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Brazil nickte. »So ungefähr. Ich glaube, er übertreibt, der Wirkung halber. Eher sind es fünf bis acht Prozent — im äußersten Fall einmal bei zwölf Möglichkeiten — jedenfalls innerhalb der nächsten ein bis drei Millionen Jahre.«

»Das sind schon bessere Aussichten«, sagte der Chugach zu Obie und den anderen. »Bei fünf bis acht Prozent würde ich das Risiko eingehen.«

»Er weigert sich, die Tatsachen anzuerkennen«, gab Obie zurück. »Einundzwanzig Prozent. Jetzt. In diesem Augenblick. In ein, zwei Jahrhunderten dreißig Prozent. In weiteren zwei- bis fünftausend Jahren fünfzig Prozent. Danach jeden Augenblick. In fünftausend Jahren kann eine Rasse sehr viel erreichen — aber nicht Größe. Die Zeit ist zu kurz, um auch nur eine kleinere evolutionäre Veränderung hervorzubringen; es ist Zeit genug, die Weisheit zu verlieren, aber nicht genug, sie zu erlangen. Mr. Brazil verlangt also von uns, daß wir den Rassen des Universums ein paar tausend Jahre geben — auf die Gefahr der völligen Auslöschung des gesamten Universums ohne jede Aussicht auf Wiederherstellung hin. Ich meine, daß das durch jetzige Untätigkeit zu erreichende Potential bei weitem übertroffen wird durch das größere Risiko, das wir eingehen, wenn wir es zulassen. Der Schacht muß repariert werden, und zwar sofort.«

»Ich verstehe mehr vom Schacht als er«, betonte Brazil. »Ich glaube, er ist im Irrtum.«

»Ich bin ein viel besserer und schnellerer Computer als Sie, Nathan Brazil«, gab Obie zurück.

Brazil lachte in sich hinein.

»Wenn du mehr davon verstehst als ich, dann schalt doch du ihn ab und reparier ihn.«

Obie war darauf vorbereitet.

»Sie wissen, daß ich das nicht kann. Ich weiß, was getan werden muß, aber ich bin Teil der Gleichungen. Sobald die Energie abgeschaltet wird, höre auch ich auf zu existieren. Der Schacht erkennt ein Surrogat nicht an, weil nur eine der älteren markovischen Gleichungen ihn öffnen und hineingelangen kann. Ich kann Ihnen sagen, was zu tun ist — aber nur Brazil kann es ausführen. Das weiß er auch.«

Sie sahen den sonderbaren kleinen Mann an. Seine Miene wirkte gequält.

»Ich könnte es ohnedies nicht tun«, sagte er abwehrend. »Mein Gott! Ist euch klar, wie viele Leute ich umbringen würde? Ich nehme diese Art von Verantwortung nicht auf mich! Auf keinen Fall!«

»Patt«, murmelte Zigeuner.

»Nicht ganz«, gab Obie zurück. »Wie gesagt, Brazil hat einen Vorteiclass="underline" Menschlich in Denken und Seele, kann er sich weiterhin vor der Wahrheit verstecken. Ich kann es nicht. Deshalb muß er gezwungen werden, die Dinge so zu sehen wie ich. Er muß gezwungen werden, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Ich werde gleich den kleinen Parabolsender hinausdrehen, ihn einhüllen, und wir werden verschmelzen. Er wird sehen, was ich sehe. Er wird gezwungen sein zu sehen, was ich zu sehen gezwungen bin. Dann soll er sich weigern.«

»Aber — Obie!«protestierte Mavra. »Das kannst du nicht tun! Du bist schon schwer geschädigt worden, als du versucht hast, ihn zu analysieren!«

»Ich rechne damit, daß das für mich tödlich sein kann«, erklärte der Computer, während in seiner allzu menschlichen Stimme ein Anflug von Angst hörbar wurde. »Ich weiß es nicht genau. Ich weiß aber, daß es möglich ist, und ich weiß auch, daß der Schacht seinen Tod dabei verhindern wird. Aber er wird gezwungen sein, die Wahrheit zu erkennen.«

Brazil lachte nervös auf.

»Augenblick mal jetzt! Ich mach’ da auf keinen Fall mit. Wenn du glaubst —«

»Sie haben keine Wahl«, unterbrach ihn Obie. »Die Männer mit den Gewehren werden dafür sorgen. Sie tun entweder, was ich sage, oder wir schießen Sie zusammen und werfen Sie auf die Plattform.«

Brazil wirkte verstört. Schmerz verabscheute er wie nur irgendeiner.

»Okay! Okay! Ich mache es!«schrie er. »Das genügt doch wohl!«

»Es tut mir leid, Brazil, ehrlich leid«, antwortete Obie. »Ich würde mir wünschen, daß Sie die Wahrheit sagen, aber Sie und ich wissen, daß Sie nicht aufrichtig sind. Gewißheit kann ich nur mit dem Parabolspiegel haben. Glauben Sie, ich würde diesen Weg wählen, wenn es irgendeine andere Möglichkeit gäbe? Wenn Sie ich wären, und ich Sie — würden Sie es glauben, selbst wenn es wahr wäre?«

Brazil seufzte und schien ein wenig in sich zusammenzufallen. Er wirkte völlig niedergeschlagen.

