unser!«

Marquoz ließ sich auf seinem Schwanz nieder.

»Aber Sie müssen doch auch unsere Lage verstehen. Sie sind nur eine Religion unter Zehntausenden. Mehr noch, Sie sind eine menschliche, rassisch voreingenommene Religion. Es gibt unzählige Milliarden von Sonnensystemen, Zehntausende von Galaxien, und alle enthalten eine beinahe unendliche Zahl von Planeten, bewohnt von nahezu jeder Art von Rasse, die man sich vorstellen kann, und von vielen, bei denen das nicht geht. Der Kom-Bund ist nicht gegen Religionen, aber er ist religionslos. Wir können das Richtige vom Falschen nicht unterscheiden, so wenig wie das Wirkliche vom Unwirklichen, die höhere Geistigkeit von Aberglauben und Betrug. Wir versuchen es auch gar nicht. Bedenken Sie die Präzedenzwirkung, Madame! Wenn wir auch nur einer religiösen Gruppe Zugang zu Geheimarchiven gestatten, warum dann überhaupt etwas für geheim erklären?«

»Aber wir wollen doch nur eines!«sagte sie laut.

Der kleine Drache zog die Schultern hoch.

»Dieser Brazil besitzt dieselben Rechte wie Sie. Vom Kom-Standpunkt aus hat er gezeigt, daß er nicht gefunden werden möchte. Können Sie abgesehen von Ihren religiösen Ansichten irgendeinen Grund nennen, weshalb das zugelassen werden sollte?«

»Abgesehen von —«fuhr Yua auf und verstummte.

»Hier ist noch jemand«, sagte Zigeuner plötzlich.

Sie winkte ab.

»Die Akoluthen laufen überall herum und montieren die Lautsprecheranlage ab.«

Der schwarzhaarige Mann schüttelte den Kopf.

»Nein, die meine ich nicht. Irgend jemand belauscht uns. Es ist jemand hier mit uns im Raum.«

Yua und Marquoz schauten sich um. Das Zimmer war klein und besaß keine Versteckmöglichkeiten.

»Sie irren sich«, sagte Yua.

»Er irrt sich selten«, erklärte Marquoz ganz leise.

Sie blieben eine Weile schweigend sitzen, bis der Drache endlich die Schultern hochzog.

»Was macht das? Wir besprechen hier keine Staatsgeheimnisse.«Er sah die Priesterin an. »Ich frage noch einmaclass="underline" Gibt es irgendeinen Grund — mit Ausnahme Ihres Glaubens —, der Ihnen Zugang zu den Archiven sichern sollte?«

Yua wollte gerade antworten, als Zigeuner sagte:»Mehr als einer. Hier sind mehrere Wesen, die uns belauschen.«

Marquoz und Yua betrachteten ihn mit Besorgnis, dann wandte der Drache sich wieder an die Olympierin.

»Also?«

»Ihre eigenen Forschungen haben unseren Glauben bestätigt«, erklärte sie. »Das muß Ihnen klar sein. Ihre eigenen Wissenschaftler geben an, daß es irgendwo einen Hauptcomputer gibt, daß Zinder recht hatte — und daß wir Olympier Zinders Kinder sind. Sie haben sich mit den Kräften befaßt, die zu unserer Erschaffung geführt haben, also wissen Sie, daß dem so ist. Warum wollen Sie uns dann bei dieser einen Kleinigkeit nicht noch entgegenkommen? Wenn wir uns irren, ist wenig verloren. Niemand braucht je davon zu erfahren — Sie können den Präzedenzfall so leicht vergraben wie jede andere Tatsache, bei der Ihnen das sinnvoll erscheint. Wenn wir recht haben, dann ist das etwas, das der Kom-Bund wissen muß.«

Marquoz überlegte, schüttelte schließlich aber den großen Kopf.

»Nein, bedaure. Wie gesagt, wir können das zudecken, aber wir haben von der ganzen Sache nichts. Brazil könnte uns jederzeit wegen Störung der Privatsphäre verklagen.«

»Ah! Sie geben also zu, daß er existiert!«

Der Drache nickte.

»Gewiß, es gibt — oder gab — eine Person namens Nathan Brazil, wenngleich alles darauf hindeutet, daß er, wenn er Gott ist, nicht der sein kann, den Sie suchen.«

»Was meinen Sie damit?«

»Ich bin der Sache nachgegangen«, erwiderte der Chugach. »Er ist unter Frachterkapitänen eine Art Legende. Bei weitem der Älteste, ein Einzelgänger, starker Trinker und Raufbold aus Lust an der Sache. Nicht gerade das, was man sich unter einem Gott vorstellt, oder?«

Sie hob die Schultern.

»Wer kann behaupten, Gott oder das, was ER tut, zu kennen oder zu verstehen?«

Marquoz seufzte.

»Ich gebe zu, daß das schlecht zu widerlegen ist, aber nein, ich fürchte, Sie haben mir nicht genug Material geliefert, das ich dem Präsidium vorlegen könnte. Bedaure.«Er sah seinen zerstreuten Freund an. »Zigeuner? Kommst du?«

»Vielleicht kann ich einen ausreichenden Grund nennen«, sagte eine neue Stimme, die einer Frau, tief und volltönend, ohne Akzent. Yua und Marquoz erschraken, und Zigeuner fuhr in die Höhe.

»Seht ihr? Hab’ ich doch gesagt!«stieß er hervor.

Marquoz schaute sich im leeren Zimmer um.