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»Das ist lächerlich!«schnaubte eine der Athenen. »Wenn ER gefragt wird, ob ER wirklich Nathan Brazil sei, wird SEIN großer Plan Erfüllung finden, und ER wird SEINE wahre Macht zeigen.«

»Woher wißt ihr das so genau?«fuhr Mavra auf. »Ja, ja, alles hat sich bisher so ergeben, wie euer Glauben das behauptet — aber vielleicht braucht es da doch ein bißchen mehr. Denkt daran, daß er bis vor ungefähr einem Dutzend Jahren an der Öffentlichkeit war und unverhüllt aufgetreten ist. Er muß allein von Zollbeamten mindestens hunderttausendmal gefragt worden sein, ob er wirklich Nathan Brazil sei. Versteht ihr? Ich glaube, ihr steht vor einem Problem — selbst nach eurem eigenen Glauben diktiert die Logik, daß ihr ihn mit seinem wahren Namen ansprechen müßt, damit er es zugibt — und seinen wahren Namen kennen wir nicht. Wenn ich da recht habe, treibt ihr ihn in eine Panik, genau wie Marquoz gesagt hat.«

»Sie — Sie wollen uns nur verwirren«, sagte die Olympierin nach einer Verlegenheitspause. »Es ist die Logik des Bösen!«

»Denkt logisch«, mahnte Obie. »Wenn ihr recht habt, ist nichts verloren, sobald wir unsere Methoden anwenden. Ihr bekommt Gelegenheit, eure Frage zu stellen. Wenn wir recht haben, verliert ihr diese Chance, vielleicht für immer, wenn ihr es ablehnt, nach unserem Vorschlag zu verfahren. Im Grunde bleibt euch gar keine Wahl.«

Eine der Athenen, offenkundig die Führerin, sah ihre Schwestern an und richtete den Blick wieder auf die übrigen Anwesenden. Obzwar Fanatikerin, war sie nicht dumm.

»Nun gut«, sagte sie schließlich. »Wie ihr meint. Aber wir erhalten unbehinderten Zugang zu IHM, sobald die Verbindung hergestellt ist?«

»Sobald wir wissen, daß er nicht entkommen kann, ja«, versicherte Obie. »Mein Wort darauf.«Soviel euch das dann nützt, fügte er im Inneren hinzu, obwohl er an Mavras Miene erkennen konnte, daß sie dasselbe dachte.

»Er wird ein schnelles Schiff haben und jederzeit davonfliegen können«, betonte Marquoz. »Man muß vorsichtig an ihn herantreten, ihn überraschen, mit Raffinesse, aber nicht mit Gewalt. Wir wollen ihn als Freund. Es macht mir Sorgen, daß er die Hilferufe des Schachtes der Seelen nicht beachtet hat, obwohl ihr sagt, er hätte sofort dorthin zurückgerufen werden sollen.«

»Ganz meine Meinung«, bestätigte Obie. »Entweder ist sein Gedächtnis wieder im Verfall begriffen, oder er hat die Signale bewußt unbeachtet gelassen. Trifft ersteres zu, können wir ihm vielleicht aufhelfen, aber im zweiten Fall könnte er sich auch unserer Kontrolle entziehen. Wir müssen vorsichtig sein. Irgendwelche Vorschläge?«

Mavra nickte.

»Obie, weißt du noch, wie du mir die Erinnerungen meiner Großeltern an ihre Odyssee mit Brazil auf der Schacht-Welt vorgespielt hast?«

»Ja.«

»Ich glaube, er hat Wu Julee wirklich geliebt. Sie liebte ihn ganz gewiß. Die Schacht-Welt hatte sie in eine Dillianerin — einen Zentaur — verwandelt, und du hast gesagt, daß er eine Vorliebe für Zentauren hat. Ich frage mich… Angenommen, du verwandelst mich in ein Ebenbild von ihr als Zentaur? Außer für Nathan Brazil würde das niemandem etwas bedeuten. Selbst wenn sein Gedächtnis verschüttet ist, könnte das etwas bewegen. Was alle anderen auf Meouit betrifft, wäre ich nichts weiter als ein attraktives Rhone-Wesen mehr. Ich habe mir die Verschiffungsdaten angesehen — er hat keine Rückfracht, wird also auf Verdacht irgendwohin fliegen, wenn er hier nicht etwas bekommt. Er wird auf der Suche nach Fracht landen. Wie wäre es, wenn ich mich als Vertreterin einer Spedition an ihn wende? Aus seinen Reaktionen auf mein Auftreten werden wir erkennen können, ob Korf Brazil ist. Ein Zusammentreffen mit mir müßte für ihn gefühlsmäßig und finanziell unwiderstehlich sein.«