»Darauf kann ich nicht viel sagen.«

»Ich möchte mit jedem einzelnen von Ihnen der Reihe nach allein sprechen, bevor ich mir Brazil vornehme«, sagte der Computer ernsthaft. »Mavra, würden Sie bitte auf die Plattform treten?«

Mavra hielt ihre Tränen zurück und brachte es auf irgendeine Weise fertig, die Plattform zu erklimmen.

* * *

Umhüllt von dem violetten Leuchten, hatte sie kein Zeitgefühl, aber sie wußte, daß sie Obie seinen Plan ausreden mußte.

»Mavra, sprechen Sie es nicht aus«, erklärte er. »Erstens bin ich hundertprozentig Ihrer Meinung. Ich will es gar nicht tun, aber ich muß. Versuchen Sie zu verstehen.«

»Ich gebe mir Mühe, Obie — aber ich kann das einfach nicht akzeptieren.«

»Schauen Sie, Mavra. Es ist nicht so, wie Brazil behauptet. Ich habe nicht den Wunsch, ein Märtyrer zu sein. Nach Nikkis Tod bin ich der letzte Zinder. Mit ihrem Ableben habe ich nicht gerechnet, Mavra. Ich hatte gehofft, daß ich ihr helfen und den neuen Anfang ermöglichen könnte, den sie verdiente.«

»Wenn es dir ein Trost ist, Obie, ich glaube nicht, daß du irgend etwas hättest tun können, ohne ihr ganzes Gehirn zu löschen.«

»Ich weiß, ich weiß. Trotzdem — es ist sonderbar, nicht? Daß sie gerade heute gestorben ist, meine ich. Wir beide…«

»Es muß nicht sein, Obie! Hör schon. Wir sind Partner. Fifty-fifty. Du brauchst keine Mehrheit, um die Firma aufzulösen.«

»Sie ist aufgelöst zugunsten einer neuen. Das wissen Sie. Sie war in dem Augenblick aufgelöst, als man die Zinder-Vernichtungsgeräte einsetzte. Ich weiß — wir beide glaubten, das würde ewig so weitergehen. Neue Herausforderungen, neue Welten. Der größte Fehler war wohl der, in diesem Sektor nicht regelmäßig nachzusehen. Wenn wir das getan hätten, wären wir mit den Dreel fertiggeworden, und nichts von alledem hätte stattgefunden.«

»Du weißt nicht, wie oft ich darüber nachgedacht habe«, gab sie reumütig zu.

»Aber wir haben es nicht getan, Mavra. Es ist nun einmal so. Was am wehesten tut, ist, daß wir da draußen soviel Gutes getan haben. Gleichgültig, wie verkorkst sie waren, wir haben es fertiggebracht, sie umzudrehen und auf den richtigen Weg zu bringen. Es war erstaunlich, wie ähnlich wir den meisten von den anderen gewesen sind — aber wenn man bedenkt, daß sie alle denselben markovischen Wurzeln entsprungen sind, ist es wohl gar nicht so sonderbar. Immerhin, wir haben viele Leben gerettet, ein paar Planeten, vielleicht die eine oder andere Zivilisation.«

Sie nickte und lächelte.

»Darauf können wir stolz sein. Und vor allem hat es Spaß gemacht.«

»Das hat es. Aber wozu? Wenn Brazil im Schacht den Stöpsel herauszieht, sind sie alle fort, Mavra. Sie werden nie gewesen sein. Raum und Zeit des markovischen Universums werden verschwinden. Was für eine Verschwendung.«

»Du klingst wie Brazil, Obie. Warum ihnen dann nicht eine Chance geben? Wie er es will?«

»Sie haben keine Chance, Mavra — und ich habe auch keine. Entweder vernichten wir alles für immer, ohne jede Aussicht auf einen Neubeginn, oder wir fangen jetzt neu an. So oder so werde ich sterben. So ist es besser.«

»Aber mußt du denn sterben?«sagte sie drängend. »Warum jetzt? Wir brauchen dich.«

»Ihr solltet mich nie brauchen«, gab er zurück. »Das ist das Problem. Ihr seid von meinen großen und kleinen Parabolsendern viel zu abhängig gewesen. Ihr seid vom Götterspielen eingerostet, Mavra. Und ich brauche nicht zu sterben, nein. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, ich weiß nicht genau, was geschehen wird. Ich verliere vielleicht den Verstand, ich könnte mich auch nur verletzen. Vermutlich werde ich einen Kurzschluß erleiden. Es besteht keine Gefahr. Ich habe die Lebenserhaltungs- und Wartungssysteme bereits von einer Abhängigkeit mir gegenüber gelöst: Es ist wie in alten Zeiten. Nautilus wird überleben und funktionieren — eine Zeitlang. Wer weiß. Ich bin nicht Gott, obwohl es manchmal leichtgefallen ist, daß ich mich dafür hielt. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Ich weiß nur, daß ich, während ich tue, was ich muß, feststelle, wie erstaunlich wenig ich von meinem eigenen Dasein bereue. Ich bereue nichts von unserem Zusammenwirken, Mavra. Die anderen — für sie bin ich eine Maschine oder ein mächtiges, fremdartiges Wesen, das man fürchten muß. Nur Sie sehen mich anders, Mavra. Nur Sie sind meine Vertraute gewesen, meine enge, liebe Freundin.«