»Und wir würden an den vereinbarten Stellen im Inneren warten«, warf Marquoz ein. »Gefällt mir.«

»Aber mir nicht«, fauchte die Athene. »Wenn die Heilige Frage nicht auf der Stelle augenblicklich gestellt wird, laufen Sie Gefahr, daß er eine Falle wittert und die Verabredung nicht einhält.«

»Wir beschatten ihn sofort, wenn wir ihn entdecken«, versicherte Mavra. »Sobald er das Weite suchen will, packen wir zu. Wir können ihn mit Gewalt holen, wenn er sich entschließt, zur ›Jerusalem‹ zurückzukehren. Ergreift er in irgendeiner anderen Richtung die Flucht, wird er auf einer Rhone-Welt mehr als auffällig sein.«

»Und wir müssen Sie ohnehin heimlich hinunterbefördern«, ergänzte Obie. »Die Rhone sind auf die Gemeinde oder die Olympier nicht sonderlich gut zu sprechen. Kommen Sie schon, Sie haben erklärt, daß Sie mitmachen.«

Die Olympierin stand auf und schien etwas sagen zu wollen, dann setzte sie sich wieder.

»Also gut, einverstanden.«

»Du solltest mit uns hinuntergehen, du hast ihn früher kennengelernt«, sagte Marquoz zu Zigeuner.

Zigeuner schüttelte den Kopf.

»Nein. Tut mir leid. Ich will nichts anderes sein, als ich bin. Aber die Masche klingt gut. Das sollte klappen. Ich verfolge das von hier aus.«

»Wie du meinst«, sagte der Chugach achselzuckend. »Ich habe aber ebenfalls nicht den Wunsch, ein Rhone zu sein«, sagte er ins Leere.

»Nicht nötig«, erwiderte der Computer. »Die Olympierinnen werden auch keine. Ihr könnt alle gemeinsam warten. Wir schicken jemand von der Besatzung hinunter, um ein Lagerhaus zu mieten und eine Scheinfirma zu gründen — das läßt sich ungefähr in einem Tag machen. Außerdem werden sie herumhorchen. Wir benützen eines der Ersatzschiffe, um Sie hinzubringen; wir tarnen Sie als Fracht oder dergleichen und schaffen Sie ins Lagerhaus. Dann warten wir.«

»Ja, dann warten wir«, sagte Marquoz seufzend.

»Der Fall steht bevor!«warnte Obie. Bevor jemand reagieren konnte, erlosch die Welt rings um sie. Schwärze ohne Ende hüllte sie ein, während sie hinabstürzten, zu einem Punkt tief, tief unter ihnen.

Meouit

Die Vorausmannschaft von Nautilus hatte gute Arbeit geleistet. Das Lagerhaus war schäbig und stand in einer üblen Gegend, aber nah am Raumflughafen und selbst für jemand, der dort noch nie gewesen war, leicht zugänglich. Auf dem kleinen Schild stand in der Kom-Handelssprache ebenso wie in der Landessprache Zhosa ›Reederei Durkh‹. Das Schild wirkte alt und abgewetzt, nicht funkelnagelneu, was es in Wirklichkeit war.

In Taiai, der größten Stadt auf Meouit, war es kalt und fast schon dunkel. Hier und dort schwebten Schneeflocken herab. Eine junge Rhone-Frau in einer teuren Pelzjacke betrachtete die Szene, begleitet von mehreren größeren Rhone-Männern.

Sie schien kaum zwanzig zu sein, nicht schön, aber angenehm zu betrachten, sogar ein wenig sexy, mit langen, braunen Haaren. Ihre Haut war von hellem Braun, auf beiden Seiten des Kopfes ragten ihre spitzen Ohren empor und schienen sich unabhängig voneinander zu drehen. An den Hüften ging der beinahe menschliche Rumpf in kurzgeschorenes, hellbraunes Fell über, das einen vollkommenen Pferdeleib bedeckte. Gegen die Kälte brauchte sie nur die Jacke; unter dem Rumpf war sie durch Fell und Unterhaut-Fettgewebe gut geschützt.

»Nicht schlecht«, sagte sie bewundernd. »Ganz und gar nicht schlecht.«

Der männliche Rhone, der direkt neben ihr stand, größer und muskulöser als sie, freute sich.

»Gehen wir hinein und begrüßen die anderen?«schlug sie vor. Er schob eine der Türen für sie auf. Die Beleuchtung im Inneren erzeugte im Halbdunkel einen Lichtkeil, als sie eintraten. Der letzte Zentaur schloß die Tür.

Die junge Rhone schnupperte kurz, dann blickte sie in eine Ecke.

»Wie haben Sie sich gehalten, Marquoz?«fragte Mavra Tschang laut.

Der kleine Drache stakte aus der Dunkelheit, eine dicke Zigarre paffend.